informatica08 30.09.2008, 14:32 Uhr

Schert sich jemand um die Schweizer IT?

Um die Position der Schweiz als IT-Standort abzusichern, werden in naher Zukunft deutlich mehr hochqualifizierte Informatiker benötigt, da das Anforderungsprofil der IT zunehmend vielschichtiger wird. Dies war eine der zentralen Erkenntnisse der Veranstaltung "Does Swiss IT Matter?".
Gestern fand in Zürich die Veranstaltung "Does Swiss IT Matter?" zu den Perspektiven des Informatikstandortes Schweiz statt. Die Fachtagung wurde von der Java User Group Schweiz gemeinsam mit Credit Suisse im Rahmen des Jahres der Informatik, informatica08, organisiert.
Wie Umfragen des Verbandes SwissICT zeigen, ist es für Unternehmen in der Schweiz seit 2005 zunehmend schwieriger geworden, hochqualifizierte IT-Fachkräfte zu finden. George Sheldon von der Universität Basel sieht den Grund für diese Entwicklung in erster Linie im Platzen der so genannten IT-Blase um die Jahrtausendwende. Dem Arbeitsmarktspezialisten zufolge führen solche gravierenden Entwicklungen in einer Branche zu einem markanten Stelleneinbruch, der an Informatikberufen potenziell Interessierte abschreckt. Mit einer gewissen Zeitverzögerung wirkt sich dies spürbar auf die Anzahl der Studienanfänger aus, die sich dementsprechend entscheiden. Insofern ist laut Sheldon die aktuell angespannte Arbeitsmarktlage im Informatik-Bereich nicht auf ein generelles Image-Problem der Branche zurückzuführen, sondern teilweise hausgemacht. Der Experte ist allerdings überzeugt, dass sich der Informatik-Arbeitsmarkt wieder normalisieren wird. Er empfiehlt, die momentanen Lücken temporär mit ausländischen Arbeitskräften zu füllen.
Wie eine der grössten Schweizer Informatikorganisationen auf der Herausforderungen des Arbeitsmarktes reagiert, erläuterte Claude Honegger, Chief Information Officer Schweiz bei Credit Suisse. Das Finanzinstitut setzt auf den so genannten "Global-Jobs-Framework"-Ansatz zur Gewinnung, Förderung und Entwicklung von Talenten über die ganze IT-Organisation hinweg. Honegger illustrierte an Beispielen von Leistungsbeurteilung, Beförderungsprozessen und der globalen Job-Rotation, wie dieser Ansatz breite Vergleichbarkeit und neue Möglichkeit für Mitarbeiter in der Schweiz sowie weltweit schafft. Des weiteren ging er auf das "Offshoring" ein. Dabei machte er deutlich, dass die IT-Division von Credit Suisse ihren Personalbestand seit 2004 um 18 Prozent erhöht hat, trotzdem bestimmte Tätigkeiten ausgelagert wurden. Honegger gab ein klares Bekenntnis zum Informatikstandort Schweiz ab und unterstrich im Zuge dessen das starke Engagement seines Unternehmens in der laufenden informatica08-Initiative.
Daniel Niklaus, Inhaber von Netlive IT, setzte sich kritisch mit dem Thema Produktenwicklung auseinander. Der niedrige Stellenwert der Produktentwicklung in der Schweiz sei nicht nur eine Folge der oft beklagten hohen Lohnkosten. Auch die besondere Branchenstruktur sei Schuld an der Marginalisierung der Produktentwicklung, kritisierte er: ,,Während im Banking, Pharma und bei Schokolade in der Schweiz fähige Leute für eine internationale Vermarktung zu finden sind, gibt es keine für die Vermarktung von Schweizer Software." Dass es möglich ist, auch in der Schweiz konkurrenzfähig entwickeln zu können, könne beispielsweise durch die Automatisierung der Programmierung erreicht werden. Für den Erfolg seien jedoch in erster Linie nicht die verwendeten Technologien entscheidend, sondern primär gut qualifizierte und zuverlässige Mitarbeiter.
Harald Schodl



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