CDO-Interview 06.06.2018, 06:09 Uhr

«Ein Chief Digital Officer ist keine Alibiübung»

Bei der Stadt Winterthur agiert Christoph Zech im Spannungsfeld von manuellen Verwaltungsprozessen und Digitalisierung. Im Interview spricht der Digital Officer über die ersten Erfolge und die zukünftigen Herausforderungen.
Christoph Zech ist als Digital Officer bei den Informatikdiensten der Stadt Winterthur angesiedelt
(Quelle: Samuel Trümpy)
Die Stadt Winterthur beschäftigt seit gut zwei Jahren einen Digital Officer. In dieser Rolle treibt Christoph Zech die Digitalisierung der Stadtverwaltung voran. Und er will Winterthur zur Smart City weiterent­wickeln. Beide Vorhaben tönen realistisch, allerdings müssen sie in das enge Finanz- und Prozesskorsett einer öffentlichen Verwaltung passen. Welche Erfolge Zech trotzdem schon feiern konnte und welche Herausforderungen noch vor ihm liegen, berichtet er im Interview.
Computerworld: Winterthur hat eine Strategie für eine Smart City entwickelt. Was sind die Ursprünge, welches sind die Herausforderungen?
Christoph Zech: Die Ursprünge der Strategie sind die allgemeinen Herausforderungen, mit denen Städte heute je länger, je mehr konfrontiert sind. Hier sind für Winterthur insbesondere das Bevölkerungswachstum, der demografische Wandel, die Umweltbelastung, die knappen finanziellen Ressourcen, aber auch die Digitalisierung und die damit verbundene Veränderung der Gesellschaft zu nennen.
Mit der Strategie will sich die Stadtverwaltung dafür starkmachen, dass sich Winterthur zu einer fortschritt­lichen, intelligenten und vernetzten Stadt weiterentwickelt. Dabei sollen sowohl die Menschen als auch die Umwelt im Mittelpunkt stehen. Ziele sind die Steigerung der Lebensqualität, die Ressourcenschonung, die Effizienzsteigerung innerhalb der Verwaltung selbst, aber auch für die Einwohnerinnen und Einwohner. Weiter sollen verschiedene Anspruchsgruppen in das Geschehen in der Stadt mit einbezogen werden. Letztendlich ist die Strategie aber auch eine Massnahme zur Standortförderung.
“Die Smart-City-Strategie ist für viele in der Verwaltung noch nicht richtig greifbar„
Christoph Zech, Stadt Winterthur
CW: Wie wollen Sie diese Ziele erreichen?
Zech: Es wird ein Programm «Smart City» gestartet. Dieses wird verschiedene Projekte umfassen. Zur Anschubfinanzierung steht ein Innovationskredit zur Verfügung, der es ermöglichen soll, innovative Projekte zu fördern. Ziel ist es, immer möglichst rasch einen Proof of Concept oder ein Minimum Viable Product (MVP) realisieren zu können. Die Gelder sind nicht für Konzeptpapiere gedacht, die womöglich in irgendeiner Schublade verschwinden. Die Initiierung der Vorhaben erfolgt auf Initiative der Departemente.
Weiter wird es ein Innovationsteam geben, das aus Vertretern der Departemente sowie Personen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW besteht. Ziel des Teams ist es, die Stadt Winterthur sowie die Stadtverwaltung bezüglich Smart City und Digitalisierung voran­zubringen. Gesteuert wird das Programm Smart City durch einen Steuerungsausschuss bestehend aus drei Mitgliedern des Stadtrates und dem Stadt-CIO Markus Freuler mit beratender Stimme.
CW: Wie wird sich das Innovationsteam zusammen­setzen? Können sich Bürger von Winterthur bewerben?
Zech: Vorerst wird sich das Innovationsteam aus einigen Mitarbeitern der Stadtverwaltung Winterthur und Wissenschaftlern der ZHAW zusammensetzen. Inwieweit sich zu einem späteren Zeitpunkt weitere externe Partner einbeziehen lassen, wird die Zukunft zeigen

