CIO-Interview 29.07.2019, 14:30 Uhr

«Für Manor ist die IT das Rückgrat»

Seit über 20 Jahren ist Markus Guggenbühler mit der IT von Manor verbunden. Wie er im Interview sagt, ist IT ein wichtiges Rückgrat der Warenhäuser. Nun wird sie erneuert.
Markus Guggenbühler leitet seit Anfang 2015 die IT von Manor
(Quelle: Samuel Trümpy)
Die IT des Warenhausbetreibers Manor ist eng verbunden mit der Person Markus Guggenbühler. Er ist seit über 20 Jahren in der Abteilung tätig. Anfangs programmierte er die Warenwirtschafts-Software mit. Seit vier Jahren ist er mit der Ablösung der Eigenentwicklung beschäftigt. Im Interview mit Computerworld betont Guggenbühler die grosse Bedeutung der IT für das Retail-Geschäft. Und er erklärt, wie er die Computersysteme neu aufstellt in Zeiten der Digitalisierung, des globalen Online-Handels und der kassenlosen Ladengeschäfte.
Computerworld: Seit Kurzem experimentiert Manor mit digitalen Technologien im neuen Warenhaus in Bern. Können Sie Details zur IT hinter dem Pilot schildern?
Markus Guggenbühler: Prinzipiell haben wir in Bern die gleiche Infrastruktur wie in jedem Warenhaus verbaut. Zu unserer Überraschung wurden wir in Bern durch das Erschliessen mit Kupferleitungen ins Haus etwas limitiert. Dennoch konnten wir die geplanten Systeme alle aufbauen.
Erstens waren das die neuen Kassen, mit denen wir in Bern gleich gestartet sind. In den anderen Häusern ist der Rollout aber mittlerweile auch abgeschlossen. Daneben haben wir in Bern gemeinsam mit einem Partner eine grös­sere Digital-Signage-Installation realisiert für den Sephora-Verkaufsbereich. Weiter gibt es ein paar spezielle Features wie zum Beispiel in der Spielwarenabteilung, einen interaktiven Fussboden: Beim Überqueren hört man das Wasser plätschern und die virtuellen Fische schwimmen aus­einander. Diese Installationen hat der Ladenbau selbstständig realisiert, inklusive der zugehörigen IT. Der Aquarium-Rechner steht entsprechend in Bern und nicht wie unsere anderen Systeme in Basel.
CW: Konnten Sie tatsächlich alle Vorhaben umsetzen?
Guggenbühler: Nicht ganz. Ursprünglich geplant war es, noch zusätzliche Bildschirme in den Arkaden und Schaufenstern zu installieren, um beispielsweise den E-Shop zu präsentieren. Hier waren uns einerseits die lokalen Vorschriften im Weg und andererseits auch unsere eigene Technik, die zu dem Zeitpunkt noch nicht bereit war für eine grossflächige Präsentation.
Ausserdem hatte ich persönlich geplant, die Kunden via «Location Based Marketing», konkret via App mit Beacons, im Haus auf spezielle Verkaufsaktionen hinzuweisen. Auch dieses Projekt musste ich zumindest für die Eröffnung auf Eis legen, weil die Vorlaufzeit nicht ausreichte. Denn für den kompletten Umbau hatten wir kaum fünf Monate Zeit.
CW: Wie viel Warenhaus funktioniert ohne IT?
Guggenbühler: Streng genommen könnten die Kollegen das Haus öffnen und gleich wieder schliessen. Zwar arbeiten die Kassenfunktionen grösstenteils ohne Netz, aber die Mitarbeiter können keine Bestellung mehr platzieren und erhalten auch keine Warenlieferungen. Ohne Online-Verbindung ist zudem die Validierung von Kreditkartenzahlungen problematisch. Womöglich würde das Geschäft ein bis zwei Tage laufen, bis es dann Engpässe geben würde.
Der Online-Shop funktioniert schon nach zwei Minuten nicht mehr ohne die IT. Auch die Supply Chain hat einen sehr hohen Automatisierungsgrad dank IT. Insgesamt ist sie schon das Rückgrat von Manor.
Zur Person
Markus Guggenbühler
leitet seit Anfang 2015 die IT von Manor. In gleicher Position war er zuvor sieben Jahre bei der Valora Gruppe beschäftigt. Guggenbühlers berufliche Wurzeln liegen aber bei Manor, wo er zwischen 1992 und 2008 als Head Supply Chain Systems tätig war. Seine Karriere lancierte er 1990 als IT-Analyst bei Faxion Oeschger. Guggenbühler hat an der Hochschule St. Gallen Betriebswirtschaft und Management studiert.

