Wie weiter? 30.10.2023, 10:10 Uhr

Denkschritte für die Zukunft

Die grüne Transformation bedeutet für viele: noch einmal denkerisch laufen lernen. Ein paar erste Gehversuche nach der Annahme des Klimaschutzgesetzes.
Die Zeit läuft ab, um den Klimawandel zu bekämpfen. Auch die ICT-Branche muss Nachhaltigkeit endlich zu ihrer Priorität machen.
(Quelle: midjourney.com)
Das Schweizer Volk hat im Juni das Klimaschutzgesetz angenommen – breit unterstützt von Wirtschaftsverbänden und fast allen politischen Parteien. Mit der Annahme des Gesetzes hat sich die Schweiz die primären Ziele des Pariser Abkommens in die Verfassung geschrieben. Das heisst: Die Schweiz soll bis 2050 das Vorhaben «netto null»-Emissionen erreichen. Und das ohne Verbote, dafür mit Anreizen.
Nun heisst es: umsetzen. Es ist ein grosses Unterfangen auf vielen Ebenen. Während das Gesetz Bund und Kantone in die Pflicht nimmt und z. B. mit Hausbesitzern auch Privatpersonen trifft, stehen besonders Firmen in der Pflicht, ihren CO₂-Ausstoss zu verringern. Es gibt aber auch finanzielle Unterstützung: Der Bund spricht zwischen 2024 und 2030 200 Millionen Franken an Fördergeldern pro Jahr für Unternehmen, die auf «innovative klimaschonende Technologien» setzen. Das sind insgesamt 1,2 Milliarden Franken.
Aber: «Ich glaube, wenn wir wirklich ernsthaft gegen den Klimawandel ankämpfen wollen, dann braucht es mehr», sagt Yves Zischek, Managing Director des Schweizer Ablegers des Data-Center-Anbieters Digital Realty – und Nationalratskandidat der unabhängigen Zürcher Liste «Ethische Unternehmer:innen und Führungskräfte», die in einer Listenverbindung mit der EVP steht. Die angebotenen Fördergelder: «ein Tropfen auf den heissen Stein». Das heisse keineswegs, dass man das Gesetz nicht be­grüsse, nur – in vielen Belangen habe die ICT-Industrie die Politik überholt, oder, positiver formuliert: Sie geht ihr voraus, hat manche Ziele schon erreicht oder ist auf bestem Weg, sie bald zu erreichen.

Der Zeit voraus auf das Klima zu

«Die Unternehmen in unserer Industrie, im Speziellen in der Data-Center-Industrie, haben die Zeichen der Zeit schon länger erkannt», sagt dazu Roger Semprini, Managing Director bei Equinix Schweiz, ebenfalls Data-Center-Anbieter. Tatsächlich warten jetzt schon viele Schweizer ICT-Firmen nicht auf das Handeln der Politik, wenn es ums Thema Nach­haltigkeit geht. Dennoch ist die Klima-Transformation noch für viele Firmen, ICT oder nicht, ein harter Brocken Arbeit.
Was es jetzt braucht, um nur schon die Zwischenziele zu erreichen – minus 75 Prozent Emissionen bis 2040 gegenüber 1990, 2021 standen wir bei minus 18 Prozent – ist ein ganz grundlegendes Neu-, Anders-, Umdenken: «Wir brauchen eine holistische Sicht auf die Dinge», sagt Yvonne Winteler, Co-Präsidentin von Klima-Allianz Schweiz, selber jahrzehntelang in der IT tätig, «auf den Code, das Data Center, das Netzwerk und die Maschine, auf der er läuft.» Sie fügt an: «Und dann musst du dich fragen: Brauche ich das alles wirklich?». «Wichtig ist, dass man Nachhaltigkeit strategisch verankert», sagt Attila Steinegger, Manager Digital Transformation bei WWF, das ebenfalls Teil von Klima-Allianz Schweiz ist. «Eine Analyse, dann ein paar Massnahmen hier und da – effizientere Laptops, effizientere Datenspeicherung – reichen nicht. Das sind One-Time-Ansätze, die sich schnell verflüchtigen», sagt Steinegger. «Strategische Verankerungen in der IT-Strategie oder auch Verankerungen in der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens sind wichtig, damit IT als ein wesentlicher Treiber wahrgenommen wird.» Denn tatsächlich: IT ist in vielen Unternehmen eine der stärksten Emissionstreiberinnen.
“Politik und Wirtschaft unterschätzen das Datenwachstum und den daraus resultierenden Energiebedarf durch manche Technologietreiber massiv.„
Attila Steinegger
Manager Digital Transformation WWF & Mitglied Klima-Allianz Schweiz
Ein Vorschlag von Yvonne Winteler dazu: Die Schaffung von Schlüsselpositionen, die sich mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen. «Jeder Teil der Firma braucht ihre eigenen Sustainability-Experten und jeder Teil, der in irgendeiner Form mit IT arbeitet, braucht Spezialisten», sagt sie. Dazu: Ein Chief Sustainability Officer, der die Fäden zusammenbringt. «Das ist der Hauptweg, den Unternehmen gehen sollen – und dazu kommt Selbstzertifikation.»



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