Interview 23.08.2011, 08:06 Uhr

Langlebigkeit als Trumpf

Christian Martin ist seit dem 1. August neuer Country Manager von Cisco Schweiz. Im Interview mit Computerworld äussert er sich zur Zukunft des Netzwerkriesen in der Schweiz, zur Cisco-Produktstrategie und zur Konkurrenzsituation.
Cisco-Schweiz-Chef Christian Martin (Bild: cw/jst)
Computerworld: Sie sind seit Anfang Monat Country Manager bei Cisco Schweiz. Was für Akzente wollen Sie setzen? Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger?
Christian Martin: Mein Vorgänger Eric Waltert hat Cisco Schweiz sehr erfolgreich geführt. Somit sehe ich keinen Grund, gross etwas zu ändern. Was die Akzente anbelangt, so werden wir sicher den neuen Workspace thematisieren. Cisco positioniert sich mit den drei Architekturen Borderless Network, Data Center und Collaboration. Der Workspace befindet sich in der Mitte, also dort, wo sich die genannten Architekturen treffen und überschneiden. Da haben wir eine Reihe innovativer Lösungen, die wir im Markt bekannt machen wollen.
Bewegen Sie sich somit weiter weg vom reinen Netzwerkanbieter hin zum Gemischtwarenladen?
Keineswegs. Das Netzwerk bleibt unsere Kernkompetenz und ist nach wie vor eines unserer fünf wichtigsten Geschäftsfelder. Im Gegenteil: Das Netzwerk ist so attraktiv wie noch nie zuvor. Wenn Sie an Dienste wie Cloud-Computing oder VDI (Virtual Desktop Infrastructure) denken, läuft eigentlich alles auf eine netzwerkzentrische IT hinaus - dies je länger je mehr.
Von Cisco waren in letzter Zeit eher negative Schlagzeilen zu hören. So will Cisco beginnend mit diesem Monat gut 6500 Jobs streichen, das ist die grösste Entlassungswelle seit 2001, als die Dot-com-Blase platzte und Cisco 8000 Arbeitnehmer entlassen musste. Wie sieht die Situation in der Schweiz aus?
Grundsätzlich kommentieren wir keine lokalen Begebenheiten. Was ich sagen kann: Kern dieser Verschlankungskur ist die Konzentration auf unsere Kernkompetenzen. Ich kann die Schweizer Kunden aber beruhigen: Es bleibt alles was beispielsweise die Kundenbetreuung betrifft beim Alten.
Welches sind die Kernkompetenzen, die Sie nun weiter verfolgen, respektive welche Techniken werden Sie fallen lassen?
Es sind dies die fünf Schwerpunktthemen, nämlich Netzwerk Core, also Routing, Switching, Security und Wireless, dann Borderless Network, Data Center, Collaboration und Videotransformation. Bei diesen Prioritäten bauen wir nichts ab.
Diese Prioritäten kommen mir bekannt vor...
Das stimmt, wir haben diese Schwerpunkte schon länger. Im Rahmen unserer Diversifikation, hat Cisco aber auch Techniken vermarktet, die sehr nahe an unserem Business waren, für die es auch einen Markt gab, der sich aber vergleichsweise als zu gering erwiesen hat. Ich denke da beispielsweise an Multi Protocol in Space.
Um eine Milliarde Dollar will Cisco im nächsten Finanzjahr seine Kosten reduzieren. Wissen Sie schon, wo gespart werden soll und inwiefern dies das Geschäft in der Schweiz betrifft?
Auf der Kostenseite haben Sie den wichtigsten Posten, den Personalabbau, schon erwähnt. Dann werden weitere Bereiche durchleuchtet und nach Sparmöglichkeiten abgeklopft. Wie gesagt: Bei unseren Leuten an der Verkaufsfront in der Schweiz wird sich nichts ändern. Im Gegenteil, wir werden unsere Organisation noch näher zu den Kunden ausrichten.
Im letzten Quartal ist Ciscos Gewinn um gut 30 Prozent gesunken. Wie sehen Umsatz- und Gewinnentwicklung in der Schweiz aus?
Nochmals, wir geben keine Zahlen für die Schweiz bekannt. Aber ich kann sagen, dass wir in der Schweiz ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr hatten und dass wir sehr stark zum neunprozentigen Wachstum in Europa beigetragen haben.