Smarte Quartiere

CW: Haben Sie bereits Smart-City-Projekte umgesetzt?
Zech: Bereits vor Verabschiedung der Strategie wurden einige Projekte umgesetzt. So entstand beispielsweise zusammen mit der ZHAW ein Leitfaden «Smarte Quartiere». Das Herzstück des Leitfadens ist ein Ideenkatalog, der 20 konkrete Massnahmen enthält. Das Themenspektrum reicht von Sharing-Konzepten, E-Ladestationen, Nachbarschaftshilfe, gemeinsam genutzten Photovoltaikanlagen und Windkrafträdern bis hin zu Stromsparwettbewerben. Weiter wurde die elektronische Baubewilligung realisiert, mit der Bewilligungen digital beantragt und genehmigt werden können. Ebenfalls aus der Verwaltung stammt der «Stadtmelder» als Teil der Stadt-Winterthur-App, mit der die Einwohner via Smartphone die Stadt auf Schäden an der städtischen Infrastruktur hinweisen können. Weiter wurden auch schon verschiedene Mass­nahmen im Bereich der öffentlichen Beleuchtung umgesetzt.
Quelle: Samuel Trümpy
CW: Sind Sie bei den Plänen zur Smart City in der Verwaltung auf Widerstand gestossen?
Zech: Der Begriff «Smart City» ist für viele noch nicht richtig «greifbar». Deshalb sind die Meinungen innerhalb der Verwaltung sehr unterschiedlich. Sie gehen von «Smart City und Digitalisierung passiert
automatisch» bis hin zu «wir schaffen ein Team, das sich ausschliesslich mit Smart City beschäftigt». Die Idee, ein vollamtliches Innovations­team zu schaffen, wurde verworfen. Zu gross waren die Bedenken, dass im «Elfenbeinturm» die wildesten Ideen zu Smart City entwickelt werden, die anschliessend von der Stadt umgesetzt werden müssen. Dies hat uns bewogen, das erwähnte Innovationsteam aus Mit­arbeitern aller Departemente ins Leben zu rufen. Keines der Mitglieder wird ausschliesslich mit der Smart City beschäftigt sein, jeder hat noch einen «normalen» Job zu erle­digen. Der Vorteil ist, dass Ideen und Vorhaben bottom-up entstehen und breit in der Verwaltung abgestützt und verankert sind. Der Nachteil ist, dass die Projekte nicht mit voller Kraft vorangetrieben werden können und allenfalls die Ergebnisse etwas länger auf sich warten lassen.
CW: Gab es schon Reaktionen aus der Bevölkerung auf das Smart-City-Konzept?
Zech: Bis anhin nur sehr wenige. Aber die Strategie ist auch noch sehr neu und es wurde noch wenig kommuniziert.
Zur Person
Christoph Zech
Samuel Trümpy
ist seit Januar 2016 bei den Informatikdiensten der Stadt Winterthur als Digital Officer und Hauptabteilungsleiter Projects & Digital Transformation beschäftigt. Zuvor war er dort während fast 18 Jahren als Leiter E-Government tätig. Zech startete seine Karriere bei den Informatikdiensten im Jahr 1990.

