Wie KI das Internet der Dinge revolutioniert

Im Gespräch  mit Paul Lukowicz vom DFKI

Paul Lukowicz: Leiter des Forschungsbereichs Eingebettete Intelligenz am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI)
Quelle: DFKI
Paul Lukowicz vom Deutschen Forschungszen­trum für Künstliche Intelligenz (DFKI) erklärt, wie KI in unser Leben eingebettet werden kann und warum vernetzte Ökosysteme dabei so
eine grosse Rolle spielen.
Computerworld: Herr Professor Lukowicz, Sie befassen sich in Ihrem Forschungsbereich mit «eingebetteter Intelligenz». Was genau ist darunter eigentlich zu verstehen?
Paul Lukowicz: Wir beschäftigen uns damit, wie sich Künstliche Intelligenz in die reale physische Welt einbetten lässt, um Dinge intelligenter, smarter zu machen. Das reicht von Wearables, die Körperposition und Bewegungen registrieren, über Jalousien, die sich automatisch öffnen und schliessen, bis hin zum autonomen Fahren.
Computerworld: Wo liegen die besonderen Herausforderungen bei der Entwicklung solcher eingebetteter intelligenter Systeme?
Lukowicz: Die reale Welt ist sehr komplex und dynamisch, sie besteht aus offenen Systemen. Die KI im Computer ist dagegen ein beschränktes System. Sensoren und Aktuatoren können der Elektronik zwar Hinweise darüber geben, wie die Umwelt beschaffen ist und was Menschen gerade tun, aber oft sind die Ergebnisse nicht eindeutig. Es braucht eine Menge Hintergrundwissen, um Zusammenhänge zu verstehen. Mit solchen beschränkten Systemen dieses ungeheuer komplexe Problem des Verstehens und Interagierens mit der realen Welt anzugehen, das ist das Spannende an diesem Forschungsbereich.
Computerworld: Welche Methoden kommen dabei zum Einsatz?
Lukowicz: Wir nutzen sehr häufig maschinelles Lernen, aber auch Methoden der Wissensmodellierung. Natürlich verwenden wir auch Sprach- und Bildanalysen, aber der Schwerpunkt liegt auf der Verarbeitung von Daten, die von einfachen verteilten Sensoren erhoben werden können.
Computerworld: Wie müssen Geräte beschaffen sein, um sie für eingebettete Intelligenz nutzen zu können?
Lukowicz: Die einzelnen Geräte werden immer weniger relevant, entscheidend ist das digitale Ökosystem. Es sind ja nicht mehr nur Computer oder Smartphones mit dem Internet verbunden, sondern auch Fernseher, Glühbirnen, Steckdosen, Heizungsthermostate und Fahrzeuge.
Der Anwender hat heute eine Fülle vernetzter Geräte um und bei sich, egal wo er sich befindet. Die eigentliche Informationsverarbeitung findet in der Cloud statt, wo ein persönlicher digitaler Assistent diese Daten zusammenführt und auswertet.
Computerworld: Wo liegen die grössten Potenziale für den Einsatz eingebetteter Intelligenz?
Lukowicz: Ein ganz wichtiger Bereich ist die Gesundheitsvorsorge. Informationen über Lebensgewohnheiten und Umgebungsbedingungen lassen sich dank eingebetteter Intelligenz erheben und analysieren.
In Kombination mit genetischen Daten und Wissensdatenbanken können so sehr viel genauere, individuellere Therapien entwickelt werden - aus der allgemeinen Medizin, die Krankheiten mit standardisierten Methoden behandelt, wird so eine personalisierte Medizin.
Computerworld: Wir haben jetzt viel über den Einfluss eingebetteter Intelligenz auf das private Leben gesprochen. Welche Einsatzmöglichkeiten sehen Sie im industriellen Umfeld?
Lukowicz: Der Digital Twin ist ein typisches Beispiel für eingebettete Intelligenz. Er repräsentiert sämtliche Prozesse, die in einer Fabrik ablaufen, kann Probleme vorhersagen und passt die Abläufe automatisch an veränderte Bedingungen an. Auch hier sehen Sie wieder diesen Ökosystem-Gedanken: Jeder Sensor und jeder Aktuator trägt ein kleines Stück zum Gesamtbild bei, das durch eingebettete Intelligenz entsteht. Das lässt sich auf beliebige Bereiche übertragen.
Computerworld: Die vernetzte Fabrik ist ja eines der Paradebeispiele für die Digitalisierung und den Einsatz von KI in der Industrie. Gibt es andere Bereiche, in denen Sie Nachholbedarf sehen?
Lukowicz: Überall wo Prozesse relativ chaotisch ablaufen, gibt es enorme Optimierungspotenziale. Das prominenteste Beispiel sind Baustellen. Dort herrscht auch heute noch eine Art kreatives Chaos, und obwohl die Bauplanung natürlich digital am Rechner erfolgt, wird vor Ort vorwiegend mit Plänen und Stücklisten auf Papier gearbeitet. Darüber hinaus sind natürlich alle Anwendungsfälle vielversprechend, in denen Informationen eine grosse Rolle spielen. In Daten steckt so viel Überraschendes, da beginnen wir gerade erst an der Oberfläche zu kratzen.
Computerworld: Welchen Einfluss hat diese Entwicklung auf die Geschäftsmodelle der Unternehmen?
Lukowicz: Die Wertschöpfung verschiebt sich von der Herstellung physikalischer Dinge hin zu Services. Ein gutes Beispiel ist die Heimautomatisierung. Die Installation klassischer Bus-Systeme war extrem teuer, jedes Modul kostete 100 Euro und mehr. Wollte der Nutzer etwas ändern, musste ein speziell geschulter und zertifizierter Servicetechniker das System neu programmieren. Heute kaufen Sie bei Amazon für 20 oder 30 Euro eine WLAN-fähige Steckdose und konfigurieren sie über Alexa oder Ihr Smartphone. Die Kosten sind dadurch um Grössenordnungen gesunken, die Funktionalität ist um Welten besser. Das alte Geschäftsmodell Heimautomatisierung ist damit gestorben, weil die Wertschöpfung nicht mehr in den verbauten Kabeln, sondern in der Intelligenz der Systeme steckt.



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