Mit Narrativen die Digitalisierung meistern

Die Nutzererfahrung muss top sein

Alles ist nichts – und jedes Narrativ wird unglaubwürdig –, wenn die digitalen Werkzeuge, die im Rahmen der digitalen Transformation entwickelt und eingesetzt werden, eine schlechte Nutzerfahrung (User Experience) vermitteln. Die User Experience ist gewissermassen das Proof-of-Narrative. Eine hohe Benutzerfreundlichkeit (Usability) neu eingeführter Tools und Prozesse muss ein grundsätzliches Ziel sein. Es ist in sehr vielen Projekten auch ein Schlüssel­faktor für dessen Erfolg.
Die Usability ist aber nur von geringer Bedeutung, wenn Software häufig und ausschliesslich von erfahrenen Personen benutzt wird oder wenn Applikationen ohnehin einen aussergewöhnlich hohen Grad an Arbeitsvereinfachungen bieten. Die User Experience stellt deshalb die situative Nutzungserfahrung ins Zentrum, die Benutzerfreundlichkeit mit einem Nutzwert verbindet. Im Idealfall wollen Anwender nach dem ersten ausführlichen Ausprobieren ihre neuen digitalen Werkzeuge nicht mehr hergeben – und daraus entsteht dann eine neue Digitalisierungsgeschichte.
Erklärung
Was sind Narrative?
Gemäss Wikipedia ist ein Narrativ eine sinnstiftende Erzählung, die Einfluss hat auf die Art, wie die Umwelt wahrgenommen wird. Narrative sind keine beliebigen Geschichten, sondern etablierte Erzählungen, die mit einer Legitimität versehen sind.
Wichtige Eigenschaften von Digitalisierungsnarrativen:
  • Unternehmens-/marktspezifische, nachvollziehbare Erklärung der Rolle der Technik
  • Bezug zum Ist-Zustand des Unternehmens und zum Alltag der Mitarbeitenden/Kunden
  • Reduktion der Ungewissheit in Bezug auf die Zukunft und Verhinderung von Ohnmachtsgefühlen/Hilfe, um die Zukunft zu antizipieren und positiv zu interpretieren
Unterschiedliche Arten von Narrativen:
  • Theater: Gleichgewicht ➤ Störung ➤ Krise ➤ Entscheidung ➤ Gleichgewicht
  • Typische Anwendung: Präsentation einer Unternehmensidee für Investoren, bei der die Schwierigkeiten für den eigenen Erfolg ausführlich beschrieben werden, bevor erklärt wird, wie man sie überwinden möchte
  • Populistische Digitalisierungserzählung: Darstellung der Endzustände der digitalen Transformation als Utopien oder Dystopien. Beispiel: Zukunftsbücher
  • Verwaltungsperspektive: Positive, sinnstiftende Zusammenfassung aktueller Aktivitäten, um diese zu legitimieren. Konkretes Beispiel: Strategie «Digitale Schweiz»
  • Amerikanische Leadership-Logik: Glaubwürdige positive Zukunftsperspektive, welche die Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft nimmt
Zum Autor
Reinhard Riedl
ist Präsident der Schweizer Informatik Gesellschaft. Riedl arbeitet als wissenschaftlicher Leiter im Departement Wirtschaft der Berner Fachhochschule, an der er das transdisziplinäre Forschungszentrum «Digital Society» führt.



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