Best Practice 30.08.2021, 07:50 Uhr

«AR bringt Plan-Daten direkt auf die Baustelle»

An allen Ecken der Schweiz wird gebaut. Fieldwalk-Gründer Caspar Andri Largiadèr möchte Bauherren die Arbeit erleichtern, indem er den digitalen Bauplan mithilfe von AR direkt auf die Baustelle projiziert.
Zur Person: Caspar Andri Largiadèr lancierte 2001 seine Kar­riere als Naval Architect, Berater und Entwickler im Schiffbau. 2008 gründete er Swiss Marine Consulting. Das von Largiadèr entwickelte Kollaborations-Tool GroupDraw entstand 2013. Es vereinfacht die Kommunikation zwischen involvierten Unternehmen auf Werften. Mit Fieldwalk übertrug er die Prinzipien auf den Gebäudebau.
(Quelle: Ergon)
Der Baubranche steht die digitale Transformation noch bevor. Das Start-up Fieldwalk schickt sich an, den digitalen Bauplan aus dem BIM-Modell (Building Information Modeling) mithilfe von Augmented Reality (AR) in Echtzeit auf der Baustelle sichtbar zu machen. Der Gründer Caspar Andri Largiadèr erklärt im Interview, welches Potenzial die Technologie hat.
Computerworld: BIM erfordert die Zusammenarbeit aller Subunternehmen. Was sind die Herausforderungen?
Caspar Andri Largiadèr: Erstens: Alle beteiligten Unternehmen müssen in BIM planen. Gerade in der Schweiz machen das viele noch nicht. Sie planen klassisch mit 2D-CAD-Plänen. Zweitens: Es bedarf eines BIM-Koordinators. Es reicht nicht, wenn der Generalunternehmer, die Architekt:innen und die Firmen in BIM planen. Vielmehr muss jemand – ein dediziertes Team – die Modelle zusammenführen. Das wurde zum Beispiel beim Bau des Roche Towers deutlich, bei dem BIM durchgängig zum Einsatz kam. Und drittens: Der gros­se Aufwand entsteht zu Beginn, da ist Konsequenz gefordert. Man kann zum Beispiel nicht mit 2D-Plänen starten und dann auf eine BIM-Datenbank umstellen.
CW: Das klingt nach viel Vorbereitung.
Largiadèr: Davor graust es manchem:r Architekt:in. Aber wenn man es anfangs konsequent macht, laufen später die Arbeiten auf der Baustelle umso glatter.
CW: Der Vorteil von BIM in einem Satz?
Largiadèr: Es gibt ein Modell mit einer verknüpften Datenbank, an dem alle arbeiten und so immer auf demselben Stand sind. Das ist mit Papierplänen nicht der Fall.
CW: Wie präsent sind Computertechnologien auf Schweizer Baustellen?
Largiadèr: Gut die Hälfte der Bauleitungen nutzt sie. Bei den Unternehmen sind es wenige.
CW: Und speziell BIM und AR?
Largiadèr: BIM findet bei 10 bis 15 Prozent aller Schweizer Bauprojekte Anwendung. Dieser Anteil wird steigen. Skandinavien, aber auch Indien sind extrem weit. Dort gibt es nur noch öffentliche Ausschreibungen auf der Basis von BIM. AR wiederum spielt eine noch geringere Rolle als BIM. AR-Brillen lösten anfangs einen Hype aus. Doch sie sind kein Tool, mit dem man den ganzen Tag arbeiten möchte, denn sie sind unangenehm schwer.
CW: Fieldwalk verspricht hohe Effizienzgewinne. Warum gibt es noch Widerstände?
Largiadèr: Oft fehlt die Hardware und das Wissen um den Umgang damit. Das versuchen wir zu kompensieren, indem wir die Unternehmen im Einsatz von Tablets schulen. Gerade für Ältere ist der Schritt weg von Stift und Papier eine Hürde. Zudem arbeiten viele Unternehmen mit Papier­plänen – auch da gibt es Widerstände, das Vertraute aufzugeben. Die nachrückende Generation tut sich mit modernen Tools naturgemäss leichter.
CW: Warum haben Sie sich für Ergon als Entwicklungspartnerin entschieden?
Largiadèr: Ich kannte das AR-Team von Ergon schon länger und fand dessen Arbeit sehr kreativ, auch wenn ich inhaltlich damit gar nichts zu tun hatte. Ergon hat viele engagierte und hoch qualifizierte Mitarbeiter:innen und ist zudem in der Schweiz gut vernetzt mit Universitäten wie der ETH Zürich und der Ostschweizer Fachhochschule sowie auch mit Unternehmen. Wir traten letztlich an Ergon mit der Anforderung heran, die BIM-Daten ohne die schwere Brille mittels AR auf die Baustelle zu bringen. Ergon steuerte dann noch viele weitere Ideen bei.
CW: Welche zum Beispiel?
Largiadèr: Zum Beispiel erkennt das Tool die Funktion der Räume beim Einlesen der 2D-Pläne – Küche, Wohnzimmer und so weiter. Der Algorithmus beruht auf maschinellem Lernen. Auch das Verfahren für die Initialisierung des 3D-Modells auf der Baustelle stammt von Ergon. Zuvor hatten wir verschiedene Ansätze erprobt. Letztlich fiel die Wahl auf eine Technologie, die inzwischen zum Patent angemeldet ist. Sie ermöglicht, innerhalb weniger Sekunden Modell und Realität dauerhaft zu überlagern.
CW: Welche weiteren Schritte planen Sie mit Fieldwalk in nächster Zukunft?
Largiadèr: Zunächst geht es noch um Feinarbeiten bei der BIM-to-AR-Lösung. Zum Beispiel wollen wir die Indoor-Navigation optimieren, indem wir Ansätze aus der Robotik nutzen – wie beispielsweise das «Simultaneous Localization and Mapping» (SLAM). Auch das maschinelle Lernen wollen wir weiter verbessern, um Details in den Plänen noch verlässlicher zu erkennen. Ansonsten geht es darum, den Kunden die Vorzüge des Ansatzes zu vermitteln – auch hier arbeiten Ergon und Fieldwalk eng zusammen. Die Reise ist also noch lange nicht zu Ende.



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