Noser 30.06.2009, 08:49 Uhr

"Aus drei Hobbyverbänden wird einer"

Seit Kurzem leitet Ruedi Noser ICT Switzerland. Im Exklusiv-Interview mit Computerworld.ch spricht er Klartext über die Zukunft des Schweizer IKT-Dachverbands.
Ruedi Noser, Interimspräsident ICT Switzerland: "Wenn drei Hobbyverbände fusionieren, entsteht daraus ein Hobbyverband"
Ruedi Noser, Nationalrat und erfolgreicher IT-Unternehmer übernimmt interimistisch das Präsidium von ICT Switzerland. Er erklärt, welche Kur er dem krisengeschüttelten Dachverband verordnet und unter welchen Bedingungen er sich mehr als eine temporäre Präsidentschaft vorstellen könnte.
Computerworld: Sie sind seit dem 18. Juni Interimspräsident von ICTswitzerland. Werden Sie im nächsten Frühjahr an der Delegiertenversammlung für das reguläre Präsidium kandidieren?
Ruedi Noser: Für diese Frage ist es noch zu früh. Wir müssen erst die gescheiterte Fusion verdauen. Mein Interimspräsidium ist eher so zu verstehen, dass wir die Türe offen lassen möchten für allfällige bessere Lösungen.
Was wäre eine bessere Lösung?
Unsere Branche krankt daran, dass im I von ICT kein starker Arbeitgeberverband existiert, der sich zum Beispiel um die Berufsbildung kümmert.
Kann das ICT Switzerland?
Wer das macht, ist eher sekundär. Wichtig ist, dass sich die Arbeitgeber in so einem Gefäss auch engagieren. ICT Switzerland könnte diese Aufgabe natürlich übernehmen.
Sie schliessen eine Kandidatur im nächsten Frühjahr auch nicht aus?
Ich werde versuchen, mich im besten Sinn für die Branche einzusetzen.
Das ist löblich, aber keine Antwort auf meine Frage.
Das Präsidium von ICT Switzerland, wie es sich heute präsentiert, ist keine spannende Sache.
Es reizt Sie nicht?
Es reizt mich in dem Sinn, dass man aus der Ausgangsbasis etwas Besseres machen kann.
Da sind Sie ja schon dran. Bereits an der Vorstandssitzung, an der Sie gewählt wurden, gaben Sie die künftige Richtung vor: Aus- und Weiterbildung soll künftig im Mittelpunkt der Arbeit von ICT Switzerland stehen. Sie setzten bereits eine Gruppe ein, die diese künftige Stossrichtung erarbeiten soll.
Vorstände, die immer nur tagen und nach 10 Jahren immer noch kein Resultat vorweisen können, sind nicht mein Ding. Ein Vorstand muss sich fokussieren. Das Strategiepapier, das ICT Switzerland vor drei Jahren verabschiedete, ist hervorragend. Aber man hat kaum Massnahmen beschlossen, die man dann auch durchzog. Das muss man jetzt tun. Die eingesetzte Arbeitsgruppe schlägt dem Vorstand vor, wo man in den nächsten ein, zwei Jahren Spuren hinterlassen will.
Angenommen, Sie führen das Präsidium nicht weiter, drücken Sie Ihrem Nachfolger jetzt schon mal aufs Auge, was er zu tun hat. Hätte man nicht besser gewartet mit der Festlegung der Strategie?
Diese Frage stellt sich anders: Wenn man eine klare Zielsetzung für die nächsten drei Jahre hat, dann braucht man dafür den richtigen Vorstand.
Den Präsidenten auszuwechseln war nur der erste Schritt?
Der Präsident wurde nicht ausgewechselt, sondern hat aus beruflichen Gründen sein Amt niedergelegt. Die Position ist vakant. Generell gesprochen ist es für einen Verband aber nicht a priori negativ, wenn sich einzelne Vorstandsmitglieder auch mal die Frage gefallen lassen müssen, ob sie die richtige Person am richtigen Platz sind. Auch der Präsident muss sich diese Frage gefallen lassen.
Trotz allem: Sie hinterlassen sehr grosse Fussstapfen für Ihren Nachfolger, sollten Sie das Präsidium nicht selbst übernehmen.
