Gravierender Spurwechsel 21.06.2019, 13:59 Uhr

HPE: In Zukunft alles aus der Cloud

HPE hat eine scharfe Kursänderung angekündigt: Weniger verkaufen – mehr vermieten. Damit will man den erfolgreichen Public-Cloud-Providern Paroli bieten und auch den Channel-Partnern neue Perspektiven eröffnen.
Antonio Neri will HPE zum Cloud-Service-Provider umkrempeln
(Quelle: Harald Weiss)
HPE erwartet für sich eine grüne Zukunft. Genauer gesagt, sieht der IT-Gigant seine Zukunft in einem grünen See. Greenlake heisst das Angebot, das die Zukunft von HPE sichern soll. «Bis 2022 werden wir alle unsere Produkte in Form von ‹as a Service› über die Greenlake-Plattform anbieten», verkündete HPE-CEO Antonio Neri auf der diesjährigen Hausveranstaltung «Discover» in Las Vegas. Was sich zunächst nach einem Einstieg in den von Amazon, Google und Microsoft beherrschten Cloud-Markt anhört, reduziert sich bei nahem Hinsehen aber als eine von HPE betriebene Private-Cloud, die in den Räumen des Kunden installiert ist. Doch genau wie bei der Public-Cloud zahlt der Kunde alle IT-Leistungen nach Volumen – also ohne den Einsatz von Capex.
Neben diesen Abrechnungsvorteilen gehören zu dieser IT-Nutzung auch noch die bekannten Usability-Vorteile des Cloud-Computings, wie einfaches Provisioning von Servern, Storage und Middleware sowie eine praktisch unbegrenzte Skalierbarkeit. Neri legte dann auch grossen Wert darauf klarzustellen, dass die Volumen-basierte Abrechnung bei der Nutzung des hausinternen Rechenzentrums nur ein Teil der Greenlake-Vorzüge sei. «Cloud-Computing ist vor allem eine Experience und keine Destination», lautet seine Definition.

Konkurrenzdruck von den Cloud-Providern

Mit der Neuausrichtung des Unternehmens reagiert Neri sehr deutlich auf den Druck, den die drei grossen Cloud-Provider auf die Infrastruktur-Anbieter inzwischen ausüben. Deren steiler Erfolg in den vergangenen Jahren ging komplett zu Lasten der etablierten Anbieter von Rechenzentrums-Technologien. Hinzu kommt, dass AWS mit Outposts seinerseits bereits ins Rechenzentrum vorgedrungen ist und damit den Konkurrenzkampf weiter verschärft hat. Andererseits lieferte Outposts aber auch eine Steilvorlage für ein entsprechendes Businessmodell, das jetzt von anderen übernommen wird. Dell EMC war der erste, der im vergangenen März mit seiner «VMware Cloud on Dell EMC» ein vergleichbares Angebot auf den Markt brachte.
Auf den ersten Blick erscheinen alle drei In-House-Lösungen identisch, doch sie unterscheiden sich inhaltlich deutlich. Bei Outposts wird von Amazon im RZ des Kunden die gleiche Hard- und Software installiert, die auch in der Cloud angeboten wird. Das bedeutet, dass es beim Managen und bei der Workload-Verteilung keinen Unterschied zwischen beiden Infrastrukturen gibt. So können Anwendungen nahtlos zwischen der externen und der internen Cloud hin und her geschoben werden. Dell EMC nutzt als externe Cloud die Azure-Plattform. Hierzu gibt es ein umfangreiches Kooperationsabkommen mit Microsoft, bei dem Microsoft auch seinerseits die Kombination mit der On-Premise Dell-Cloud vertreibt. Der Brückenschlag der Anwendungen erfolgt hierbei mittels VSphere. Das heisst, ähnlich wie Amazon unterliegt das einfache Managen beider Infrastrukturen proprietären Einschränkungen.
HPE will dagegen mit Greenlake dem Anwender mehr Wahlmöglichkeiten an die Hand geben. Mit Google gibt es zwar auch eine Kooperation, wonach GCP als verlängerter Arm der On-Premise-Cloud genutzt werden kann, doch diese schreibt keine spezielle Middleware vor. Beispielsweise kann man auch hier VMware als gemeinsame Umgebung für das Verschieben von Anwendungen nutzen, oder man kann als Cloud-Plattform AWS, Azure oder jede andere Public-Cloud wählen. Damit unterstützt HPE den gegenwärtigen Trend von Multi-Cloud-Strukturen, was bei den CIOs gut ankommen wird.

