Start-up-Check 23.03.2018, 14:30 Uhr

Jacando: Die HR-Suite aus der Cloud

Mit seiner Lösung verlagert Jacando sämtliche Leistungen von Personalabteilungen in die Cloud. Ziel des Start-ups ist es, Papierstapel mit Bewerbungs- und Mitarbeiterunterlagen gänzlich aus den Büros der Personaler zu verbannen.
Eine Idee zu verwerfen und nochmals von vorn zu beginnen, das gehört beim Unternehmertum oft dazu. Einen Neustart vollzog vor einigen Jahren auch Dennis Teichmann – Gründer von Jacando. Denn beim Basler Start-up begann alles mit einer Vermittlungsplattform für Jobs jeglicher Art – egal ob Microjob oder Festanstellung. 2013 lancierte Teichmann das Projekt gemeinsam mit seinem Co-Gründer Matthias Falk. Die Idee dabei: Das intelligente System gleicht die Skills von Bewerbern anhand eines Algorithmus mit den Anforderungen an eine freie Stelle ab. Aus einem Bewerber-Pool hebt es danach automatisch jene hervor, die am besten zum gesuchten Profil passen. 
Zwischen 2014 und 2015 vollzog Teichmann jedoch einen Strategiewechsel und entwickelte das Geschäftsmodell weiter. «Arbeitgeber haben uns die Rückmeldung gegeben, dass sie die Lösung zwar spannend finden, aber nicht unbedingt einen Marktplatz bei einem fremden Anbieter benötigen», erklärt Teichmann. Deshalb sei dann schnell der Gedanke gekommen, Jacando technisch weiterzuentwickeln und als Cloud-Produkt anzubieten. «Die Technologie sollte in Zukunft zum richtigen Zeitpunkt das Richtige tun – das war unsere Vision.» Co-Gründer Falk stieg an diesem Punkt aus dem Geschäft aus. Er hat sich gemäss Teichmann nicht voll und ganz mit dem neuen technologiegetriebenen Geschäftsmodell identifizieren können. «Schliesslich kam die Einsicht, dass wir geschäftlich nicht mehr optimal zusammenarbeiteten. So machten wir dann den Schritt, uns anders zu orientieren.» 

Digitalisierung der Personalabteilung

Heute bezeichnet Teichmann das Angebot seiner Firma als «die innovativste HR-Cloud-Software, die es auf dem Markt gibt». Er verfolgt mit Jacando das Ziel, die digitale Transformation von Personalabteilungen voranzutreiben und Papier gänzlich aus den Büros der Personaler zu verbannen. Der Basler Cloud-Software-Anbieter offeriert hierfür Lösungen in den Bereichen Recruiting, Personal- und Talentmanagement sowie Zeit- und Leistungserfassung. Jacando verfügt über ein vielschichtiges Angebot, das aktuell die Produkte namens «Match», «Admin», «Talent» und «Time» umfasst. Diese unterstützen die Kunden des Start-ups unter anderem bei der Personalbeschaffung, dem Management der Mitarbeiter und deren Performance oder auch der Entwicklung der gesamten Belegschaft. All dies stellt der Anbieter via Cloud bereit. Die Lösung verfügt zusätzlich über eine offene Programmierschnittstelle, die angesteuert werden kann, um Informationen abzurufen. Auch arbeitet Jacando an der Bereitstellung von Schnittstellen zur Anbindung an Buchhaltungs-Software wie Abacus oder Standard-ERP-Systeme wie SAP. 
Kunden können bei Jacando entweder alle Produkte zugleich nutzen, oder aber nur einzelne Komponenten beziehen wie das Recruiting oder das Personalmanagement. Dies ist schliesslich ausschlaggebend für das Pricing. Ein weiterer Faktor stellt zudem die Unternehmensgrösse dar. Hierbei rechnet das Start-up nicht pro Mitarbeiter ab, sondern in sogenannten Grössenklassen. Das soll den Kunden laut Teichmann eine gewisse Planbarkeit ermöglichen. «Wenn eine Firma in einem Jahr beispielsweise von 50 auf 55 Mitarbeiter aufstockt, soll sich dies nicht gleich auf die Abrechnung der Lizenzkosten auswirken.» 

Fokus auf KMU

Wie Teichmann erklärt, ist es dem Start-up bereits zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit gelungen, wichtige Pilotkunden ins Boot zu holen. Dazu gehört die Mobiliar. «Sie zeigte schon früh den Mut, ein altes, etabliertes Software-Produkt durch die Cloud-Lösung zu ersetzen.» Heute setzen nebst dem Schweizer Versicherungskonzern etwa auch Hotelleriesuisse oder der Einzelhändler Spar auf die Lösung von Jacando – ein gutes Dutzend Grossbetriebe sind es laut Teichmann insgesamt. Bei der überwiegenden Zahl der Kunden handle es sich jedoch um klassische KMU wie zum Beispiel der Schweizer Waschmaschinenhersteller Schulthess. «Für sie gab es im HR-Bereich bisher keine passende Lösung am Markt», sagt der Jacando-Gründer. Und weiter: «Lösungen wie jene von SAP sind zwar für Grossunternehmen interessant, für KMU aber meist zu teuer.» Hinzu komme, dass Cloud zurzeit sowieso ein «heisses Thema» sei. Unternehmen würden heutzutage – unabhängig von ihrer Grösse – durchs Band Möglichkeiten zum Einsatz von Cloud-Lösungen prüfen. «Während wir vor ca. zwei Jahren noch Basisunterricht in Sachen Cloud geben mussten, müssen wir heute den wenigsten erklären, was das ist.» Denn gemäss Teichmann stellt sich momentan bei vielen Unternehmen die Frage, wie die internen Prozesse zukunftssicher aufzustellen sind. «Künftig wollen wir uns besonders auf KMU-Kunden fokussieren, Rücksicht auf ihre Bedürfnisse nehmen und unsere Produkte gemeinsam mit ihnen weiterentwickeln.»
Dennis Teichmann will mit Jacando in der Schweiz und in Deutschland jährlich dreistellig wachsen
Quelle: Jacando