Einer der Gründe für den Gewinnrückgang ist laut der Meinung von Marktbeobachtern der Trend, die hochmargigen Catalyst-6500-Switches durch Nexus 7000 mit einer geringeren Gewinnspanne für Cisco zu ersetzen. Wie sehen Sie das?
Grundsätzlich ist das ein grosser Faktor. Wir haben die Nexus-Plattform sehr erfolgreich lanciert. Mit der Catalyst-Plattform hatten wir natürlich eine Cashcow, bei der man andere Verkaufskonditionen realisieren konnte.
Aus unserer Sicht war die Nexus-Einführung aber trotzdem für die Kunden der richtige Schritt. Denn Nexus bietet ihnen die richtige Architektur, mit der sie viele Probleme im Rechenzentrum und in der Unternehmens-Informatik lösen können. So lassen sich damit die Betriebskosten dramatisch reduzieren. Längerfristig gesehen war es somit die richtige Entscheidung, dass man eine neue Plattform anbietet, die zwar Margen-technisch nicht so attraktiv ist wie die alte Plattform, aber für die Kundschaft sehr viele Vorteile bietet.
Wir haben inzwischen 250 Kunden in der Schweiz, die auf Nexus umgestiegen sind, und wir erwirtschaften auch schon einen beträchtlichen Anteil unseres Umsatzes damit. Gerade für die Zukunft -Thema: Virtualisierung - bietet Nexus im Rechenzentrum diejenigen Features, die für den Betrieb von virtualisierten Umgebungen notwendig sind.
Kurzum: Wir haben jetzt zwei Plattformen, die wir offerieren können, wobei für die einen Kunden die eine Plattform mehr Sinn macht und für andere die zweite. Wir haben somit nicht auf die Kosten geschaut, sondern darauf, welche Plattform für unsere Kunden jeweils am meisten Sinn macht.
Nun hat Cisco an der letzten Cisco Live ein Update des Catalyst, den 6500 Sup 2T, angekündigt. Wollen Sie von Ihrem hochmargigen Business retten, was zu retten ist? Und: Werden das Ihre Kunden nicht durchschauen?
Das kann man aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten. Einer der grössten Vorteile unseres Angebots ist die Langlebigkeit. Wenn Sie bedenken: Wir sind mit dem Catalyst 6000 im Jahr 1999 auf den Markt gekommen. Jetzt befinden wir uns im 2011. Für unsere Kunden, die nach wie vor Catalyst verwenden, haben wir uns jetzt nochmals bis 2016 verpflichtet, das Produkt weiterzuführen. Ich wage jetzt nicht, vorherzusagen, ob wir die Lebenszeit dann nochmals verlängern werden oder können. Und selbst wenn wir dann den Verkauf des Catalyst stoppen würden, bieten wir weitere fünf Jahre Support an. Das heisst: wir unterstützen von 1999 bis 2021 eine Plattform. Wo finden Sie das sonst in der IT, dass Sie für eine Plattform einen 20-jährigen Planungshorizont haben.
Jetzt zu den Kosten: Die sind für den Kunden enorm hoch, wenn er einen Plattformwechsel plant. Da rechnet es sich für viele, wenn man nun einfach bei gleicher Portzahl eine schnellere Supervisor-Karte in die Systeme hängen kann. Aus meiner Sicht ist das die kostengünstigste und nicht die teuerste Art.
Daneben muss bedacht werden, dass der Nexus eine Plattform fürs Rechenzentrum ist und einige Features, die man im Network-Core benötigt noch nicht unterstützt. Wir arbeiten aber daran, diese Funktionalitäten nach und nach auch mit Nexus fürs Core anzubieten. So haben wir vor Kurzem die MPLS-Funktionalität (Multiprotocol Label Switching) auch für die Nexus-Plattform bereitgestellt. Diese Funktion setzen gerade in der Schweiz viele Kunden ein.
Der Einstieg ins Server-Geschäft mit UCS verlief für Cisco bislang sehr erfolgreich, zumindest was der Absatz und Umsatz anbelangt. Weil die Margen aber sehr gering sind im Server-Geschäft, bringt jeder verkaufte Server eine Minderung ihrer Durchschnittsmarge mit sich. Wie wollen Sie dieses Dilemma lösen?
