Reputationsmanagement 23.01.2019, 09:55 Uhr

Vom CEO zum Influencer

Früher hat man hinter vorgehaltener Hand über den Chef geredet. Heute kann jede Führungskraft direkt oder indirekt öffentlich bewertet werden. Unternehmen und ihre CEOs sind in der Digi­talisierung mit einer völlig neuen Transparenz konfrontiert.
CEOs sind auch Markenbotschafter. Je klarer sich das innere und äussere Umfeld an einem orientieren kann, desto glaubwürdiger, zuverlässiger und vertrauenswürdiger wirkt man, was den eigenen Ruf und den des Unternehmens stärkt
(Quelle: iStock/Golubovy)
Alles, was intern besprochen wird, kann das Licht der breiten Öffentlichkeit finden. Welche Vor- und Nachteile die digitale Transparenz für den Ruf von Führungskräften und Unternehmen haben kann, verdeutlicht folgendes Beispiel: Ein grosses Schweizer Unternehmen muss sparen und zentralisiert verschiedene Abteilungen aus der ganzen Schweiz in Zürich. Die Mitarbeiter, in diesem konkreten Fall Journalisten, wollen dies nicht so einfach hinnehmen und eröffnen einen öffentlichen Twitter-Kanal, über den sie interne Informationen veröffentlichen, angereichert mit ihren Kommentaren. Dieses Ausmass an Transparenz ist absolut neu und Unternehmen sowie deren Führungskräfte müssen erst lernen, damit umzugehen.
Wir sind zu einer «Mitsprachegesellschaft» geworden. Eine immer stärkere Sozialisierung im Netz führt dazu, dass Menschen, die sich sonst nicht treffen, über soziale Netzwerke miteinander kommunizieren. Bin ich also mit einem Unternehmen, einem Produkt, einer Dienstleistung oder auch nur der Aussage eines Top-Managers nicht einverstanden, kann ich das in den sozialen Netzwerken mit Tausend anderen Menschen «diskutieren». Dabei gilt: Je angeschlagener der Ruf bereits ist, desto schneller und umso mehr Menschen werden sich finden, um verbal auf das Unternehmen oder dessen CEO «einzuprügeln».

Am Leitbild gemessen

Die Pflege des eigenen Rufs innerhalb der Belegschaft beginnt von Anfang an. Bei einem Einstellungsgespräch wird der neuen Mitarbeiterin feierlich der Ordner mit dem Leitbild, dem Nachhaltigkeitsbericht und weiteres, hochspannendes Lesematerial übergeben. Was heute oft noch nicht stark genug berücksichtigt wird, ist die Tatsache, dass sich, wenn etwas in diesem Leitbild oder dem Nachhaltigkeitsbericht im Alltag nicht gelebt wird, dieser Fakt schnell auf Social Media und den Bewertungsportalen wiederfindet. Vor allem, wenn die besagte Mitarbeiterin entlassen werden musste. Spezielle Plattformen wie kununu.com ermöglichen es ehemaligen Mitarbeitenden sogar, Unternehmen detailliert zu bewerten.
Eine weitere Tatsache, die sich in den letzten Jahren geändert hat, ist die starke Personalisierung. Heute möchte man wissen, wer hinter einem Unternehmen steht. Man will mit Menschen und nicht neutral mit «dem Unternehmen» kommunizieren. Auf diese Weise wird alles transparenter und persönlicher. Ist ein Kunde heute nicht zufrieden, kann er dies detailliert auf Google ausführen. Sucht jemand also nach einem Unternehmen, wird er nicht nur dessen Website finden, sondern eben auch Kommentare von (hoffentlich) zufriedenen Kunden. Diese Umstände bereiten vielen Unternehmen grosse Schwierigkeiten, da sie ihre Kommunikation, intern und extern, komplett umstellen müssten. Dafür gibt es keine Alternative! Kein Unternehmen kann es sich heute noch leisten, erstens Reputa­tionsmanagement NICHT in die Unternehmensstrategie zu integrieren und zweitens, die Reputation des eigenen CEOs nicht gezielt zu managen.

CEOs und Führungskräfte in der Pflicht

Reputationspflege ist Arbeit und hat mit dem eigenen Verhalten und der eigenen Kommunikation zu tun. Selbstverständlich kann die Kommunikationsabteilung hierbei zielgerichtet unterstützen, doch die Hauptdynamik geht vom CEO und den Führungskräften aus. Zudem muss ein CEO immer wieder die Sicht von Kunden und Mitarbeitern einnehmen und sich fragen, welche Erwartungen diese an ihn haben. Auch mit diesen Anforderungen muss man als Führungskraft umgehen. Dabei stellt sich die Frage, ob der Geschäftsführer nur für das Unternehmen seinen Ruf im Auge behalten muss. Nein, sicher nicht. Er macht es auch für sich selbst. Schliesslich nimmt er seinen Ruf mit – in andere Unternehmen ebenso wie in sein Privatleben. Beide Bereiche, privat wie auch geschäftlich, lassen sich heute nicht mehr trennen. Schon gar nicht, wenn es um den Ruf und die Reputation einer Person geht. Übrigens: Eine schlechte Wahrnehmung des CEOs ist für diesen gefähr­licher als eine schlechte Performance. Gemäss einer Studie von Roland Berger von 2015 war eine schlechte Wirkung in 71 Prozent der Fälle der ursächliche Grund für die Demission eines CEOs und nicht seine Leistung.
Unsere Werte entsprechen unseren Überzeugungen. Dafür stehen wir, dafür setzen wir uns ein. Kunden und ins­besondere Mitarbeiter wollen heute wissen, «wofür» ein CEO steht. Sie wollen wissen, was ihn antreibt, wie er tickt und auf welches Ziel er hinarbeitet. Dies anhand eines gängigen Werte-Leitbildes zu kommunizieren, ist in den seltensten Fällen Erfolg versprechend. Authentizität und Integrität sind gefragt und müssen auch so vorgelebt und kommuniziert werden, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes ankommen. Beim Reputationsmanagement geht es um das Erleb­barmachen unserer persönlichen Überzeugungen, Einstel­lungen und Werte. Je klarer sich unser Umfeld an uns orien­tieren kann, desto glaubwürdiger, zuverlässiger und vertrauenswürdiger sind wir, was wiederum unseren Ruf stärkt. Fakt ist: Ohne klare, kommunizierte und erlebbar gemachte Werte, keine stabile, positive Reputation. Und hier schlagen Emotionen die reine Fakten-Kommunikation. Ein CEO ist ein Mensch und keine neutrale Maschine.



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