EU-DSGVO in Sichtweite

Ein grosses Thema sei für das Basler Jungunternehmen momentan auch die Datenschutz-Grundverordnung, wie Teichmann erklärt. Die neuen Regelungen der Europäischen Union wurden am 24. Mai 2016 verabschiedet, am 25. Mai 2018 treten sie schliesslich in Kraft. «Weil Personaldaten aber fast die sensibelsten Informationen eines Unternehmens sind, beschäftigt uns das Thema sowieso laufend. Deshalb stellen wir punkto Datenschutz schon seit jeher sehr hohe Ansprüche an uns selber und verfügen intern über entsprechende Richtlinien.» Weiter arbeite das Start-up – was die Server-Landschaft anbelange – nur mit ISO-zertifizierten Produkten. 
Im Rahmen der europäischen Datenschutz-Grundverordnung geht Jacando dennoch über die Bücher. «Obwohl unsere Prozesse konform sind, verifizieren wir aktuell mit einem externen Datenschützer erneut, ob diese allen Vorgaben entsprechen. So können wir noch rechtzeitig Anpassungen vornehmen, falls dies nötig sein sollte», sagt Teichmann. Zudem stehen den Kunden des Start-ups zwei verschiedene Cloud-Lösungen zur Auswahl – eine aus der EU und eine aus der Schweiz. Denn Kunden wie die Mobiliar oder die Gemeinde Emmen hätten die Notwendigkeit, dass ihre Daten physisch in der Schweiz gespeichert seien. Hierzulande arbeitet Jacando mit Innofield zusammen, im EU-Raum mit Amazon Web Services. 

Expansion dank Series-A 

Ende Januar schloss Teichmann mit Jacando eine Series-A-Finanzierungsrunde ab, die dem Start-up laut Angaben des Gründers einen siebenstelligen Betrag einbrachte. Unterstützt wurde das Jungunternehmen von 2013 bis 2017 zudem von einem deutschen Business Angel. Mit dem Geld wolle Teichmann einerseits die Produkte weiterentwickeln, andererseits solle es aber auch dabei helfen, europaweit in neue Märkte vorzudringen. Denn Jacando ist bislang vorwiegend im deutschsprachigen Raum unterwegs. Zu Beginn war das Start-up in der Schweiz aktiv, im letzten Jahr sind besonders in Deutschland viele Kunden hinzugekommen. «Momentan machen wir rund 60 Prozent unseres Umsatzes in Deutschland, das liegt aber auch an der Grösse des Marktes im Vergleich zur Schweiz», sagt Teichmann. Nun soll das Einzugsgebiet von Jacando vergrössert werden: «Gerade haben wir Pilotkampagnen im englischen Markt gestartet, das ist aber immer davon abhängig, wie sich der jeweilige Markt entwickelt.»
Teichmann baut seine Sales-Mannschaft zur Unterstützung dieses Prozesses massiv aus. Doch nicht nur im Verkauf stockt er auf. Über alle Abteilungen gesehen sind beim Jungunternehmen aktuell 21 Stellen ausgeschrieben. «Für uns geht es nun darum, den nächsten guten Sales-Manager oder den nächsten guten Developer anzustellen. Die Herausforderung ist dabei, die richtigen Personen zu finden und gleichzeitig die Qualität des Produkts hochzuhalten», sagt Jacandos Teichmann. Auch sonst stellte er die Firma breiter auf. Sie wird durch ein fünfköpfiges Führungsteam gemanagt und verfügt erstmals über eine vollwertige Geschäftsleitung. Die Suche nach den richtigen Leuten sei allerdings nicht einfach gewesen, erklärt der Gründer. Mit der neuen Konstellation sei er aber «sehr zufrieden». So sollen nun die ambitionierten Ziele Teichmanns erreicht werden. Denn er strebt – nebst der Expansion – in der Schweiz und Deutschland jährlich weiterhin ein Wachstum im dreistelligen Bereich an.
Infobox
Zur Firma
2013 lancierte Dennis Teichmann gemeinsam mit Matthias Falk das erste Geschäftsmodell von Jacando. Zwischen 2014 und 2015 folgte der Umstieg auf das zweite und aktuelle Geschäftsmodell. Das Start-up zog in Basel kürzlich in neue Büros um. Dort beschäftigt Jacando aktuell 25 Mitarbeitende und wächst jährlich dreistellig. 2018 soll die Belegschaft auf 35 bis 40 Personen anwachsen.



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