Ihre Feststellung ist richtig. Aber es ist von Cisco ein strategischer Entscheid gewesen, Gesamtlösungen anbieten zu können. Wir haben uns somit bewusst dafür entschieden. Denn uns war von Anfang an klar, dass wir im Servermarkt nicht die gleiche Margenstruktur haben werden wie im Netzwerkmarkt.
Wie erklären Sie das Ihren Aktionären?
Gute Frage. Im Endeffekt ist es eine Investition in die Zukunft. Wenn Sie in dem Markt von virtuellen Desktops und Server bestehen und schlussendlich wachsen wollen, dann brauchen Sie ein solches durchgängiges Angebot, wie wir es jetzt haben.
Und wenn man die Situation im Rechenzentrum heute analysiert, dann wird nicht mehr danach gefragt, wieviel Computing-Power stellt man den virtuellen Umgebungen zur Verfügung, sondern wie bringt man die Rechenleistung zum Desktop hinaus. Genau hier kommt das Zusammenspiel mit dem Netzwerk zum Tragen, das wir nun bieten können. Wir mussten somit fast in diesen Markt einsteigen.
Diese Kette vom Benutzer bis ins Rechenzentrum einschliesslich Netzwerk, will auch Hewlett-Packard (HP) abdecken. Die Firma dringt zunehmend in den Netzwerkmarkt vor, und hat Cisco unterdessen auch einige (allerdings noch geringe) Marktanteile abgeluchst. Was gedenken Sie, gegen den neuen Konkurrenten zu unternehmen?
Zunächst muss ich festhalten, dass Konkurrenz immer stimulierend ist. Uns tut das gut, es treibt den Entwicklungszyklus an und fordert uns heraus.
Es hat beispielsweise dazu geführt, dass wir uns wieder stärker auf unsere Kernkompetenzen wie das Switching konzentrieren und dass wir dort neue Produkte und Funktionen auf den Markt bringen. Bestes Beispiel ist hier unsere neue Supervisor-Engine für die Catalyst-Switches. Diese kommt einem grossen Kundenbedürfnis nach Stabilität und Zukunftssicherheit entgegen.
Die Technik ist das eine. Der Wettkampf wird aber derzeit auch über den Preis geführt. HP tritt da unterdessen recht aggressiv am Markt auf. So hat das Unternehmen vor Kurzem ein «Umtauschprogramm» gestartet, bei dem Kunden 20 Prozent Rabatt auf HP-Switches erhalten, wenn sie ihre Catalyst-Switches auf HP-Equipment migrieren. Wie reagiert Cisco auf solche Avancen?
Grundsätzlich ist uns klar, dass jeder Kunde eine solche Offerte prüfen wird. Das ist auch legitim. Wir werden dabei gegenüber unseren Kunden unter anderem den Lebenszyklus der Produkte ins Spiel bringen. Ich erwähne nochmals das Beispiel mit unseren Catalyst-Switches, die wir seit 1999 anbieten. Wenn man sich überlegt, wie oft ein Kunde eines Mitbewerbers - Sie sprechen konkret 3Com an - seit damals seine Core-Plattform wechseln musste mit all den damit verbundenen Kosten, dann verstehen Sie, wie wichtig lange Lebenszyklusgarantien sein können. Kurzum: mit den Catalyst sind wir punkto TCO unschlagbar.
Ein weiteres Argument bezieht sich auf die Anschaffungskosten. Die betragen nämlich nur etwa 20 bis 30 Prozent der Gesamtkosten, wenn Sie beispielsweise die Betriebskosten mit einbeziehen. Hier hat Cisco viele Funktionalitäten wie etwa Smart-Care eingeführt, mit denen die Betriebs- und Wartungskosten der Systeme tief gehalten werden können.
Einen Druck auf Ihre Preisgestaltung verspüren Sie dennoch?
Das ist definitiv so. Trotzdem konnten wir viele Kunden seit dem Auftritt unseres Mitbewerbers dazu bewegen, den Sprung ins 10-Gigabit-Zeitalter mit uns zu machen, gerade weil wir sie von unserer Langlebigkeit überzeugen und auf die versteckten Kosten bei Konkurrenzsystemen hinweisen konnten.



Das könnte Sie auch interessieren