CRM-Trend 2009 18.06.2009, 21:43 Uhr

Emotionen, Emotionen...

Unternehmen wollen vor allem eins: Im Kopf des Kunden einen Logenplatz erobern. Doch wie erreicht man das? Die magische Zauberformel, so erfuhren die Teilnehmer des Swiss CRM-Forums in Zürich, heisst Emotionalisierung.
Brian Rüeger von der ZHAW: Haupttrend heisst Emotionalisierung
Emotionale Stimuli beeinflussen Kaufentscheidungen massiv. Wir seien nicht halb so ratrional, wie wir glauben, der Einfluss des Grosshirns werde überschätzt, sagt Uta Jüttner, Leiterin des Competence Center Dienstleistungsmanagement der Hochschule Luzern. Mit Beispielen aus der Praxis demonstrierte Professor Jüttner die Macht der Emotionen und brachte die Teilnehmer des Swiss CRM-Forums 2009 ins Grübeln:
Hässliche Streitereien färben ab: Kunden beurteilten die Servicequalität eines Velo-Ladens signifikant schlechter, wenn andere Kunden, die sich im Laden aufhielten, heftig miteinander stritten.
Traurige Filme drücken den Preis: Verkäufer, die vorab einen sehr traurigen Film gesehen hatten, verkauften ein Produkt zu einem weit niedrigeren Preis (Motiv des Loswerden-Wollens).
Kündigung aus Wut: Ein seit vielen Jahren sehr loyaler Bankkunde kündigte, weil seine Bank ihm um 17:01 Uhr die Türe vor der Nase zuschlug.
"Die Bedeutung emotionaler Marketing-Techniken wird wachsen, und wir wissen noch nicht allzu viel darüber", sagte Jüttner. Erste aufschlussreiche Ergebnisse könnte allerdings ein Pilotprojekt , das Jüttner zusammen mit der Luzerner Kantonalbank, der Hotelkette Radisson und Mercedes-Benz durchführt. Die Autobauer sind besonders motiviert, denn trotz sehr guter Produktqualität dümpelt Mercedes-Benz in Sachen Kundenzufriedenheit auf dem 17ten Platz. Die Top-Manager sind ratlos, die klassischen Marketing-Techniken versagen.
Emotionen wurden in der Kundenpflege (CRM) bisher stark unterschätzt, so die Marketing-Professorin. Kein Wunder: Sie sind nur schwer fassbar und lassen sich nicht mit den üblichen Zufriedenheitsskalen (sehr zufrieden - in Ordnung - unzufrieden), die eher den Gesamteindruck messen, ausloten. Das Diskonfirmationsparadigma, das die Erwartungen des Kunden ins Verhältnis zur erhaltenen Leistung setze und dann zu einem Gesamturteil komme, funktioniere hier nicht, unterstrich sie.

Leider: Extreme Erfahrungen bleiben haften

Wesentlich besser geeignet, den Emotionen auf die Schliche zu kommen seien Vor-Ort-Befragungen, eine phasenorientierte Kundenbefragung entlang der Dienstleistungskette. Gab es sehr positive oder sehr negative Ereignisse in der Beziehung des Kunden zum Unternehmen? Fühlte er sich zu jedem Zeitpunkt ernst genommen, oder hat man ihm um 17:01 Uhr die Türe vor der Nase zugeschlagen?
Auf den Hotelbetrieb umgemünzt identifiziert Jüttner drei Kardinalwerte, die von entscheidender Bedeutung sind. Vor dem Hotelaufenthalt stehe für Kunden die Sicherheit, dass sie auch das gewünschte Zimmer bekommen und alles in Ordnung sei, im Vordergrund. Danach, beim Antritt des Aufenthaltes, sei die persönliche Wertschätzung sehr wichtig. Ein Kunde hatte sich beispielsweise beschwert: Nun komme ich schon zum fünften Mal hierher und das Personal kennt immer noch nicht den Namen meines Sohnes.
Am Ende des Kundenspannungsbogens in der Hotelerie stehe wo etwas wie innere Harmonie. Auch das Bedürfnis nach "schönen Erinnerungen" - die dann später im Gedächtnis haften bleiben, während anderes verblasst - dürfe nicht unterschätzt werden. CRM-Prozesse müssen aus diesen Gründen um Emotionen ergänzt werden, fasst Jüttner zusammen.