Steilpass der Politik

CW: Welche Rolle hat die Politik bei der Smart-City-Strategie gespielt?
Zech: Die Politik hat der Stadtverwaltung den Steilpass zugespielt und sehr geholfen, indem das Parlament von Winterthur für das laufende Jahr einen Innovationskredit in Höhe von 200 000 Franken gesprochen hat. Das Geld ist für die erwähnte Anschubfinanzierung von Projekten gedacht.
“Der C-Level muss sich heute intensiv mit der digitalen Transformation auseinandersetzen„
Christoph Zech, Stadt Winterthur
CW: Wer sind Ihre Vorbilder für eine Smart City? Und: Haben Sie allenfalls eine Idealvorstellung, wie das «smarte» Winterthur aussehen soll?
Zech: Im Rahmen einer Studie der ZHAW wurden verschiedene europäische Städte in Bezug auf deren Innovationssystem und Organisation im Bereich Smart City untersucht. Analysiert wurden die Städte Amsterdam, Santander und Wien. Alle sind etwas anders organisiert, zählen aber in Europa sicherlich zu den Vorreitern, die man auch als Vorbilder nehmen kann.
Mir persönlich gefällt vor allem der Ansatz von Amsterdam sehr gut. Dort wurde die Initiative «Smart City Amsterdam» von verschiedenen Akteuren aus der Wirtschaft, Forschung und Bildung sowie der Stadt selbst gestartet. Daraus ist eine Plattform entstanden, aus der die unterschiedlichsten Projekte initiiert und umgesetzt werden. Zentral sind dabei der Austausch und die Vernetzung unter den Partnern.
Mein Wunsch oder meine Idealvorstellung wäre, dass in Winterthur ein Smart-City-Innovations- und -Ökosystem entsteht, an dem sich die Wirtschaft, Bildung, Politik und Verwaltung aktiv beteiligt und gemeinsam die Smart City Winterthur gestaltet und voranbringt.
CW: Welche Anwendungen für Smart City haben Ihnen in Amsterdam besonders gut gefallen?
Zech: Es gibt nicht einzelne Anwendungen, die für mich in Amsterdam herausragen. Es ist viel mehr die breite Vielfalt von Anwendungen, die umgesetzt werden, und wie darüber kommuniziert wird.

