Tech-Trends im Data Center

Samir Delic, Vertiv: «Eine kleine Data-Center-Einheit könnte in Zukunft Wohn- oder Gewerbeblöcke mit Wärme versorgen»

Computerworld: Welche aktuellen Infrastruktur-Trends bestimmen die Entwicklung beim Bau und Betrieb von Rechenzentren und Colocation?
Samir Delia, Country Manager Schweiz, Vertiv
Quelle: Vertiv
Samir Delic, Country Manager Schweiz, Vertiv: Im Zuge der zwei Trends, Internet der Dinge (IoT) und der kommenden Umstellung auf 5G, wird der Netzwerkrand immer wichtiger. Hier meinen wir ganz konkret den Trend Edge Computing. Damit alles perfekt vorbereitet ist, müssen neue intelligente und autarke beziehungsweie automatisierte und dezentrale Infrastruktur-Lösungen her: Systeme mit Machine-Learning-Fähigkeiten und Cloud-basierte Analytics-Lösungen. Diese vereinfachen und verbessern das IT-Ökosystem am Netzwerkrand, während sie diesen gleichzeitig absichern und effizienter gestalten. Ein weitere Entwicklung ist die zunehmende Standardisierung und Normierung von Rechenzentren. Das wird ebenfalls grossen Einfluss darauf nehmen, wie Data Center gebaut und funktionieren werden. So treffen wir immer häufiger, auf einheitliche Strukturen bei der Architektur und Ausstattung von RZ-Gebäuden oder -Modulen. Es gibt zwar regionale Unterschiede, aber im Grossen und Ganzen werden sich diese immer ähnlicher. Das liegt hauptsächlich daran, dass Systeme einfach im Bau und der Wartung sowie kostengünstig gehalten werden sollen.
CW: Wie sieht es mit der Energieeffizienz aus?
Delic: Auch der Klimawandel und die Energiewende sind ein Trend, den wir nicht aussen vor-lassen dürfen. Immer mehr Rechenzentren müssen immer effizienter werden, damit wir hier langfristig nicht in ein Dilemma bei der Stromversorgung kommen.  Das Potenzial, das in Rechenzentrumstechnologie steckt, muss dafür voll ausgeschöpft werden und dafür braucht es Veränderungen. Wir denken hier vor allem an statische USV-Systeme, die mit Lithium-Ionen-Batterien bestückt gut als Energiespeicher genutzt werden können, und das Konzept der Abwärmenutzung. Diese werden Rechenzentren nachhaltig verändern.
CW: Wie haben sich die Kundenanforderungen in den letzten Jahren verändert?
Delic: Hier haben wir zwei grundsätzliche Veränderungen festgestellt. Die Packungsdichten, die wir früher nur von wissenschaftlichen Rechenzentren kannten, werden mittlerweile auch von Rechenzentren im unternehmerischen Umfeld benötigt. Der Grund ist simpel: Durch die immer höheren Netzanforderungen und grösseren Datenmengen wird immer mehr Leistung benötigt. Deswegen ist eine Zunahme der steigenden Lasten pro Rack eine logische Folge. Die andere wesentliche Veränderung ist, dass Kunden sich vor allem standardisierte Lösungen mit kurzen Planungs- und Ausführungszeiten wünschen, die gut skalierbar sind. Im Zeitalter der Digitalisierung mit stark zunehmenden Datenmengen, die verarbeitet werden müssen, sowie dem Edge Computing-Trend und dem gleichzeitig einhergehenden IT-Fachkräftemangel ein absolut nachvollziehbarer Wunsch. Diesem kommen wir beispielsweise mit der modularen Bauweise von Rechenzentren entgegen. Hier liefern wir ab Werk vorgefertigte Module mit der kompletten Infrastruktur wie Verkabelung, Kühlung, Racks etc., die dann einfach aufgestellt und beliebig erweitert werden können.
