Weg vom Bargeld 16.11.2017, 14:03 Uhr

Mobiles Bezahlen in der Schweiz

Das Bezahlen mit dem Smartphone kommt im Schweizer Detailhandel langsam in Mode: 17 Prozent der Kundschaft verwenden dies bereits, beinahe noch einmal so viele wollen es bald ausprobieren.
Die Digitalisierung verändert den Einsatz der Zahlungsmittel in der Schweiz: Gingen im Jahr 2000 noch rund drei Viertel des Umsatzes an stationären Verkaufspunkten auf Bargeld zurück, lag dieser Wert 2016 noch bei knapp der Hälfte. Obwohl in der Schweiz immer noch viel häufiger Noten und Münzen an der Kasse zum Einsatz kommen als in den USA oder auch in Schweden – wo man bereits die bargeldlose Wirtschaft anpeilt – zeigt der Trend in dieselbe Richtung: Weg vom Bargeld und hin zu Karten und neuen digitalen Zahlungsmitteln.
Seit einigen Jahren kann in der Schweiz an immer mehr Verkaufsstellen über Apps direkt mit dem Smartphone bezahlt werden. Gemäss der aktuellen Umfrage bei 1000 Konsumenten in der Schweiz machen 17 Prozent der Konsumenten dies zumindest gelegentlich. «Die Nutzungsquote erscheint sehr hoch, vor allem wenn man bedenkt, dass der Anteil von Mobile Payment am Transaktionsvolumen in der Schweiz noch bei unter einem Prozent liegt. Ein beachtlicher Teil der Schweizer Konsumenten scheint Mobile-Payment-Applikationen installiert zu haben – rege benutzt werden sie aber erst von einem sehr viel kleineren Teil», erklärt Konstantin von Radowitz, Leiter Consumer & Industrial Products bei Deloitte Schweiz.

Verdoppelung der Nutzung erwartet bei Twint, Apple Pay und Co.

Neben den 17 Prozent, die bereits mit dem Smartphone bezahlen, geben 14 Prozent der Befragten an, dies in den kommenden zwölf Monaten tun zu wollen. Knapp drei Viertel (73 Prozent) der Smartphone-Zahler benutzen Apps von Drittanbietern wie Twint, Apple oder Samsung. Zudem haben immer mehr Ladenketten in ihre eigenen Apps eine Bezahlfunktion eingebaut und kombinieren diese mit Bonusprogrammen und Spezialangeboten: Bereits fast die Hälfte der Verbraucher (46 Prozent) verwendet solche Bezahl-Apps von spezifischen Marken. Bei den Drittanbietern hat zurzeit Twint (40 Prozent der Nutzer) gegenüber Apple Pay (33 Prozent) die Nase knapp vorne. Während Apple Pay und Samsung Pay einer virtuellen Kreditkarte entsprechen und die Daten über die sogenannte Near-Field-Communication-Technologie (NFC) übermittelt werden, benötigt Twint keine Kreditkarte, sondern nur ein Bankkonto. «Die direkte Anbindung ohne Kreditkarte sowie die Funktion zum Bezahlen und Einfordern von Geldbeträgen von privaten Kontakten ist ein eindeutiges Plus für Twint. Auf der anderen Seite hat Apple durch die NFC-Technik einen klaren Convenience-Vorteil, auch sind Apple Pay und Samsung Pay international anwendbar», erläutert von Radowitz. Nächste Seite: Der Kunde wird Kassierer

Kunde wird zum Kassierer

Digitale Technologie verändert auch das Bezahlen der im Laden ausgewählten Produkte: Die Kundschaft bezahlt diese selbst am Ladenausgang an einem Automaten. Durch dieses Self-Checkout wird die Kundin sozusagen zur Kassiererin und der Supermarkt hat den Bezahlprozess ausgelagert.
Der Mehrheit der Schweizer scheint dies zu gefallen: Erst vor wenigen Jahren eingeführt, sind Self-Checkout-Kassen heute kaum mehr aus dem Schweizer Detailhandel wegzudenken. Das liegt vor allem an Migros und Coop, die ihre Filialen breitflächig mit den automatisierten Kassensystemen ausgestattet haben. Es kommt deshalb nicht von ungefähr, dass bereits eine grosse Mehrheit (69 Prozent) der Schweizer Konsumenten die Bezahlung ihrer Einkäufe gerne selbst abwickeln. «Diese Zahlen sind sehr hoch und zeigen ganz klar, dass die automatisierten Kassen gut ankommen», sagt Karine Szegedi, Partnerin Consumer and Industrial Products bei Deloitte Schweiz. «Die Kunden haben beim Einkaufen ein gutes Gefühl, wenn sie selbst bestimmen können, wie die Bezahlung abläuft. Zudem haben sie den Eindruck, Zeit zu sparen – was in der Realität aber nicht immer der Fall ist.»
Für die Detailhändler führen solche Kassensysteme zu einer grösseren Kundenzufriedenheit, einer besseren Nutzung der Fläche und Kosteneinsparungen. «Es besteht aber noch Verbesserungspotenzial bei der Bedienungsfreundlichkeit, der Sicherheit und der Umschulung der Mitarbeitenden, die vermehrt in der Beratung und beim Kundendienst eingesetzt werden», so Szegedi weiter.

Supermarkt ohne Kasse wird Realität

Letztlich dürfte aus Kundensicht entscheidend sein, wie benutzerfreundlich, sicher und effizient der gesamte Scann- und Bezahlprozess abgewickelt werden kann. Auf längere Sicht könnten bei der Bezahlung sogar die Banken umgangen werden, wenn die grossen Tech-Unternehmen eigene Bankkonten anbieten. Zudem hat Amazon in den USA bereits Läden eröffnet, in denen keine Bezahl-Infrastruktur vorhanden ist. Der Kunde scannt und bezahlt die Ware mit seinem eigenen Smartphone über die App des Ladens. «In China ist der Detailhändler Alibaba schon viel weiter und testet die Bezahlung mittels Gesichtserkennung. Der Laden von morgen wird Kunden, Mitarbeitende und Angebot auf verschiedenen Ebenen mittels kombinierter Technologien miteinander verbinden», wagt von Radowitz einen Blick in die Zukunft des Detailhandels. Die komplette Studie «Smartphone statt Portemonnaie?» findet sich auf dieser Deloitte-Schweiz-Webseite.



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