Eigene Rolle in der Smart-City-Initiative

CW: Welche Rolle spielen Sie persönlich bei der Smart-City-Initiative?
Zech: Neben meinem Job als Abteilungsleiter «Projects und Digital Transformation» in den Informatikdiensten habe ich die Aufgabe, sowohl das Thema Smart City als auch die Digitalisierung in der Stadtverwaltung Winterthur voranzubringen. Dafür versuche ich, ungenutzte Potenziale aufzuzeigen sowie Awareness für neue Technologien und deren Anwendung zu schaffen. Dabei bin ich oft als «Smart City/Digitalisierungs-Evangelist» unterwegs, der die Departemente berät und unterstützt.
Quelle: Samuel Trümpy
Momentan nehme ich zur Hälfe meiner Arbeitszeit die Rolle der Programmleitung Smart City Winterthur wahr und beobachte neue Entwicklungen. Zum Beispiel: Wie kann das Internet of Things, die Blockchain-Technologie oder die künstliche Intelligenz nutzbringend eingesetzt werden. Eine weitere Aufgabe ist die Vernetzung mit möglichen Partnern und die Kommunikation von «Smart City Winterthur».
Diese Tätigkeiten werden ab Januar 2019 zu einem Fulltime-Job. Dann schafft die Stadt Winterthur eine Fachstelle «Smart City» in den Informatikdiensten.
CW: Danke für das Stichwort. Sie sind heute Digital Officer innerhalb der IT der Stadt Winterthur. Können Sie bitte kurz erklären, wie es zur Installation eines Digitalisierungsverantwortlichen kam?
Zech: Gern. Im Rahmen einer IT-Reorganisation 2015 hat CIO Markus Freuler die Notwendigkeit erkannt, dass sich die städtischen Informatikdienste für die Digitalisierung starkmachen müssen. So wurde meine damalige Rolle zu 50 Prozent neu definiert: als Digital Officer. Damit kam ich – im Vergleich mit der Privatwirtschaft – in eine besondere Position. Denn als offiziell in der Informatik angestellte Person habe ich natürlich keine Weisungsbefugnisse gegenüber den Departementen. Entsprechend fülle ich eher eine beratende und unterstützende Rolle aus.
CW: Was sagen Sie zur folgenden These? Digitalisierung betrifft die ganze Organisation. Ein Digital Officer ist lediglich eine Alibiübung.
Zech: Ich bin überzeugt, dass ein Digital Officer keine Alibi­übung ist. Insbesondere in einer Verwaltung, in der typischerweise eine klassische Organisationsentwicklung fehlt, braucht es einen Evangelisten für die digitale Transformation. Daneben ist die Installation eines Digital Officers ein wichtiges Signal einer Organisation, dass sie es mit der Digitalisierung ernst meint. Weiter ist es für die IT einer Verwaltung wichtig, sich nicht ausschliesslich als Betreiber von Informatiksystemen zu positionieren, sondern Weitblick zu beweisen und in neue Themen zu investieren.
CW: Eine andere These wäre: Der Digital Officer ist ein temporäres Phänomen. Bald sind alle C-Level ebenfalls digital. Was meinen Sie?
Zech: Ich glaube, davon sind wir noch weit entfernt. Sicher ist, dass sich der C-Level heute schon intensiv mit der digitalen Transformation auseinandersetzen muss. Trotzdem ist es wichtig, dass ein Sparrings- und Beratungspartner zur Verfügung steht, der sich ausschliesslich mit dieser Thematik auseinandersetzt. Und tatsächlich hätte ein Digital Officer seinen Job sehr gut gemacht, wenn die digitale Kompetenz in der Verwaltung so gut verankert ist, dass es ihn nicht mehr braucht. Bis dahin dürfte es aber noch ein langer Weg sein. Gerade in einer Verwaltung, welche die digitale Disruption im Gegensatz zu den meisten übrigen Branchen noch nicht unmittelbar spürt.
CW: Was haben Sie als Digital Officer in der Stadt­verwaltung Winterthur bereits erreicht?
Zech: In jüngster Zeit war mein grösster Erfolg die Verabschiedung der «Smart City Strategie Winterthur» durch den Stadtrat. Ich habe mich dafür zusammen mit einem Team sehr stark engagiert, weil ich der Überzeugung bin, dass dies ein wichtiger Meilenstein ist, um die Stadt auch im Bereich digitale Transformation einen Schritt vorwärtszubringen. Daneben war ich in verschiedene Digitalisierungsprojekte involviert. Vor anderthalb Jahren gab es zum Beispiel den Relaunch des städtischen Internet-Portals, ak­tuell arbeite ich an der Erneuerung des Intranets mit.

