16.09.2009, 09:20 Uhr

Bei Anruf immer eine freie Leitung

Zürichs älteste Privatbank Rahn und Bodmer läutet das VoIP-Zeitalter ein. Die Broker des auf Anlageberatung und Vermögensverwaltung spezialisierten Finanzinstituts halten per IP-Telefon den guten Draht zum Kunden.
Die Anlageberater müssen für ihre Kunden jederzeit erreichbar sein
Christoph Künkel ist Director Product Management bei der innovaphone AG
Entgegen dem im Finanzmarkt verbreiteten Trend, sich zu immer grösseren und kaum mehr zu durchschauenden Gebilden zusammenzuschliessen, setzt Zürichs älteste Privatbank auf Tradition und Unabhängigkeit. Die Berater von Rahn & Bodmer betreuen ihre Kundschaft auch heute noch von einem einzigen Standort inmitten der Schweizer Finanzmetropole Zürich aus. Die auf Anlageberatung und Vermögensverwaltung spezialisierte Privatbankiers haben sich aber nicht allein aufgrund traditioneller Werte 250 Jahre lang behauptet. Zur unternehmerischen Weitsicht zählt auch die Aufgeschlossenheit gegenüber Innovationen.

Klare Vorgaben aus dem Business

Als die Ablösung der in die Jahre gekommenen Telefonanlage anstand, wurden die beiden Projektleiter Patrick Weber und Thomas Wartmann beauftragt, nach einer ganz neuen, zeitgemässen Lösung zu suchen.
Treiber für die Umstellung war die Handelsabteilung der Bank. Dort sind die Anforderungen an die Telefonanlage am höchsten. «Die Händler müssen auf mehrere Hundert Kontakte zugreifen können, die sie aus Zeitgründen am besten per Touchscreen anwählen», erklärt Patrick Weber. «Ausserdem darf gerade in der Handelsabteilung kein Anruf verloren gehen, denn das kostet die Bank das Vertrauen der
betroffenen Kunden und damit viel Geld.» Deshalb müssen die Händler alle Anrufe, die in der Handelsabteilung eingehen, gruppenweise annehmen und in Sekundenschnelle untereinander weitervermitteln können.
Klar war auch, dass die Geschäftsleitung keinerlei Abstriche bei der Verfügbarkeit akzeptieren würde. Projektleiter Weber erläutert, warum das so ist: «Unser Haus lebt von den guten Beziehungen zu unseren Kunden, die nicht selten über mehrere Generationen gewachsen sind. Jeder unserer Kunden hat
einen festen Ansprechpartner, der ihm in allen finanziellen Belangen zur Seite steht. Das setzt voraus, dass unsere Berater für ihre Kunden jederzeit gut zu erreichen sind.»
Auch an die Wirtschaftlichkeit der neuen Anlage wurden hohe Anforderungen gestellt.Zuverlässig, sicher und günstiger in der Wartung und Administration sollte die neue Telefonanlage sein. Die Anforderungen an die Sicherheit ergaben sich direkt aus den gesetzlichen Vorgaben. So ist etwa eineGesprächsaufzeichnung für Banken unerlässlich. Dabei muss sichergestellt sein, dass aufgezeichnete Gespräche nur von den Mitarbeitern abgehört werden können, für die sie auch bestimmt sind.
Unvoreingenommen sichteten die Projektleiter daraufhin den Markt, analoge und IP-basierte Systeme hatten dieselben Chancen. «Es war keineswegs so, dass wir im Vorfeld eine Entscheidung zugunsten von VoIP getroffen hatten», erinnert sich Patrick Weber, «für uns war lediglich wichtig, eine Lösung zu finden, die eben am besten zu unseren Anforderungen passt.»

Überzeugender Pragmatismus

Fünf Angebote wurden eingeholt, eines war den beiden Projektleitern auf den ersten Blick sympathisch. Das in Egg bei Zürich ansässige Systemhaus Inikon AG hatte der Bank eine IP-TK-Anlage von innovaphone ans Herz gelegt. «Das lag sicher auch am guten Preis-Leistungs-Verhältnis, vor allem aber an der pragmatischen Herangehensweise», erinnert sich Patrick Weber. «Vom ersten Kontakt an war klar, hier ist der Kunde keine Nummer, Support-Anfragen werden nicht nach dem Ticket-System abgearbeitet.»
Doch auf den zweiten Blick taten sich unerwartete Hürden auf. Die Anforderungen der Broker - treibende Kraft für die Migration - lagen weit über dem, was eine alltägliche Telefonanlage leisten muss: Die Anlage sollte mit einem Finger komplett zu bedienen sein und dabei das Vermitteln, Verbinden und Parken möglichst vieler gleichzeitig eingehender Anrufe erlauben. Eine weitere Minimalanforderung: Jeder Anruf muss sofort weiterverarbeitet werden. Das aber geht nur, wenn der Status aller Händler, also etwa Ferien, Abwesenheit oder Gespräch, von der TK-Anlage angezeigt wird.

