Führungs-Know-how 22.01.2020, 11:45 Uhr

Die sieben Managementtodsünden

Auch Managerinnen und Manager sind nicht unfehlbar. Wir zeigen die sieben Managementtodsünden und was aus diesen gelernt werden kann.
Figuren am sogenannten «Weltgerichtsportal» der Notre Dame in Paris warnen vor den Konsequenzen für begangene Todsünden
(Quelle: Shutterstock / Fedor Selivanov)
Dort, wo gemanagt wird, passieren Fehler, die sich mehr oder weniger dramatisch auswirken können. Im schlimmsten Fall steht die Insolvenz des Unternehmens an, im besten Fall kann sich der Verursacher mit einer fetten Abgangsentschädigung aus dem Staub machen und bei der nächsten Firma in einer Managementfunktion anheuern. Immerhin bietet letztere Situation die Möglichkeit des Neuanfangs. Daher könnte noch verheerender für eine Firma sein, wenn diese jahrelang schlecht oder falsch gemanagt vor sich hin vegetiert.
Doch Fehler bieten ja auch die Chance, aus ihnen zu lernen respektive sie als mahnendes Beispiel vor Augen zu haben, um so zu versuchen, sie im eigenen Betrieb zu vermeiden. Wir haben daher die wohl gröbsten Fehlverhaltensweisen zusammengefasst und die sieben Mangementtodsünden zusammengestellt.

Erste Managementtodsünde: Informationsverweigerung

Wer in seinem Unternehmen für Verwirrung und Unproduktivität sorgen will, sollte die Angestellten über seine Absichten im Dunkeln lassen. Wer braucht schon Informationen, richtig? Obwohl es einleuchten sollte, dass diese Art des Führungsstils denkbar schlecht ist, kommt er immer wieder vor. Ja, er hat sogar im englischen Sprachraum und folglich auch in der deutschsprachigen Ratgeberliteratur mit «Mushroom Management» eine eigene Bezeichnung erhalten. Der Ausdruck soll wohl verdeutlichen, dass die Mitarbeiter wie die Pilze in einer Champignonzucht im Dunkeln gelassen werden und obendrein mit verbalem Mist, dem berüchtigten «BS» oder «Bullshit», gedüngt werden.
Kennzeichnend für dieses Managementfehlverhalten ist, dass die Führungsebene zwar die Unternehmensstrategie ändert – etwa, nachdem sie sich tagelang in eine Retraite begeben hat –, aber danach den Angestellten nicht erklärt, warum oder gar wozu die Dinge nun anders gemacht werden sollen. Oft ist sich das Management dieses Fehlverhaltens nicht einmal bewusst. Es geht davon aus, dass «jeder wissen muss», worum es dem Unternehmen geht und welche Ziele es verfolgt. Doch, woher sollten die Angestellten dies wissen, waren sie ja beim entscheidenden Meeting – bestenfalls noch in einem abgelegenen Luxushotel oder -resort abgehalten – nicht dabei.
Die unzureichende Erklärung der Absichten der Führungsriege über die künftige Strategie der Firma führt unweigerlich zu mangelnder Akzeptanz bei den Mitarbeitern, was handkehrum wieder in mangelndem Verständnis des Managements mündet. Dieses wundert sich dann, warum die Angestellten die neue geniale Strategie nicht mit offenen Armen willkommen heissen und sich Widerstände bei der Umsetzung zeigen. Desaströse Beispiele, bei denen auch Mushroom Management eine unrühmliche Rolle gespielt hat, gibt es in der Geschichte einige. Zu den bekanntesten zählen die Lehman-Pleite und der Untergang der Titanic (vgl. letzte Seite).

Managementtodsünden zwei, drei und vier

Zweite Managementtodsünde: Detail­versessenheit

Richtiggehende Motivationskiller bei ihren Angestellten sind darüber hinaus Manager, die glauben, sich um jedes Detail kümmern zu müssen. Dieser Führungsstil ist auch bekannt als Mikromanagement. Er zeichnet sich dadurch aus, dass den Mitarbeitern ständig diktiert wird, was sie wann wie genau zu tun haben, ohne sie bei den Entscheidungen zu beteiligen. Dadurch zeigen die Mikromanager ihren Untergebenen täglich, ja minütlich, dass sie ihnen wenig bis nichts zutrauen. Charakteristisch für diese Art des Führungsstils ist zudem, dass sie kein wirkliches mittleres Management kennt, da der Chef kaum etwas delegiert oder wenn doch, sich trotzdem in alles reinhängt.
Das alles frustriert natürlich die Betroffenen ungemein, demotiviert sie und führt schlussendlich dazu, dass die Mitarbeitenden nicht mehr eigenständig denken und handeln. Im schlimmsten Fall laufen sie davon oder kündigen innerlich. Letzteres birgt die Gefahr in sich, dass sich diese Angestellten zu den gefürchteten destruktiven Mitarbeitern entwickeln. Als Paradebeispiel eines Mikromanagers gilt der langjährige Apple-Chef Steve Jobs. Dieser kümmerte sich oft um kleinste Details und mischte sich in Entwicklungen in den untersten Unternehmensschichten ein.