So viel Digitalisierung ist machbar

CW: Wie viel Digitalisierung verträgt eine Verwaltung?
Zech: Im Vergleich mit der Privatwirtschaft, in der ganze Geschäftsfelder von digitalen Playern bereits heute an­gegriffen werden, ist die Verwaltung momentan noch weniger direkt davon betroffen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass auch in der Verwaltung alles digitalisiert werden wird, was digitalisiert werden kann. Deshalb ist es wichtig, dass sich Verwaltungen intensiv mit der Digitalisierung auseinandersetzen und entsprechend handeln.
Christoph Zech im Gespräch mit Computerworld-Redaktor Mark Schröder
Quelle: Samuel Trümpy
CW: Wird die Verwaltung allein durch das Abschaffen von Medienbrüchen schon digitaler?
Zech: Die digitale Transformation steht für eine konti­nuierliche, tiefgreifende Veränderung der Interaktion mit den Bürgern sowie eine Veränderung der Verwaltungs­prozesse. Aber auch für neue Services und Dienstleistungen auf Basis neuer digitaler Technologien.
Sie ist nicht zu verwechseln mit der Digitalisierung, wie sie bereits seit über 40 Jahren betrieben wird. Lange ging es nur darum, Prozesse zu digitalisieren. Man muss aufpassen, dass man nun nicht einfach bestehende Prozesse digitalisiert. Ansonsten läuft man Gefahr, dass man aus «schlechten Prozessen» lediglich «schlechte digitalisierte Prozesse» macht.
CW: Wie ist die Informatik der Stadt Winterthur auf­gestellt? Können Sie bitte einige Eckdaten nennen?
Zech: Die Informatikdienste sind ein zentraler Full Service Provider der Stadtverwaltung. Der Bereich hat zwei Hüte auf: erstens die Steuerung der ICT durch Vorgabe der Strategie, der Richtlinien und Standards. Zweitens haben sie einen Leistungsauftrag, den sie erfüllen durch den Betrieb der IT-Infrastruktur, das Realisieren von Projekten und den Bezug von Dienstleistungen.
Die Leistungsbezüger sind alle sieben Departemente mit über 60 Ämtern und Bereichen. Die Kunden sind quasi 60 KMU mit vollkommen unterschiedlichen Bedürfnissen: von den Blaulichtorganisationen über kulturelle und so­ziale Einrichtungen bis hin zu den Schulen.
Bei den Informatikdiensten sind rund 60 Mitarbeiter angestellt. Sie betreiben unter anderem zwei Rechenzentren mit 410 Servern, auf denen rund 700 Informatikanwendungen laufen. Die Client-Landschaft in den 300 erschlossenen Gebäuden besteht aus 4200 Netzwerkdosen mit 4000 Arbeitsstationen – sowohl Notebooks als auch PCs. Daneben sind 1700 Drucker aufgestellt. Die gut 5300 Benutzer kommunizieren über 3300 Festnetz- und 2300 Mobiltelefone. Für diese Infrastruktur haben die Informatikdienste ein Budget von jährlich rund 22 Millionen Franken.
“Die 60 Informatiker in der Stadtverwaltung betreiben rund 700 Fachanwendungen„
Christoph Zech, Stadt Winterthur
CW: Welches Projekt haben die Informatikdienste zuletzt abgeschlossen?
Zech: Hier können stellvertretend für viele realisierte Projekte folgende zwei genannt werden: 2017 wurde die
gesamte Stadtverwaltung von analoger auf IP-Telefonie umgestellt. Mit dem Projekt «ICT-Primar» wurden gemeinsam mit dem Bereich Bildung alle Primarschulen mit neuer IT-Technologie ausgerüstet. Aktuell arbeitet ein Teil der Informatiker in der Stadtverwaltung an der Migration der Clients von Windows 7 auf Windows 10. Dieses Grossprojekt soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.
Daneben läuft zurzeit der Relaunch des Intranets. Dieses Projekt ist wie alle Vorhaben der Informatik den Submissionsgesetzen unterworfen und verursacht neben dem hohen organisatorischen und technischen Aufwand auch einen erheblichen administrativen Aufwand.
CW: Gab es allenfalls von den Informatikdiensten getriebene Projekte, um die Verwaltung zu digitalisieren?
Zech: Das Thema E-Government wurde wesentlich durch die Informatikdienste lanciert. Schon sehr früh hatte die Stadt Winterthur ein umfassendes Internet-Portal mit diversen E-Services. Winterthur galt im Bereich E-Government lange Zeit als Pionierstadt und erhielt dafür auch eine Auszeichnung im Rahmen von «Best of Swiss Web». Winterthur verfügte auch als erste Grossstadt über eine mobile App. Immer wieder treiben die Informatikdienste im Sinne der modernen Verwaltung die Digitalisierung voran. Das ist schlechthin gesagt allerdings auch «ihr Job».

