Design Thinking 11.12.2018, 09:40 Uhr

Innovation ist Lernen – Lernen ist Innovation

Die Methode des Design Thinkings gilt als ein Königsweg für Innovation in Unternehmen. Sie ist aber kein Hokuspokus, sondern funktioniert nach dem Muster eines natürlichen Lernprozesses.
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(Quelle: Swisscom)
Mit dem Wort «Innovation» assoziieren viele Menschen bestimmte Experten, die in ihrer Genialität zielstrebig etwas ganz Neues, noch nie Dagewesenes erschaffen. Doch die Innovationen, die uns im Business-Alltag weiterbringen, sind sehr oft weniger spektakulär. Das macht sie aber nicht weniger wichtig oder gewinnbringend. Bereits ein eingesparter Schritt in einem (Bestell-)Prozess oder die Neuplatzierung eines Symbols auf einem Screen kann überraschend grosse Wirkung haben. Das Erarbeiten solcher Verbesserungen setzt kein Spezialwissen voraus, vielmehr werden sie gewonnen durch eine gute Beobachtungsgabe und den Willen zu lernen.

Paradigmenwechsel zur Fehlerkultur

Während im klassischen Sinne des Lernens Erfolg daran gemessen wird, möglichst allgemein anerkannte Inhalte zum Zeitpunkt einer «Prüfung» abzurufen, funktioniert Design Thinking beinahe gegenläufig. Die aus Prototypen gewonnenen Erkenntnisse sollen in ein Produkt, in eine Lösung, respektive in eine Innovation einfliessen, die so noch nicht da gewesen ist. Konkret bedeutet dies, dass die klassische Wissensaneignung bei dieser Methode in den Hintergrund rückt und durch ein Ausprobieren und Bessermachen ersetzt wird. Die Grundtugenden des Design Thinkings sind die Fähigkeit, Fehler zu begehen sowie die Bereitschaft zu scheitern und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Zum grossen Verdienst von Design Thinking zählt, dass das Methoden-Set dabei geholfen hat, Innovation in Unternehmen zu demokratisieren. Innovation ist nicht mehr nur einem Team von Spezialisten in einer Forschungsabteilung vorbehalten. Innovation, im Sinne von Design Thinking, wird als Methode angewandt, ein existierendes Problem eines Kunden möglichst effizient zu lösen. So trivial das klingt: Wie oft haben Spezialisten irgendwelche Produkte entwickelt, an die alle geglaubt haben und die dann doch niemand gekauft hat? Meistens gefolgt von Schuldzuweisungen an die unterschiedlichen Abteilungen, die es versäumt haben, die Produkte «besser zu bauen», «zu vermarkten» oder «zu verkaufen».

Menschenverstand oder Königsweg?

Design Thinking ist seit den Achtzigern bekannt. Die Methode gilt seit Anfang des Jahrtausends als der Königsweg zu innovativen und kundenzentrierten Produkten. Ganz bewusst wird versucht, eine Idee in Form eines Prototyps möglichst schnell konkret fassbar zu machen, nur um sie durch die dadurch gewonnenen Erkenntnisse im nächsten Schritt wieder anzupassen. Diese aus dem Silicon Valley stammende Innovationsmethode kann als neue akademische Disziplin betrachtet werden oder einfach als strukturierter gesunder Menschenverstand.
Design Thinking geht konsequent vom Kundenbedürfnis aus, entwickelt in einem iterativen Prozess erste Lösungsansätze und prüft dann die technische Machbarkeit sowie die finanzielle Tragbarkeit. Alle drei Aspekte zusammen lassen nachhaltige Lösungen entstehen. Je nach Schule ist der Innovationsprozess in unterschiedliche Schritte gegliedert und bringt andere Methoden zur Anwendung. Doch allen ist gemein, dass nicht in einem linearen, sicheren und im Voraus berechenbaren Prozess gearbeitet wird. Vielmehr setzt Design Thinking auf kleine Schritte vorwärts («no regret moves») und regelmässiges Austesten der erreichten Resultate mit dem Kunden. Dieses Vorgehen ist im Grunde nichts anderes als ein strukturierter – meist gemeinschaftlicher – Lernprozess, an dessen Ende die nachhaltige Befriedigung des Kundenbedürfnisses steht. Wie bei einem natürlichen Lernprozess steht nicht die theo­retische Erkenntnis, wie das Bedürfnis befriedigt werden könnte, im Vordergrund, sondern der Weg, der über einen konkreten Lösungsansatz dazu führt.

