«Schweizer Banken müssen ihre digitalen Services ausbauen»

Idealkunden im Finance-Bereich, Projekte und Trends

CW: Können sie bitte einen Idealkunden für den Bereich Financial Services skizzieren, welche Anforderungen sollte dieser haben?
Petersmann: Nein, einen idealen Kunden kann ich nicht skizzieren. Dafür ist der Markt zu komplex. Einige Merkmale erscheinen mir in diesem Zusammenhang aber wichtig und allgemeingültig: Dazu gehört die Bereitschaft, immer einen kritischen Blick auf die Skalierbarkeit der eigenen IT-Infrastruktur zu haben. Wichtig ist es, eine Strategie zu haben, wie die Transformation des eigenen Geschäftsmodells in eine digitale Zukunft und digitale Interaktion mit Kunden funktionieren sollen. Und insgesamt gehören Offenheit gegenüber technischen Innovationen und Veränderungen im Wettbewerbsumfeld dazu. Kunden, die mit uns gemeinsam in den Co-Creation-Modus gehen, erleichtern die Zusammenarbeit und Lösungsentwicklung erheblich.
CW: Welches besondere Kundenprojekt haben Sie kürzlich realisiert?
Petersmann: Im Finanzwesen geht es oft um das Thema der Optimierung; insbesondere bezüglich Portfolios, Rendite oder Risikoreduktion. Fujitsu hat für die Lösung von Optimierungsproblemen den Digital Annealer entwickelt. Das britische Kreditinstitut Nat West nutzt den Digital Annealer, um einige ihrer komplexesten und zeitaufwendigsten Finanzanlageprobleme zu lösen. Gemeinsam mit «main incubator», der FE-Einheit der Commerzbank, haben wir ein Proof-of-Concept-Projekt im Bereich des Kreditportfolio-Managements abgeschlossen. Hier wird Digital Annealing für eine verbesserte Auswahl und Bündelung von Forderungen aus Leasing-Verträgen eingesetzt. Aktuell sprechen wir auch mit Schweizer Banken und Versicherungen über mögliche Anwendungsszenarien.
Wilhelm Petersmann, Fujitsu: «Bis 2023 rechnen wir damit, dass Fujitsu etwa zwei Drittel des Umsatzes mit herkömmlichen Produkten und Services erwirtschaftet. Rund ein Drittel des Umsatzes wollen wir dann im Zusammenhang mit neuen Technologien generieren. Dazu gehören beispielsweise Digital Annealer, KI-, AR- oder IoT-Lösungen. Bei KI gehören wir zu den Top 10 weltweit bezüglich der angemeldeten Patente»
Quelle: NMGZ/Computerworld
CW: Wie hat sich das Angebot von Fujitsu im Rahmen der Digitalisierung grundsätzlich in den Branchen verändert?
Petersmann: Wir definieren uns als Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation. Entsprechend ist unsere Strategie. Fujitsu beschreibt sich selbst als IT-Gesamtanbieter im Wandel zur Digital Transformation Company. Wir sind Treiber von Innovation und Digitalisierung; gleichzeitig bleiben wir ein verlässlicher Partner bezüglich konventioneller IT, Produkten und Services. Bis 2023 rechnen wir damit, dass Fujitsu etwa zwei Drittel des Umsatzes mit herkömmlichen Produkten und Services erwirtschaftet. Rund ein Drittel des Umsatzes wollen wir dann im Zusammenhang mit neuen Technologien generieren. Dazu gehören beispielsweise Digital Annealer, KI-, AR- oder IoT-Lösungen. Bei KI gehören wir zu den Top 10 weltweit bezüglich der angemeldeten Patente. Gleichzeitig sind wir ein Anbieter mit starken Partnern. Wenn wir Lösungen für Kunden entwickeln, sind wir dabei absolut anbieterneutral. Für die Zusammenarbeit wählen wir den Partner aus, dessen Angebot am besten auf den Kunden und zur geplanten Lösung passt.
CW: Und weshalb hat sich der Fokus auf den Bereich Financial Services verstärkt?
Petersmann: Als IT-Infrastruktur-Anbieter hatte Fujitsu immer enge Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen aus dem Finanzsektor. Wir haben beispielsweise in Europa eines der grössten Systeme für kontaktloses Bezahlen ausgerollt, mit 30'000 Geräten an 11'500 Standorten. Allerdings erfordert die Digitale Transformation immer mehr spezifisches Know-how für die Branche, in der man als Anbieter eine Rolle spielen will. Für eine optimale Kundenbetreuung hat Fujitsu deshalb entsprechend dedizierte Geschäftsbereiche geschaffen – einer davon ist Financial Services.
CW: Die Finanzbranche ist stark reglementiert. Das erfordert hohes Fachwissen. Woher haben Sie die Fachkräfte für die Banken-IT?
Petersmann: Wir sind uns der speziellen Anforderungen bewusst, die es für den Finanzsektor braucht. Deshalb haben wir auf Ebene Central Europe und auch regionale Compliance-Teams aufgebaut. Diese Kollegen setzen sich mit den fachlichen Anforderungen der Finanzmarkt- und Regulierungsbehörden auseinander. Für die Zukunft planen wir Customer Compliance Circles in jedem Land, damit auch die Kundensicht verstärkt einfliesst. Banken haben diesbezüglich viel Interesse. Qualifizierte Fachkräfte sind immer ein Thema. Hier haben wir verschiedene Ansätze: Fujitsu verfügt über ein eigenes Inkubator-Team. Da werden Trendthemen verfolgt und ab einem sehr frühen Zeitpunkt entsprechend Fachkräfte entwickelt. Darüber hinaus ist die generelle Weiterbildung interner Mitarbeiter ein Schwerpunkt. Und natürlich suchen wir gezielt nach Arbeitskräften auf dem Markt.
CW: Welche wesentlichen Entwicklungen prägen die Future of Finance?
Petersmann: Dazu gehört der digitale Zahlungsverkehr mit all seinen Möglichkeiten. Das betrifft die Frage der Sicherheit bei Transaktionen, die einfache Anwendung und die Plattformunabhängigkeit. Insbesondere in Zeiten niedriger Zinsen geht es auch um die Optimierung von Kosten und Risiko durch Digitalisierung; beispielsweise beim Portfolio Management. Auf Basis von Technologien wie IoT, Big Data oder KI werden Lösungen entstehen, die einerseits voll automatisiert laufen und gleichzeitig eine starke Individualisierung von Geschäftsprozessen erlauben. Banken und Versicherungen werden auf Basis der ihnen zur Verfügung stehenden Daten neue digitale Produkte generieren. Ein Beispiel dafür kann in Zukunft das Thema der dynamischen Anpassung oder der einfache Wechsel von Versicherungspolicen sein: sekundenschnell, an das Profil des Versicherungsnehmers angepasst und ohne Beteiligung eines Mitarbeiters der Versicherung.



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