VR- und AR-Brillen 18.09.2018, 11:02 Uhr

Datenbrillen für die Industrie im Überblick

Im Zuge der Digitalisierung helfen Datenbrillen mit AR- und VR-Technologie bei der Prozessoptimierung. Computerworld zeigt, wie die Wearables in der Praxis verwendet werden können und welche Produkte bereits auf dem Markt sind.
(Quelle: Eddie Kopp/Unsplash)
Mit der Datenbrille Google Glass hatte der Internetkonzern Google dem aufstrebenden Markt für Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) keinen Gefallen getan. Schon nach kurzer Zeit regte sich heftiger Widerstand. Kaum ein Anwender wollte in den Verdacht geraten, ein «Glass­hole» zu sein, das heimlich seine Umgebung filmt und möglicherweise pikante Fotos macht. In Ländern wie Russland und der Ukraine wurde die Datenbrille laut Medienberichten angeblich sogar verboten, da sie zu Spionagezwecken hätte verwendet werden können. Entsprechend kurz war die Karriere des auf einem Brillengestell montierten Mini-Computers.
Was Google Glass aber durchaus interessant machte, war die Fähigkeit, mit der integrierten Digitalkamera aufgenommene Rohdaten situationsabhängig mit Informationen aus dem Internet zu kombinieren und so die Realität zu «verbessern». Dies meint auch der Begriff «Augmented Reality». Solche Art von Brillen reichern aus der Umgebung aufgenommene Daten mit weiteren Informationen an. So ist es damit etwa möglich, während einer Reparatur Angaben über Ersatzteile und ihre Verfügbarkeit einzublenden.
Das macht die Technik für viele Unternehmen interessant. Auch Google hat das erkannt und entwickelt Google Glass nun als reines Enterprise-Produkt weiter.

Schwenk auf Enterprise-Kunden

Ende vergangenen Jahres stellte Google die Enterprise Edition (EE) von Google Glass vor. Die Datenbrille wurde sowohl technisch als auch vom Design her deutlich überarbeitet. Unter anderem haben die Ingenieure die Auflösung der Kamera erhöht. Ein neuer Prozessor soll aufgenommene Daten schneller verarbeiten.
AGCO verwendet die Google Glass in der Produktion seiner Landmaschinen
Quelle: AGCO
Auch den Vorwurf einer möglichen Verletzung der Privatsphäre beziehungsweise einer möglichen Spionage hat Google diesmal ernst genommen. So ist für die Nutzung der EE-Version kein Google-Account mehr nötig. Zudem ist die Brille nun mit einer LED ausgestattet, die rot leuchtet, wenn die Aufnahmefunktion aktiv ist.
Eines der Unternehmen, mit denen Google in den vergangenen Jahren bei der Weiterentwicklung der Datenbrille zusammengearbeitet hat, ist der amerikanische Agrartechnik-Konzern AGCO. Bis zu 1000 Glass-VR-Brillen sollen bei AGCO im Einsatz sein. Nach Aussage von Jay Kothari, Project Lead für Glass bei Google X, konnte der Landmaschinenhersteller die Produktionszeit für neue Maschinen durch den Einsatz der Datenbrillen um etwa 25 Prozent senken. Die Inspektionszeiten seien sogar um bis zu 30 Prozent gesunken. Einer der wichtigsten Gründe dafür sei die Zeitersparnis beim Prüfen von Checklisten und beim Nachschlagen in Hand­büchern.
Der Logistikkonzern DHL erzielt laut Kothari ähnliche Ergebnisse. Einer DHL-Untersuchung zufolge lässt sich die Produktivität im Lager so um bis zu 15 Prozent steigern.

AR-optimierte Lagerprozesse

Auch das auf Intralogistik spezialisierte Unternehmen Picavi arbeitet bei der Weiterentwicklung der Datenbrillen mit Google zusammen. Laut Picavi konnten Datenbrillen in den letzten Jahren für den «innerbetrieblichen Material- und Warenfluss praktisch nutzbar» gemacht werden. Mit der Datenbrillen-Technologie von Picavi sei es möglich, Lagerprozesse vom Wareneingang über die Kommissionierung und den Warenausgang bis hin zur Inventur zu optimieren.
Picavi legt zudem grossen Wert auf die Tragbarkeit der Brillen bei der bewegungsintensiven Arbeit im Lager. Nur wenn sie nicht zur Seite kippen, nicht verrutschen und nicht zu schwer sind, nehme Picavi sie in sein Portfolio auf. Nach Angaben des Unternehmens erfüllen derzeit nur sogenannte See-through Head-Mounted Displays (HMDs) diese Anforderungen. Sie projizieren ein virtuelles durchsichtiges Display vor eines der Augen.
Google Glass in der Enterprise Edition ist dabei nur eine der Datenbrillen, die Picavi im Angebot hat. Der Logistik-Spezialist bietet auch die Datenbrillen Chipsip SiME, Vuzix M300, Telepathy Walker und Westunitis InfoLinker an.
Damit die Brillen über einen längeren Zeitraum funktionieren, hat Picavi ein Akkupack entwickelt, das nur 200 Gramm wiegt und am Gürtel befestigt werden kann. Gerade die Scan-intensive Arbeit in einem Logistikzentrum bringt mit sich, dass die Kapazität der integrierten Akkus nach spätestens zwei oder drei Stunden erschöpft ist.

Andreas Fischer
Autor(in) Andreas Fischer



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