Dritte Managementtodsünde: «Delegieritis»

Der hier vorgestellte Führungsstil ist das pure Gegenteil des Mikromanagements, kann aber schlussendlich genauso negative Auswirkungen auf den Geschäftsgang eines Unternehmens haben. Hier delegiert der Manager oder Chef – meist aus Faulheit und Trägheit – alle Aufgaben an seine Untergebenen. Das Delegieren wird somit dazu missbraucht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Hier kann man schnell den Überblick und somit die Kontrolle über das Unternehmen verlieren – mit möglicherweise verheerenden Folgen für den Betrieb.

Vierte Mangementtodsünde: Unent­schlossenheit

Manager sind nicht zum Arbeiten angestellt, sondern zum Entscheiden. Und die wichtigen Weichenstellungen werden meist mit der zunehmenden Höhe der Hierarchiestufe kniffliger und bisweilen oft auch unpopulärer. Sie daher auf den Sanktnimmerleinstag hinauszuschieben, kann fatal sein, und zwar nicht nur für das Unternehmen selbst, das vielleicht bei beherztem Handeln jetzt eine bessere Zukunft hätte, sondern auch gegenüber den Mitarbeitern. Wenn keine Entscheidungen gefällt werden, überträgt sich das auf deren Motivation und Engagement.

Managementtodsünden fünf, sechs und sieben

Fünfte Managementtodsünde: Fehler­intoleranz

«Wer einen Fehler macht, fliegt!» Wird mit dieser Mentalität geführt, dürfen von den Angestellten wohl keine Innovationen erwartet werden. Denn nur wenn Versuche gemacht werden, die auch einmal im Irrtum enden, kann sich eine Firma weiterentwickeln.Wer somit keine Fehler fordert, erhält auch keine Fehler – und das ist ein schlechtes Zeichen. Denn entweder bekennen sich die Mitarbeiter nicht mehr zu ihren Fehlern und melden diese nicht mehr oder aber sie tun alles, um Fehler zu vermeiden. Im schlimmsten Fall handeln sie nach dem Motto, dass nur keine Fehler macht, wer auch nicht arbeitet. Richtig übel wird der Führungsstil übrigens dann, wenn der Chef keine Fehler zulässt und dann bei eigenen Fehlern diese nicht zugibt.

Sechste Managementtodsünde: Ungerechtigkeit

Wer die Motivation seines Teams ruinieren möchte, muss es nur ungerecht behandeln. Das kann mit der unangemessenen Verteilung der Arbeiten und Aufgaben anfangen sowie sich mit ungerechten und unstimmigen Gehältern fortsetzen. Schliesslich können sich Ungerechtigkeiten auch im Umgang im Alltag äussern. Wird beim einen Mitarbeiter viel toleriert, während bei einem anderen alles kritisiert wird? Erhält der eine Angestellte die interessanten Jobs, während der andere die langweiligen Aufgaben fasst, die niemand machen möchte? Wer solche Missverhältnisse zulässt, muss sich nicht wundern, wenn die Stimmung im Team bald auf dem Nullpunkt angelangt ist.
Unfair handelt auch, wer weibliche Mitarbeiter konsequent unterfordert und sie sprichwörtlich «nur zum Kaffeekochen» einsetzt. Er verschwendet damit nicht nur Talent. Er schadet seiner Firma auch, indem er die Synergien zwischen Männern und Frauen nicht nutzt.