Das ist so. Aber wenn der Vorstand sich auf Ziele einigt, die machbar sind und die meinen Fähigkeiten entsprechen, stehe ich wenn immer möglich später auch für ein Präsidium zur Verfügung.
Warum wurde ausgerechnet die Aus- und Weiterbildung auf die strategische Fahne geschrieben?
Eine Branche, die in diesem Land ernst genommen werden will, kümmert sich auch um den eigenen Nachwuchs. Wenn man das an andere Gremien delegiert, wird man nicht ernst genommen.
Politik und Lobbying ist kein Thema mehr für ICT Switzerland?
Doch, aber man wird in der Politik als Branche nur ernst genommen, wenn man sich eben auch um die Ausbildung kümmert.
Warum wurde das bisher nicht gemacht?
So kann man das nicht sagen. Es wurde sehr viel gemacht von hervorragenden Leuten. Die stampften in den letzten 10 Jahren auf ganz verschiedenen Ebenen die Berufsbildung aus dem Boden. Meistens waren das hoch motivierte Einzelpersonen, die hervorragende Arbeit leisteten. Jetzt müssen wir die nächste Stufe in Angriff nehmen und die Aus- und Weiterbildung institutionalisieren - unter Einbezug der Arbeitgeber. Die Frage ist, wie wir das alles unter einen Hut bringen.
Einmal mehr...
Es geht nicht um die Fusion von Verbänden. Es geht jetzt um die Sache. Wie viele Verbände es gibt, ist mir egal, solange es nach dem Motto geht: Getrennt marschieren, gemeinsam zuschlagen. Probleme entstehen nur, wenn man getrennt marschiert und auch getrennt zuschlägt. Genau das passiert heute.
Sie waren ja ohnehin nie ein Anhänger der Fusion und äusserten sich noch letztes Jahr ziemlich abschätzig über die Fusion von ,,Hobbyverbänden".
Das ist nicht abschätzig, es ist einfach eine Tatsache. Wenn Sie drei Hobbyverbände fusionieren, entsteht daraus ein Hobbyverband. Man muss ein Ziel definieren und wenn die Fusion hilft, das Ziel zu erreichen: Wohlan! Aber einfach mal zu fusionieren, das bringt nichts.
Nochmals: Sie waren gegen die Fusion?
Nein, ich war nicht dagegen, ich versuchte sogar, sie zu retten. Aber mir war klar, dass durch das Vorgehen sehr grosse Widerstände entstehen würden. Man muss akzeptieren, dass die Stärke der Schweiz die vielen ehrenamtlichen, hoch motivierten Menschen sind. Mit diesen Menschen muss man sich abstimmt, sonst funktioniert es nicht.
Das politische Lobbying ist im neuen Programm von ICT Switzerland nicht erkennbar. Ist dieser Punkt gestrichen?
Wir sind sehr erfolgreich. Wir haben nicht zuletzt dank der Lobbyarbeit von ePower erreicht, dass die digitale Identität eingeführt wird.
Das ist aber nicht ICT Switzerland.
Juristisch gesehen ist ePower ein Projekt von ICT Switzerland.
Das verstecken Sie aber sehr gut.
Ja, das stimmt, das wurde bisher getrennt gelebt.
Warum das? Immerhin hat man mit ICT Switzerland einen guten Brand mit recht viel Rückhalt in der Branche. Warum führte man ausgerechnet fürs Lobbying nochmals eine Organisation ein?
Der Hauptgrund war, dass die Firmen, die in ePower engagiert sind, nicht bei ICT Switzerland dabei sind.
Dann hat ePower aber doch nichts mit ICTswitzerland zu tun!
Doch natürlich, ePower wurde als Projekt von ICTSwitzerland beschossen und von mir als Projektleiter umgesetzt.
Zeichnet sich eine Trennung der Aufgaben ab? Auf der einen Seite ICT Switzerland für die Aus- und Weiterbildung, auf der anderen Seite ePower für die politische Arbeit? Die Liste der politischen Ziele von ePower ist eindrücklich. Bei ICT Switzerland sucht man eine solche Liste vergeblich.
Ich möchte den Strategieprozessen nicht vorgreifen. Aber ich bin der Ansicht, es hat eher zu viele Marken in diesem Gebiet.