Wunschprojekte und Enttäuschungen

CW: Wenn Geld keine Rolle spielen würde: was sofort realisieren, was sofort abstellen? Und: warum?
Zech: Ich würde einen «Smart City Innovationshub» ins Leben rufen, bestückt mit kreativen Köpfen aus den verschiedensten Disziplinen, die es braucht, um eine Smart City umzusetzen. Daran beteiligt müsste die Wirtschaft (Start-ups), die Bildung und Forschung, die Bevölkerung sowie die Stadt sein. In einem «Living Lab» könnte dann das Machbare im Smart-City-Kontext zur Veranschaulichung um­gesetzt werden. Lösungen, die sich bewähren, könnten dann auf die ganze Stadt skaliert werden. Das Ziel wäre, die Smart City für die Einwohner «erlebbar» zu machen und das vorhandene Potenzial aufzuzeigen.
Etwas, das sofort abgeschaltet gehört, fällt mir spontan nicht ein. Natürlich würde man sich manchmal wünschen, dass die finanziellen Möglichkeiten und Kompetenzen grosszügiger bemessen wären und man mehr Handlungsspielraum hätte. Dies ist aber halt einfach «Part of the Game» in einer öffentlichen Verwaltung.
Zur Firma
Stadt Winterthur
Die Stadtverwaltung besteht aus sieben Departementen und der Stadtkanzlei. Die Verwaltung beschäftigt rund 5000 Mit­arbeiter auf ca. 3150 Stellen, da 67 Prozent der Angestellten in Teilzeit ar­beiten. Weiter bildet die Stadt über 400 Lernende in 35 Berufen aus. Winterthur ist mit ca. 112 000 Einwohnern die sechstgrösste Stadt der Schweiz.
CW: Was war Ihre bisher grösste Enttäuschung im Job?
Zech: Meine grösste Enttäuschung liegt schon länger zurück. Im Jahr 2011 wurde die E-Government-Strategie verabschiedet, die ich massgeblich mitgestaltet habe. Damit verbunden waren konkrete Umsetzungsmassnahmen und entsprechende finanzielle Mittel. Leider wurden diese Gelder im Zuge einschneidender Sparmassnahmen gestrichen, sodass die Umsetzung nicht wie geplant erfolgen konnte. Dies darf nun mit dem Smart-City-Programm auf keinen Fall wieder passieren.
CW: Was wollen Sie tun, wenn das Smart-City-Vorhaben scheitern sollte?
Zech: Ich denke, es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um über das Scheitern nachzudenken. Vielmehr sollten wir den Fokus jetzt darauf legen, wie wir die Smart City Winterthur zu einem Erfolg bringen. Dazu gibt es ein paar wichtige Aspekte zu beachten: Eine Smart City wird nicht über Nacht gebaut. Es handelt sich um einen langfristigen Prozess. Ganz generell denke ich, dass die Bevölkerung und die Politik es begrüssen, wenn sich ihre Städte in Richtung Smart City entwickeln. Wichtig dabei ist aber immer, dass Nutzen und Bedarf im Vordergrund stehen. Weiter müssen Datenschutz und Datensicherheit höchste Priorität haben. Ansonsten kann das Vertrauen in Smart-Lösungen sehr schnell verspielt werden.
Grundsätzlich denke ich, dass die Verwaltungen positiv gegenüber Smart City eingestellt sind. Die Frage ist nur, wie aktiv soll und kann die Verwaltung Smart City vorantreiben oder es einfach geschehen lassen – insbesondere mit den knappen Ressourcen.
CW: Sehen Sie allenfalls weitere Hürden, die das Smart-City-Projekt nehmen muss?
Zech: Ein wichtiger Aspekt ist die Kultur in einer Verwaltung. Behörden sind es sich gewöhnt, sehr zuverlässige und erprobte Dienstleistungen anzubieten, denn sie haben einen umfassenden gesetzlichen Auftrag. Fehler dürfen deshalb eigentlich auch nicht passieren. Im Umfeld von Innovationen und Smart City muss man aber auch bereit sein, gewisse Risiken einzugehen und auch mal ein Scheitern in Kauf zu nehmen. Dies erfordert auch vonseiten der Bevölkerung ein Umdenken. Es muss akzeptiert werden, dass auch Verwaltungen in gewissen innovativen Vorhaben im «Beta»-Modus unterwegs sein können.



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