CW: Mit welchen Massnahmen und technischen Innovationen reagiert Ihr Unternehmen auf die veränderten Kundenanforderungen?
Delic: Wir erforschen laufend den aktuellen und künftigen Markt und entwickeln unser Produkt-Portfolio dahingehend immer weiter. Die Forschungsergebnisse fliessen direkt in unsere Technologien ein. Damit sind sie auf die unterschiedlichsten aktuellen Anforderungen, die der Markt stellt, vorbereitet. Erst kürzlich haben wir einige Neuerungen vorgestellt, die auf zwei grundsätzliche Veränderungen eingehen. Einerseits möchten wir auf die speziellen Anforderungen von Edge Computing eingehen. Andererseits wollen wir aber Resellern helfen, sich für die fortwährende Digitalisierung noch besser zu wappnen.
CW: Wie zeigt sich das in ihrem Produkt-Portfolio?
Delic: So ist beispielsweise das Vertiv VR Rack eine stabile und flexible Rack-Lösung, die eine schnelle Installation und Wartung ermöglicht. Damit soll die Arbeit an kritischen Geräten vereinfacht werden. Unsere Geist rPDU ist ein anderes Beispiel: Sie wurde speziell für den Ausseneinsatz entwickelt und ist damit gerade für das Edge Computing interessant. Ausserdem verfügen die switched Modelle über patentierte U-Lock-Buchsen, die jedes Kabel verriegeln. So wird ein unbeabsichtigtes Trennen verhindert. Aber auch USV-Anlagen, wie die Liebert GXT5, wurden speziell für den Einsatz am Netzwerkrand entwickelt und angepasst. Der Clou: Die individuell steuerbaren, integrierten Steckdosen erhöhen die Sicherheit – und sie kann auch remote gesteuert werden.
CW: Wie wird das Rechenzentrum der Zukunft aussehen?
Delic: Zusätzlich zu den grossen Rechenzentren von Colocation-Anbietern und Grosskonzernen werden kleine und modulare Rechenzentren immer populärer. So ist beispielsweise das Mikro-Rechenzentrum (oder auch Datacenter-in-a-Box) stark im Kommen. Diese kleinen Einrichtungen können vor allem am Netzwerkrand eingesetzt werden. In vielen Fällen fehlt hier jedoch zurzeit noch ein wirksamer Hochverfügbarkeitsschutz. Wir arbeiten aber gerade dafür an einer Lösung. Vielversprechend sind dafür besondere Rack PDU-Einheiten. Ein anderer Vorteil von Mikro-Rechenzentren ist die Möglichkeit der flächendeckenden Verbreitung und der einfachen Redundanz. So kann beispielsweise bei einem Ausfall einer Einheit der Verbund der anderen Einheiten diesen Ausfall gut kompensieren. Wenn ein grosses Rechenzentrum einen Blackout hat, ist der Schaden hingegen viel grösser.
CW: Sie hatten die Energieeffizienz angesprochen. Welche Möglichkeiten bieten Mikrorechenzentren in diesem Bereich?
Delic: Ein weiterer Vorteil der modularen Einheiten ist die dezentrale Abwärmenutzung. Rechenzentren geben ja viel Wärme ab, weil die Server eine kühle Umgebung benötigen und sehr schnell erhitzen. Diese Wärme wird aber bisher nur wenig genutzt. Doch mit der Abwärme der weltweiten Rechenzentren – derzeit 500 TWh pro Jahr – liesse sich beispielsweise nahezu der komplette Heizwärmebedarf aller Privatwohnungen in Deutschland decken. Und so stellen wir uns die Zukunft vor: Eine kleine Rechenzentrumseinheit, die in einen Wohn- oder Gewerbeblock integriert ist, liefert dort die Abwärme für Heizzwecke. Dadurch lassen sich Heizkosten einsparen, was sich wiederum positiv auf die Umwelt auswirkt.



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