31.12.2014, 10:00 Uhr

Der IT-Jahresrückblick der Computerworld. Teil 3/3

Masseneinwanderung, Seco-Skandal, NSA-Vorwürfe. Was die Schweizer ICT in diesem Jahr bewegte, zeigt der dreiteilige Jahresrückblick der Computerworld.
Das Jahr 2014 war ein aufregendes für die ICT-Branche. Sowohl national als auch international gab es spannende Konkurrenzkämpfe, überraschende Urteile und wegweisende Produkte. Computerworld lässt die nach Meinung der Redaktion wichtigsten Ereignisse des Jahres in kurzen Zusammenfassungen noch einmal Revue passieren, kommentiert sie teilweise und schafft auf diese Weise einen ganz eigenen ICT-Jahresrückblick.

Ausländische Anbieter ausgeschlossen

Der Bundesrat entschied Anfang Jahr, dass kritische und zentrale ICT-Leistungen der Bundesverwaltung nur noch von inlndischen Unternehmen erbracht werden dürfen. Dieser als Antwort auf die NSA-Enthüllungen getätigte Entscheid sorgte für ein Erdbeben in der Branche. Denn das bedeutete de facto, dass nur noch die Swisscom grosse Bundesaufträge erhält. Konkurrenten wie die Cablecom wurden explizit ausgeschlossen ? wogegen das Unternehmen vor dem Bundesgericht Beschwerde einreichte. Merkwürdig ist der Entscheid vor dem Hintergrund, dass im Bund weiterhin Infrastruktur auslndischer Anbieter eingesetzt wird. Cisco-Technik lässt sich beispielsweise im gesamten Bundesnetz finden. Auch Google- und Microsoft-Dienste werden rege genutzt. Ueli Maurers Geheimdienst und die Strafverfolgungsbehörden nutzen berwachungssysteme, die von Verint, einem Unternehmen mit Verbindung zur NSA und zum israelischen Geheimdienst Mossad entwickelt und betrieben werden. Diese Verträge würden nach dem Bundesratsbeschluss sicher nicht noch einmal berprft, hiess es auf eine Anfrage der Computerworld. In aller Fairness: der Bund versucht, aus seinen Möglichkeiten das Beste herauszuholen. Und es dürfte ausländischen Organisationen schwerer fallen, in ein System einzudringen, als sich direkt bei der Quelle zu bedienen. Deswegen an sichere ICT-Infrastruktur zu glauben, ist aber illusorisch. Wenn sich ein Geheimdienst über die ICT-Infrastruktur Zugriff auf Daten der Bundesverwaltung verschaffen will, gelingt ihm dies auch. So werden durch den Bundesratsentscheid aber betroffene Unternehmen teilweise existenzbildende Aufträge verlieren. Und es ist allesamt bekannt, dass die Preise wenig Elastizität zeigen, wenn der Wettbewerb unter den Anbietern tief gehalten wird. Am Schluss sind darum alle unglücklich: Der Bund, weil er nicht die beste Technologie zum günstigsten Preis einsetzen kann, der Steuerzahler, der für mehr Geld die gleiche Leistung erhält und die Branche, die durch weniger Konkurrenz geringeren Wettbewerb erfährt. Es ist zu hoffen, dass der Bundesratsentscheid schon bald aufgehoben wird.

Freud und Leid für Bitcoin-Enthusiasten

An der digitalen Währung Bitcoin scheiden sich die Geister. Einige halten sie für eine revolutionäre Anlagestrategie, andere für Finanzierungsmöglichkeiten illegaler Geschäfte. Als im Februar die einst grösste Bitcoin-Börse Mt. Gox Transaktionsmanipulationen von mehreren hundert Millionen Dollar melden musste,gewannen die Kritiker die Oberhand. Langsam scheint sich die Währung aber zu etablieren, kürzlichen meldeten Microsoft und PayPal, dass sie Bitcoins als Zahlungsmittel akzeptieren.  Und auch in der Schweiz sorgte die Währung für Wirbel, es ging um Automaten. Die Bitcoin Suisse AG stellte einen solchen in Zürich auf, den die Eidgenössische Finanzmarktaufsichtsbehörde FINMA verbot, weil sie rechtliche Fragen hatte. Mittlerweile sind diese Fragen zur Zufriedenheit der Behörde beantwortet, der Automat ist ? wie andere in der Schweiz ? in Betrieb. Ein grosses Geschäft lässt sich damit bisher aber nicht machen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Uber und Recht auf Vergessen