Bereit für Prototyping?

Ein erster Prototyp, der einem Kunden zur Beurteilung übergeben wird, kann aus Karton und Klebestreifen gefertigt sein. Wenn es um die Entwicklung einer Webpage oder einer App geht, genügen oftmals ein paar auf Papier gezeichnete Screens oder digitale Mock-ups. Wichtig ist, dass das Testobjekt möglichst fassbar – im engsten Sinne des Wortes – ist. Der Prototyp hilft, Erfahrungen zu sammeln, weil er konkret ist. Etwas Handfestes zu bewerten, fällt leichter, als abs­trakte Gedanken zu diskutieren. Eine weitere Stärke der Methode: Ein Prototyp benötigt kaum Aufwand und Ressourcen und erlaubt trotzdem die Beobachtung der Interaktion zwischen Kunden und dem «neuen Produkt». Stösst der Prototyp beim Kunden nicht auf Gegenliebe, ist nicht viel verloren. Noch hat sich niemand «innenpolitisch» aus dem Fenster gelehnt, noch sind keine Hunderte Zeilen Code geschrieben und noch sind keine «sunk costs» entstanden, die einen Schritt zurück auf Start verunmöglichen.
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Quelle: Swisscom
Der eine Prototyp wandert in die Ecke und ein neuer wird gebaut. Jener, der all das gewonnene Kundenfeedback enthält und damit in die nächste Runde steigt. In kleinen Schritten bewegt sich eine Neuentwicklung so auch in einem unbekannten und/oder komplexen Umfeld sicher vorwärts. Die Basis bildet die Furchtlosigkeit einer Investitionswette, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Fakt ist: Auf dem Weg zur Innovation kann es zuweilen auch recht frustrierend sein, wenn ein Prototyp nach dem anderen verworfen wird, weil er den Anforderungen nicht genügt oder der Kunde noch immer nicht versteht, was die Logik hinter einer bestimmten Applikation ist. Doch der Aufwand lohnt sich: Lösungen sind durchdachter und schneller realisiert, Kundenwünsche besser integriert und die finanzielle Tragbarkeit ehrlicher beurteilt.
Design Thinking feiert nicht ohne Grund grosse Erfolge im Bereich der Problemlösung und Innovation. Denn Innovationen entstehen durch Hartnäckigkeit, Neugierde und eine produktive Fehlerkultur. Sie kommen zustande, indem ein divers zusammengesetztes Team gemeinsam verschiedene (Lern-)Phasen durchläuft. Wie der Lernprozess ist auch der Innovationsprozess nicht linear.
Zusammenfassung
Design Thinking und Prototyping
  • Ziel ist es zu lernen und Annahmen zu überprüfen.
  • Prototyping ist kein Ergebnis, sondern eine Denk- und Arbeitshaltung.
  • Der Prototyp selbst ist nur das Mittel zum Zweck und nie das Ziel.
  • Nicht lange nachdenken, schnell entscheiden und Gedanken sofort zu Papier bringen.
  • Keine Suche nach Perfektion, das bremst nur.
  • Eine Skizze sagt mehr als Tausend Worte: Je konkreter das Bild, desto kleiner sind die Miss­verständnisse.
  • Probieren geht über studieren: Einen Gedanken testen. Bewertet wird später.
  • Feedback ist entscheidender als eigene Überzeugungen: genau zuhören.
  • Lange gedanklich flexibel bleiben und bereit sein, viele verschiedene Richtungen ­einzuschlagen.
  • Prototyping heisst experimentieren: Eine neue Idee braucht viele verschiedene Prototypen, bis sie Erfolg hat.



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