Zufriedene Mitarbeiter - zufriedenen Kunden

Der stärkste CRM-Trend heisse klar Emotionalisierung, sagte auch Brian Rüeger von Zentrum für Marketing an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Rüeger referierte kurz die Ergebnisse der gerade erschienenen Studie "Swiss CRM Trends 2010" und betont die Bedeutung von Vertrauen und Wertschätzung in der Kundenbeziehung. Über 40 Prozent der 300 Studienteilnehmer gaben jedoch an, das unter dem Effizienzdruck der Krise die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter abnehme. Eine gefährliche Entwicklung, denn "wer keine zufriedenen Mitarbeiter hat, der hat am Ende auch keine zufriedenen Kunden", warnte Rüeger.

Migros: Intelligentes Entscheidungssystem

Auf ein "Decision Intelligence System" zur Optimierung ihrer Kundenbeziehungen setzt die Migros. "75 Prozent der Schweizer Kunden wollen Unternehmen, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, und würden die Firmen ansonsten boykottieren", sagt Michael Rothen, Leiter Labour policy & law bei Migros. Das gesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein des Unternehmens und der gesellschaftliche Mehrwert sei für die Kaufentscheidung massgebend, unterstreicht Rothen. Mit 800 Millionen Kundenfrequenzen pro Jahr sei für die Migros extrem wichtig, wie sie von der Bevölkerung wahrgenommen werde. Dabei seien allerdings nicht so sehr die Tatsachen, sondern die Wahrnehmung der Tatsachen durch den Kunden erfolgsentscheidend, bemerkt er hintersinnig.

Besseres Reputations- und Issue-Management

Ein "Decision Intelligence System (DIS)", das Migros zusammen mit der Firma Netbreeze entwickelt hat, hilft dem Lebensmittelkonzern beim Emotions- und Wahrnehmungsmanagement. Das System pflegt 200 Kernthemen wie Public Affairs, Branding, Corporate Publishing, Kundenpflege, Unternehmensführung und Verkauf, arbeitet mit 172 Analysekriterien und verarbeitet die Meldungen von 200 Schweizer Nachrichtenquellen. Online- und Printmedien sucht das DIS teilweise bis zu 48 Mal am Tag auf, um sie nach relevanten Informationen zu durchforstet. "Die Topics werden auf Basis lexikalischer, statistischer und ontologischer Semantiken miteinander verknüpft, um Top-Themen, Treiber und Trends herauszufinden", erklärt Rothen. Der Mehrwert für die Migros: ein besseres Reputations-, Stakeholder- und Issue-Management über die gesamte Wertschöpfungskette.

CRM: WIe gut ist die Schweizer Wirtschaft?

Die Schweiz sei schon sehr weit in Sachen CRM, lobt Phil Winters, Partner des CRM- und Strategieberaters Peppers & Rogers. Trotzdem gebe es immer noch einen Unterschied zwischen guten und exzellenten Firmen. "Viele Mitarbeiter kennen im Durchschnitt 80 Prozent ihrer Kunden nicht", kritisiert Winters. Sie behalten die besten und die schlechtesten Kunden im Auge, aber die Mitte falle durch den Rost. Winters nennt daher drei Erfolgsfaktoren für ein exzellentes "Customer Relationship Management": Eins-zu-eins-Personalisierung, kundengetriebene Optimierung und die sogenannte "people power". Darunter versteht Winters eine Art Nachahmereffekt unter Kollegen (peer pressure).
Die Schweiz stehe nicht so schlecht da, wiederholt Winters am Ende seiner Keynote auf dem Swiss CRM Forum 2009. Schweizer Banken und Telekommunikationsunternehmen seien gut aufgestellt, der Handel hinke dagegen etwas hinterher. Und die Versicherungen in der Schweiz, urteilt Winters, hätten definitiv Aufholbedarf.



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