Was fehlt, wird schnell entwickelt

Für einen Moment stand das Projekt auf der Kippe. Dann machte sich die Entwicklungsabteilung des innovaphone-Partners Buchberger IT kurzerhand daran, den fehlenden Puzzlestein in weniger als zwei Monaten selbst zu entwickeln. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: ein hoch leistungsfähiges Komforttelefon mit Touchscreen, das alle erdenklichen Funktionen eines Broker-Vermittlungsarbeitsplatzes abdeckt. Die unbürokratische Arbeitsweise machte bei Patrick Weber und seinen Kollegen Eindruck: «Spätestens da war unsere Entscheidung gefallen, gegenüber unserer Geschäftsleitung konnten wir unsere Empfehlung hundertprozentig vertreten.»

Sanfte Migration auf VoIP

Die ersten Vorarbeiten begannen Anfang August 2008. Das ohnehin anstehende Netzwerk-Upgrade wurde dazu genutzt, die Infrastruktur auf Herz und Nieren zu überprüfen und dort, wo es nötig war, auf die VoIP-Migration vorzubereiten. So musste aus Gründen der Verfügbarkeit ein zweites Netz eingerichtet werden, um Daten- und Sprachverkehr voneinander zu trennen. «Wir wollten sicherstellen, dass wir für unsere Kunden auch dann telefonisch erreichbar sind, wenn das Host-System einmal Störungen aufweisen sollte», begründet Patrick Weber diese Entscheidung.
Im September 2008 wurde die neue TK-Anlage installiert. Seither verrichten im Firmendomizil drei IP6000 und eine IP800 als VoIP-Gateways ihren Dienst. Nach und nach wurden die rund 235 Arbeitsplätze mit IP-Phones vom Typ IP110 und IP240 ausgestattet. Ausserdem galt es, einige analoge Faxgeräte und das bestehende DECT-System in die innovaphone-Telefonanlage einzubinden. Durch ein Upgrade der DECT-Lösung mit einem IP-DECT-Gateway konnte die Anlage problemlos in die IP-Umgebung eingebunden werden. Damit kann die Schweizer Privatbank sowohl die DECT-Basis-Stationen als auch die Telefone weiter nutzen. Das schützt die Investitionen und schont das ICT-Budget.
An Anwendungen sind CTI (Computer Telefonie Integration), eine Billing-Lösung und mehrere Vermittlungsarbeitsplätze im Einsatz. Anfangs liefen beide Anlagen noch parallel, um sicherzustellen, dass bei der Umstellung keine unliebsamen Überraschungen auftauchen. Dazu wurden die VoIP-Gateways vor dem Amtszugang der TK-Anlage eingeschleift. Die bestehende TK-Anlage lief einfach weiter und wurde am Ende der Übergangsphase im Dezember 2008 einfach abgeschaltet - «sanfte Migration» heisst das im Branchenjargon.

Wirtschaftlich ein Erfolg

Die Migration verlief entsprechend reibungslos, mit einer kleinen Ausnahme. «Die für den Handelsraum entwickelte Applikation hat uns anfangs etwas Kopfzerbrechen bereitet», erinnert sich Thomas Wartmann. «Allerdings hat Buchberger IT die Kinderkrankheiten innerhalb von 48 Stunden gelöst.» Den Termin, den sich Thomas Wartmann und Patrick Weber für das Projekt gesetzt hatten, war jedenfalls zu keinem Zeitpunkt gefährdet.
Auch bei den Mitarbeitern kommt die neue Anlage gut an. Umstellungsschwierigkeiten - bei neuen Geräten oft ein Problem - gab es kaum, im Gegenteil: «Die Mitarbeiter der Handelsabteilung waren überrascht, wie schnell sie sich untereinander die Anrufe zuschieben können», meint Weber. Die Mitarbeiter an den
Vermittlungsarbeitsplätzen wurden an einem einzigen Nachmittag auf die neue Anlage geschult. Tags darauf konnte der Schalter dann endgültig umgelegt werden - die alte Anlage wurde abgeschaltet.
Das Fazit der beiden Projektverantwortlichen: «Unsere Erwartungen haben sich sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht voll erfüllt. Wir würden den Weg jederzeit wieder gehen.»
Christoph Künkel



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