Uber sorgt für Kontroversen

Letztes Jahr ist die Taxi-App Uber in die Schweiz gekommen. Und sorgt seither für Kontroversen. Das wohl wertvollste Start-Up der Welt (17 Milliarden Dollar) bietet eine App an, mit der Nutzer ein Taxi bestellen können. Uber selbst besitzt keine Fahrzeuge, diese werden von den Fahrern gestellt, die über die App Fahrgäste vermittelt bekommen. Dafür geben sie Uber eine Provision (20 Prozent des Fahrpreises) ab und müssen sich an deren Preisvorgaben halten. Weil diese deutlich günstiger sind als die der herkömmlichen Taxiunternehmen, gibt es Proteste von Taxifahren weltweit. An verschiedenen Orten wurde Uber dieses Jahr verboten. In der Schweiz schauen verschiedene Behörden auf das Unternehmen, sind bisher aber nicht eingeschritten. Auch sonst sorgt Uber für Gesprächsstoff. Ein Manager liess verlauten, man wolle kritische Journalisten mit Details aus deren Privatleben unter Druck setzen. Dies als Antwort auf die negative Presse, welche das Unternehmen zuhauf erhält. Dafür ist Uber aber selbst verantwortlich, denn Auskunft auf kritische Fragen gibt das Unternehmen nur sehr ungern, wie Computerworld bereits erfahren musste. Uber ist ein Beispiel für ein erfolgreiches Internet-Unternehmen und die Kontroversen, die neue Geschäftsmodelle bei etablierten Firmen auslösen können. Doch auch Uber muss lernen, dass man kritische Meinungen ernst nehmen und Antworten liefern muss. Ansonsten fahren vielleicht auch in der Schweiz schon in naher Zukunft keine Uber-Taxis mehr.

Recht auf Vergessen

Im Mai fällte der Europäische Gerichtshof den Entscheid, dass im Internet ein Recht auf Vergessen besteht. Google und andere Suchmaschinenbetreiber können fortan dazu verpflichtet werden, Links zu löschen.Wenn die dort nachzulesenden Informationen das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz einer Person verletzen. Google hat eine Heer­schar an Juristen verpflichtet, die von Fall zu Fall entscheiden, ob den jeweiligen Anliegen nachgekommen wird. Das Recht auf Vergessen wird auch in der Schweiz umgesetzt, bis Oktober wurden 4887 URLs gelscht. Allerdings stellt sich die Frage, ob das legal ist. Ein Berner Anwalt mit Spezialgebiet Internetrecht sagt, dass dadurch gegen die Informationsfreiheit verstossen wird. Die Suchmaschinenbetreiber würden dadurch eine Richterfunktion erhalten, die in einem Rechtsstaat nicht an Private delegiert werden darf, heisst es in seiner Studie. Zum gleichen Schluss kommt ein Ausschuss des britischen Oberhauses, der sagt, dass das EuHG-Urteil nicht ausfhrbar sei. Einerseits, weil Suchmaschinenbetreibern nicht die Entscheidung überlassen werden sollte, welche Indexeinträge gelöscht werden sollen. Andererseits, weil der Europäische Gerichtshof nicht berücksichtigt habe, dass das Urteil auch Auswirkungen auf kleinere Suchmaschinenbetreiber habe. Der Schweizer Datenschützer Hanspeter Thür sieht derweil kein Problem. Schweizer Gerichte würden das Urteil des Europäischen Gerichtshofs übernehmen, schreibt er. Für in der Schweiz Betroffene könnte es sich aber dennoch lohnen, gegen das «Recht auf Vergessen» zu prozessieren.



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