Siebte Managementtodsünde: Egomanie und Überheblichkeit

Eine gewisse Portion Selbstbewusstsein muss jeder Ma­nager mitbringen, schliesslich muss er seine Führungs­- auf­gaben mit natürlicher Autorität wahrnehmen. Zur Todsünde wird das Ganze aber dann, wenn das Selbstbewusstsein in blanke Egomanie umkippt. Wer sich als Chef für etwas Besseres und etwas Wichtigeres hält als seine Mitarbeiter, sorgt unweigerlich dafür, dass die An­gestellten keine grosse Meinung von ihrem Vorgesetzten haben, mit allen negativen Konsequenzen und Problemen, die diese Verhaltensweise nach sich zieht. So zeugt beispielsweise von Geringschätzung, wenn man sich als Vorgesetzter das Recht herausnimmt, immer wieder an Sitzungen zu spät zu kommen, da man das ach so wichtige Telefonat noch zu Ende führen musste.
Und nicht nur für das Mikroklima in der Firma ist eine solche an den Tag gelegte Egomanie schlecht. Es sind meist Manager mit einem gerüttelten Mass an Selbstüberschätzung, die Firmen in grössenwahnsinnige Projekte stürzen wie etwa Merger mit Unternehmen initiieren, die für die eigene Firma definitiv eine Nummer zu gross sind.
Buchtipp
Aus Managementtodsünden lernen
Die Managementtodsünden und welche Lehren sich aus diesen ziehen lassen, ist auch ein beliebtes Thema in der entsprechenden Fachliteratur. Gerade neu erschienen ist der Band «Managementfehler und Managerscheitern» von Uwe Peter Kanning. Der Wirtschaftspsychologe stellt darin die Ursachen für das Entstehen von Managementfehlern vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse seines Fach­gebiets dar. Diese liegen nämlich sowohl in der Persönlichkeit der verantwortlichen Manager als auch in ihren Arbeitsbedingungen sowie dem Verhalten von Vor­gesetzten, Kollegen und Mitarbeitern. Trotz des theoretischen Unterbaus bietet das im Springer-Verlag erschienene Buch auch viel praktisches Know-how. So liefert Kannings Werk Checklisten zur Identifizierung von Risikofaktoren im Unternehmen und gibt An­regungen zur richtigen Intervention.
Uwe Peter Kanning: Managementfehler und Managementscheitern
Springer; ISBN 978-3-662-59385-1

Desaströse Beispiele der sieben Managementtodsünden

Beispiele für desas­tröse Managementfehler gibt es zuhauf. Meist kommen dabei mehrere der vorgestellten Tod­sünden zum Tragen. Wir haben hier zwei Krisen aus unterschiedlichen, aber exemplarischen Bereichen zusammengestellt:

Untergang der Titanic

Den Untergang des britischen Passagierdampfers «RMS Titanic» im Jahr 1912 vereinigt einige der im Hauptartikel genannten Managementtodsünden und zeigt die verheerenden Folgen auf. So zeugte zunächst einmal die Annahme der Unsinkbarkeit von grosser Überheblichkeit und die daraus mangelnde Vorbereitung in Sachen Rettungsboote und Notfallmaterial führte direkt in die todbringende Katastrophe. Der Untergang ist allerdings auch ein Paradebeispiel für das sogenannte «Mushroom Management». Dieses offenbarte sich besonders, nachdem der Dampfer im Nordatlantik mit einem Eisberg kollidiert war.
Denn nur wenige Mitglieder der Besatzung hatten danach überhaupt davon Kenntnis, dass das Schiff dem Untergang geweiht war. Die Mehrheit wurde vom Kapitän einerseits nicht über den Ernst der Lage informiert. Andererseits versuchte der Schiffsführer, allein zu handeln, ohne die Offiziere in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen. Er legte somit auch ein Negativbeispiel in Sachen Mikromanagement an den Tag. Beides führte zu regelrecht chaotischen Zuständen auf dem Dampfer.

Lehman-Pleite

Der Bankrott des Finanzinstituts Lehman Brothers 2008 ist mittlerweile gut dokumentiert und zeigt exemplarisch die dort gemachten Managementtodsünden auf. So kann auch diese Pleite als klassisches Beispiel für «Mushroom Management» verwendet werden. Vor allem der Hauptprotagonist, der frühere CEO Richard Fuld, bediente sich ausgiebig dieses unzulänglichen Führungsstils.
So stieg die Bank immer mehr in äusserst hochriskante Kreditgeschäfte ein, ohne dass die Angestellten, geschweige denn die Öffentlichkeit, über die wahre finanzielle Situation des Geldinstituts informiert wurde. Fuld und sein engster Führungskreis hielten vielmehr viele Infos zurück. Noch schlimmer: Sie belogen regelrecht die Anleger und Behörden. In der Folge gingen Mitarbeiter, Investoren, Behörden und die Öffentlichkeit davon aus, dass das Finanzinstitut Lehman Brothers – wie jedes verantwortungsvolle Bankhaus auch – eine gesunde Mischung aus sicheren und riskan­teren Investitionen getätigt hatte. In Wahrheit war das Portfolio wesentlich riskanter aufgebaut.



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