Was heisst das konkret?
ICT Switzerland ist ein verdammt guter Brand.
ePower ist der schwächere Brand?
Wie andere auch.
Das heisst ausgedeutscht, sie möchten ePower komplett in ICT Switzerland integrieren und unter diesem Brand Lobbying betreiben?
Das ist Ihre Interpretation. Wir müssen die Anzahl der Brands reduzieren. ICT Switzerland ist der stärkste Brand, ePower ist zwar sehr erfolgreich und wir haben sehr viel erreicht, leuchtet aber nicht wirklich als Stern am IT-Himmel. Dieses Problem müssen wir von Verbandsseite angehen. Dafür ist ePower hochprofessionell organisiert und hat eine Kerngruppe von vier Parlamentariern, die dabei sind.
Ich höre das Gras wachsen: Noser hat das Präsidium übernommen und ePower als sein Kind wird jetzt in die ICT Switzerland integriert und damit eine gewisse Professionalisierung eingeführt.
Da hören Sie aber gut. Dazu kann und will ich im Moment nichts sagen.
Sie sind in 11 eigenen Firmen Verwaltungsratspräsident, in 14 weiteren Firmen und Organisationen im Führungsgremium, Sie sind im Nationalrat und in zwei Kommissionen...
... nur noch in einer, aus der zweiten bin ich ausgetreten.
... und sie haben eine Familie mit vier Kindern...
...da bin ich nicht ausgetreten.
Schön! Aber wie bringen Sie all das unter einen Hut?
Es arbeiten sehr viele hervorragende Leute in meinem Umfeld - und ich kann zwei Dinge sehr gut - obwohl es immer etwas schwierig ist, über die eigenen Vorzüge zu sprechen: Ich bin ein excellenter Business Developer und ich kann die Leute in meinem Umfeld sehr gut einschätzen und motivieren.
Sie sind einigen Leuten in der Branche etwas unheimlich. Ihre Machtfülle stösst manchen sauer auf.
Das erstaunt mich. Aber darauf gibt es zwei Antworten: Es kann sich jeder meiner Kritiker melden und das Präsidium übernehmen. Ich habe dieses Präsidium übernommen, weil niemand sonst dazu bereit war. Alle sind aufgerufen, mitzuarbeiten und ihren Teil zu leisten. Ausserdem braucht der Branchenverband einen bekannten Kopf. Das macht Swissmem vor und ist damit sehr erfolgreich.
Dieser bekannt Kopf sind Sie selbst?
Nicht unbedingt. Aber in der ICT-Branche engagiert sich vom I kein einziger Chef einer wirklich grossen Firma in einem Verband. Beim C dagegen engagieren sich die Chefs.
Die grössten 20 I-Firmen in der Schweiz sind ja auch ausländisch dominiert.
Na und? Die Chefs von Orange, Sunrise oder Cablecom haben auch keine Schweizer Vorgesetzten. Die Arbeitgeber der Branche müssen sich jetzt engagieren, die CEOs müssen Flagge zeigen. Dann wird man sehr schnell ganz andere Gesichter sehen als immer nur meins.
Ich bin gespannt, wie Sie die CEOs dieser grossen Firmen zu mehr Engagement bewegen wollen.
Die Diskussion ist in diesen Kreisen bereits heute sehr ernsthaft im Gange.
Zur Person

Ruedi Noser

Der 1961 in Glarus geborene Ruedi Noser ist seit 1996 Alleininhaber, seit 1997 Verwaltungsratspräsident der Noser-Gruppe. Die auf Telekommunikations-Software spezialisierte Gruppe mit Firmen in der Schweiz, Deutschland und Kanada hat rund 500 Mitarbeiter und war unter anderem massgeblich an der Entwicklung von Android, Googles Mobile-Plattform beteiligt. Seit 2003 ist Noser Vizepräsident der FDP Schweiz, seit 2004 gehört er dem Nationalrat an. Zusammen mit dem Schwyzer Ständerat Bruno Frick gründete Noser die Bewegung «ePower für die Schweiz». Seit dem 18. Juni ist Ruedi Noser Interimspräsident von ICT Switzerland. Ruedi Noser ist verheiratet und hat vier Kinder.



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