Intelligent Things und Edge AI 22.04.2020, 06:22 Uhr

Wie KI das Internet der Dinge revolutioniert

Intelligente Dinge und Netze ermöglichen ganz neue Geschäftsmodelle und Services. «Grenzen werden nur durch Gesetzgebung oder ethische Gesichtspunkte gezogen», sagt Marco Krause von Adlink
(Quelle: a-image / shutterstock.com)
Das Kürzel IoT steht nicht länger für «Internet of Things» - zumindest nach Ansicht von Steve Koenig, Vizepräsident der Consumer Technology Association (CTA). Er rief auf der von der CTA organisierten «Consumer Electronics Show» (CES) im Januar die Dekade der «Intelligence of Things» aus. «Dieses neue IoT ist der Beweis dafür, dass Künstliche Intelligenz alle Bereiche unserer Wirtschaft und unserer Kultur durchdringt», erklärte der CTA-Vertreter.
Die meisten «smarten» Steckdosen, Glühbirnen und Thermostate, die heute verkauft werden, sind allerdings noch alles andere als intelligent. Bei genauerer Betrachtung können diese Dinge meist nicht viel mehr, als auf Befehle zu reagieren. Die eigentliche Intelligenz befindet sich in einer zentralen Steuerungseinheit oder in der Cloud. Auch Sensoren für Temperatur, Helligkeit oder Feuchtigkeit geben die gemessenen Daten meist ungefiltert weiter. «Ein einfaches Gerät beschränkt sich in seiner Funktion auf einen begrenzten Umfang», sagt Jörg Wende, Leading Technical Sales Professional bei IBM Deutschland. «Es kann Messwerte erfassen oder bestimmte Aktionen auslösen - oder auch beides in begrenztem Umfang miteinander verbinden.» Intelligent werden die Geräte laut Wende erst, wenn sie Messungen und Aktionen in komplexere Zusammenhänge einbinden können. «Ein Dämmerungsschalter wird etwa nur dann aktiv, wenn sich Personen im Haus befinden», gibt der Experte ein Beispiel. Für Jan Metzner, Special Solutions Architect für Manufacturing bei Amazon Web Services (AWS), liegt die Unterscheidung zwischen «dumm» und «intelligent» vor allem darin, ob und wie IoT-Komponenten miteinander kommunizieren: «Geräte, die ihre Daten nicht teilen, können auch nicht lernen.» Auch Thomas Frahler, Business Lead IoT bei Microsoft Deutschland, sieht in der Vernetzung den entscheidenden Faktor: «Der eigentliche Wert des IoT hängt von der intelligenten Nutzung von Daten ab.»
“Der eigentliche Wert des IoT hängt von der intelligenten Nutzung von Daten ab.„
Thomas Frahler, Business Lead IoT bei Microsoft Deutschland

Verteilt oder zentral?

KI-Fähigkeiten lassen sich entweder zentral zur Verfügung stellen oder als «Edge AI» direkt am Endpunkt implementieren. «Theoretisch kann jedes IoT-Gerät durch Sensoren und Analyse-Algorithmen mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet werden», erklärt Gunther Thiel, Country Manager DACH & BNL beim Hersteller D-Link, der Kameras mit integrierter KI zur Bewegungserkennung anbietet. «Durch die lokale Integration kann die Kamera nicht nur schneller reagieren, sondern braucht auch erheblich weniger Bandbreite, um die Vielzahl der erfassten Daten weiterzuleiten», erläutert der D-Link-Manager. «Edge AI ist auch dann zu bevorzugen, wenn es um 24/7-Verfügbarkeit und um Ausfallzeiten geht», ergänzt Marco Krause, Global Account Director bei Adlink Technology, einem Spezialisten für industrielle KI-Anwendungen. «Bei Edge AI hat der lokale Anwender die Sicherheit, dass sein System zu jeder Zeit verfügbar ist.» Auch der Kostenfaktor spielt laut Krause eine Rolle. Durch Trends wie autonomes Fahren, Virtual und Augmented Reality oder Smart City steige der Bedarf an einer KI-basierten Datenverarbeitung: «In den meisten Fällen ist der Bau eines neuen Rechenzentrums jedoch keine kostengünstige Option für Service-Provider.»
“Theoretisch kann jedes IoT-Gerät durch Sensoren und Analyse-Algorithmen mit Künstlicher Intelligenz aus­gestattet werden.„
Gunther Thiel, Country Manager DACH & BNL bei D-Link Deutschland
Um Dinge intelligenter zu machen, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Im einfachsten Fall werden vortrainierte Modelle in das Gerät integriert. So lassen sich KI-Funktionen wie Mustererkennung, Bildanalyse oder auch Sprachverständnis lokal zur Verfügung stellen. Ändern sich die Voraussetzungen oder lässt die Erkennungsrate der eingesetzten KI zu wünschen übrig, muss das zugrundeliegende Modell allerdings zentral neu trainiert und auf sämtliche Endgeräte übertragen werden. Alternativ lassen sich Machine Learning und andere Lernverfahren aber auch direkt auf dem Endgerät ausführen - eine ausreichende Leistungsfähigkeit vorausgesetzt. Dank Plattformen wie Jetson von Nvidia oder den SoCs (System on a Chip) der Intel-Tochter Movidius ist dies bereits in sehr kompakten Geräten möglich.
Microsoft unterscheidet bei Edge AI zwischen «Light» und «Heavy Deployment». In der leichtfüssigen Variante übernehmen Sensorsysteme auf Microcontroller(MCU)- oder SoC-Basis die Arbeit. Sie sind klein, leicht und durch Batterien oder Akkus unabhängig von einer externen Stromversorgung. KI-Fähigkeiten erhalten sie über Neural Network Accelerators (NNA), integrierte GPUs (Graphic Processing Unit) oder die CPU (Central Processing Unit) selbst. «SoC-Prozessoren bringen fast alle Funktionen von programmierbaren elektronischen Systemen auf einem einzigen Chip unter und haben heute schon ausreichend Kapazität, um beispielsweise semantische KI-Modelle zur Bild- und Objekterkennung vor Ort auszuführen», berichtet Business Lead IoT Frahler. Wenn das nicht ausreicht, kommt die schwergewichtige Edge-Variante zum Einsatz. In ihr übernehmen Server, Industrie-PCs oder Gateways die Rechenarbeit. Beispiele hierfür sind etwa die «Azure Data Box Edge»-Produkte, die auch in einer «ruggedized» Variante erhältlich sind, die «Edge­line»-Systeme von HPE oder die MEC-Server (Multi-access Edge Computing) von Adlink. Trotz Miniaturisierung und neuer Plattformen reichen Rechenleistung und Speicherkapazität am Edge allerdings nicht in jedem Fall aus, weiss Jan Metzner von AWS. «Bei komplexeren IoT-Szenarien kann es sinnvoll sein, die Neuberechnung von KI-Modellen zentral in der Cloud durchzuführen.»



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