Greenlake auch für KMUs

Greenlake ist an sich nicht neu, sondern wurde bereits Anfang 2018 gelauncht und verschiedene Grossunternehmen haben es als Ergänzung zu ihren bestehenden Infrastrukturen angeschafft. Doch die breite Nutzung blieb aus, denn der Erfolg dieses Angebotes hängt davon ab, welche Produkte darunter erhältlich sind, ob und wie der Channel mitzieht und wie die Preisstruktur aussieht. Hierzu hat HPE jetzt auf dem Event einen deutlichen Vorstoss gemacht, in dem man «Greenlake für KMUs» ankündigte. Dabei handelt es sich um eine abgespeckte Version, die vor allem einfacher zu installieren und zu administrieren ist.
Damit hat man wohl ins Schwarze getroffen. «Wir konnten soeben den ersten Greenlake-Auftrag gewinnen, und drei weitere sind noch in der Pipeline», sagte René Pfister vom Schweizer HPE-Partner Business IT in einem Gespräch mit der Computerworld. Sein Unternehmen ist schon lange spezialisiert auf das Einrichten von Multi-Cloud-Umgebungen in Kombination mit In-House-Anwendungen. «Das neue Angebot von Greenlake für die KMUs adressiert genau unsere Zielgruppen – also mittelständische Unternehmen im Bereich Finanzen und Industrie ab etwa 500 Mitarbeitern», so Pfister weiter.
Im Bereich Multi-Cloud ist man bei Business IT besonders gut aufgestellt. So hat man zusammen mit HPE, Equinix, VMware und Veeam eine sogenannte Multi Cloud Experience Plattform (MEP) aufgebaut. Diese ermöglicht es, dass potenzielle Kunden konkrete Multi-Cloud-Erfahrungen in einer Labor-ähnlichen Umgebung machen können, ohne dass irgendwelche Geschäftsprozesse tangiert sind. So lassen sich sehr einfach spezifische Use-Cases abbilden und neuen Technologien testen. Das heisst, man kann damit gemeinsam mit Kunden und Partnern neue IT- und Cloud-Strategien planen und testen und bekommt ein Bild von der voraussichtlichen Komplexität des Managens und dem Betrieb.

IT-Trend: Mehr Leistung – weniger Komplexität

Einfachheit bei der Installation und beim Betrieb der IT-Infrastruktur ist der Rote Faden, der sich im Zusammenhang mit Greenlake durch alle weiteren HPE-Produktankündigungen zieht. Herausragendes Beispiel dafür ist die neue Storage-Serie Primera, die ab August sowohl zum Kauf als auch als Teil von Greenlake auf den Markt kommen soll.
Primera ist nicht nur eine einfache Storage-Unit, auf die man die Daten ablegen kann, sondern das System verfügt über eine umfangreiche Software. Das zeigt sich schon bei der Installation und Inbetriebnahme, die weitestgehend automatisch abläuft. «In nur 20 Minuten lässt sich bereits die erste Anwendung darauf starten», sagte Milan Shetti, Senior Vice President für HPEs Storage-Bereich, anlässlich der Neuvorstellung. Im Betrieb soll Primera dann auch weniger Administrationsaufwand erfordern. Dazu gehört an erster Stelle, dass das System nicht ausfällt. «Wir garantieren eine hundertprozentige Verfügbarkeit», verspricht HPEs Chief Sales Officer Phil Davis.
HPE garantiert bei der neuen Storage-Serie Primera 100 Prozent Verfügbarkeit
Quelle: HPE
Damit aber noch nicht genug. Primera beobachtet auch die Einsatz-Umgebung, um heraufziehende Probleme frühzeitig zu erkennen. «90 Prozent aller Probleme treten oberhalb der Storage-Ebene auf, also im Netzwerk, den Servern oder der Virtualisierung. Mit der integrierten KI-basierten InfoSight-Software kann Primera viele potenzielle und echte Schwierigkeiten erkennen und umgehend vorbeugende Massnahmen anstossen», so Shetti weiter. Hier schliesst sich der Kreis zu Greenlake für die KMUs, denn in beiden Fällen geht es um einen weiteren Schritt in Richtung vollautomatisiertem Rechenzentrum. Renè Pfister sieht das ähnlich. «Wir erhoffen uns sehr viel von Primera – vor allem was die Vereinfachungen bei der Installation und der Administration angeht, denn beides sind sehr gute Verkaufsargumente», sagt er über die Vermarktung der neuen Storage-Familie.
Neben der einfachen Installation und dem geringen Administrations-Aufwand zeichnet sich die neue Serie aber auch als Power-Storage-System aus. Dank Multi-Nodes und massiver Parallelisierung soll Primera beispielsweise bei Oracle eine Performance-Verbesserung um 122 Prozent erreichen. Damit positioniert HPE das System vor allem im Bereich von geschäftskritischen Anwendungen, bei denen Leistung und Verfügbarkeit oberste Priorität haben. Das System ist für NVMe entwickelt und bietet die bekannten High-end-Funktionen, wie Instant-Fail-Over und einem Service-orientierten Betriebssystem. Primera kommt zunächst in den Modellen 630, 650 und 760 auf den Markt. Preise wurden noch keine bekannt gegeben.



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