«Cybergangs hacken mittlerweile im staatlichen Auftrag»

Warum Staaten hacken

Computerworld: Was sind generell die Motive der Staaten für Cyberangriffe?
Vanunu: Wichtigstes Motiv ist hier wohl, Zugang zu Daten und Infrastrukturen zu haben, um im Ernstfall auch über den Cyber-Weg aktiv zu werden. Das Ganze ist dann eine Waffe, die beispielsweise im Verteidigungsfall eingesetzt werden kann, vielleicht sogar als Ersatz für physische Waffen wie Raketen.
Lotem Finkelstein ist für Threat Intelligence bei Check Point Research zuständig
Quelle: Jens Stark/NMGZ
Finkelstein
: Es ist aber auch sehr unterschiedlich und kommt auf das Land an. Wir sehen hier neue, sehr interessante Motive. Bislang standen ja reine Aufklärung und Spionage im Vordergrund. Heute gibt es Staaten, die in anderen Staaten Proteste steuern oder im eigenen Land unterdrücken wollen. In anderen Fällen sehen wir eine Art Demonstration der eigenen Cyber-Möglichkeiten. Hier lassen Staaten die Cyber-Muskeln spielen, um andere einzuschüchtern.
So hat vor gut zwei Jahren Russland in der Ostsee Marinemanöver durchgeführt, und gleichzeitig wurde in Schweden ein Cyberangriff auf das Tramsystem durchgeführt. Das war noch keine richtige Attacke, sondern vielmehr eine kräftige Demonstration, die den Entscheidungsträgern im betroffenen Land klare Signale sendete.
Doch das ist nicht alles: In gewissen Teilen der Welt sehen wir finanzielle Motive hinter Cyberangriffen. Bestes Beispiel ist hier das wirtschaftsschwache Nordkorea, das zum Beispiel durch Attacken auf Banken in Asien, die Staatskasse aufbessert.
Vanunu: Die Manipulation von Meinungen in anderen Ländern dürfen wir ebenfalls nicht ausser Acht lassen. Entsprechende Versuche, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, haben wir während der US-Präsidentschaftswahlen, während der Brexit-Abstimmung und den letzten Wahlen in Israel gesehen. Und in diesem Zusammenhang werden die durch künstliche Intelligenz optimierten Algorithmen in sozialen Medien sehr gefährlich.
Finkelstein: Genau, eine Desinformation – es muss nicht einmal eine Lüge sein, nur eine ungenaue Darstellung der Tatsachen –, die geschickt in sozialen Medien gestreut wird, dort dank der Algorithmen gepusht wird und schlussendlich in den nationalen Medien des entsprechenden Landes landet, kann die Meinung beeinflussen. Im Oktober stehen ja bei Ihnen in der Schweiz Wahlen an. Sie sollten sich bewusst sein, dass solche Manipulationen möglich sind, und wachsam sein. Denn kein Land wird mittlerweile von solchen Beeinflussungsversuchen verschont.



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