Manors IT: So ist sie organisiert

CW: Wie ist die IT von Manor organisiert? Welche Systeme betreiben Sie?
Guggenbühler: Manor betreibt am Hauptsitz an der Basler Rebgasse ein Rechenzentrum, das allerdings stetig schrumpft. Als ich vor über 25 Jahren bei Manor startete, waren die Server noch über mehrere Räume verteilt, die von Dutzenden Personen gewartet wurden. Heute stehen dort im Untergeschoss noch ein paar wenige Rechner und Storage-Systeme, die alle aus der Ferne überwacht werden.
Eine identische Infrastruktur existiert in gemieteten Räumen der Industriellen Werke Basel IWB auf dem anderen Rheinufer. So können wir einen unterbrechungsfreien Betrieb sicherstellen. Die Lösung stammt allerdings aus Zeiten, in denen die Netzwerkkommunikation über grös­sere Distanzen noch eine Herausforderung war. Im Sinne der Ausfallsicherheit und Risikominimierung sollte die Backup-Infrastruktur nicht in Basel stehen. Zum Beispiel haben wir eine Verteilzentrale in Hochdorf, die für die Auslagerung ideal wäre. Der Entscheid über den Umzug fällt aber erst nach Abschluss unserer Grossprojekte – wenn wir letztendlich wissen, was wir überhaupt noch inhouse betreiben und was aus der Cloud bezogen wird.
Schon in die Cloud ausgelagert sind die Bezahlsysteme, die Bürokommunikation und das CRM. An die Lösungen sind alle Häuser, Kassen und Terminals angeschlossen. Die Daten liegen bei Microsoft in Amsterdam und Dublin. Trotz Bedenken wegen der Latenzzeit gibt es keine Probleme.
CW: Hierzu eine kurze Zwischenfrage. Microsoft kommt mit Cloud-Services in die Schweiz. Will Manor ins Inland wechseln?
Guggenbühler: Wir haben den Datenstandort in der EU schon lange vor Microsofts Ankündigung der Schweizer Cloud diskutiert, als es noch keine Infrastruktur hierzulande gab. Nun sehen wir uns die neuen Angebote genau an, fahren aber vorerst weiter im Projekt. Denn wir sind heute zufrieden mit den Services und planen auch den Go-live des ERP mit den Rechenzentren in Amsterdam und Dublin.
Die personenbezogenen Daten von Manor liegen bis anhin noch auf unseren eigenen Servern. Wenn sich die Angebote in der Schweiz für uns rechnen, kann die Microsoft-Cloud durchaus eine Option sein.
CW: Sie bieten auch eine Manor-Kundenkarte an. Sind diese Daten bei Ihnen im Haus gespeichert?
Guggenbühler: Die Verwaltung der Kundendaten hatten wir an unsere frühere Tochtergesellschaft Accarda ausgelagert. Sie wurde im Herbst vergangenen Jahres von der Kreditkartenfirma Aduno übernommen, die nun auch die Kundendaten verwaltet.
Zur Firma
Manor Gruppe
ist mit einem geschätzten Marktanteil von rund 60 Prozent grösster Warenhausbetreiber der Schweiz. Zum Unternehmen gehören 61 Warenhäuser, 31 Lebensmittel-Supermärkte, 29 Restaurants und 31 wei­tere Verkaufsstandorte.
Im Online-Shop listet Manor über 170 000 Artikel. Das Portal bietet zudem einen Foto- sowie einen Geschenk- und Hochzeitsservice. Die Gruppe mit rund 9750 Mitarbeitern ist im Besitz der Genfer Maus Frères Holding.

So wechselt das ERP in die Cloud

CW: Nun steht der Wechsel des ERP in die Cloud an.
Guggenbühler: Genau. Lassen Sie mich aber etwas aus­holen. Ziel des Programms «Omnia» war ursprünglich nur die Ablösung des Warenwirtschaftssystems. Dieses Projekt hat mich so sehr gereizt, dass ich zurück zu Manor gewechselt bin. Ich konnte ein System stilllegen, an dem ich als Junior vor 25 Jahren selbst mitprogrammiert habe.
Die Software ist eine Eigenentwicklung als Oracle-Applikationen und -Datenbanken auf Basis des früheren DEC-Betriebssystems VMS. Für beides ist es je länger, je mehr schwierig, Personal zu bekommen. Auch hat vor 25 Jahren noch kaum jemand von Omnichannel und Web-Shops gesprochen. Entsprechend schwierig war es, die neuen Vertriebskanäle und Funktionen in der Software abzubilden.
Beispiele sind das Kampagnenmanagement oder eine Verkaufsaktion wie der «Black Friday»: Heute müssen die Rabatte einerseits im Warenwirtschaftssystem und andererseits auf den Kassen eingepflegt werden. Diese Doppelspurigkeit erfordert einen grossen Koordinations­aufwand und ist fehleranfällig. Für die neue Lösung ist es unser Ziel, dass der Kunde über alle Kanäle hinweg die gleichen Rabatte bekommt.
“Die ERP-Migration ist das grösste IT-Projekt bei Manor seit 25 Jahren„
Markus Guggenbühler
CW: Welche alternativen Warenwirtschaftssysteme haben Sie evaluiert? Und: Warum wählten Sie Microsoft?
Guggenbühler: Wir sind mit ungefähr zehn Anbietern in die Evaluation gestartet. Davon mussten wir einige aufgrund ihrer Spezialisierung aussortieren. Denn wir wollten weder ein ERP für das Fashion-Geschäft, noch für Lebensmittel. Übrig blieben Oracle, SAP und Microsoft.
Ein Projekt mit SAP wäre wahrscheinlich risikoärmer gewesen, weil die Software bei allen grossen Retailern im Schweizer Markt schon im Einsatz steht. Unser Entscheid für Microsoft fiel aufgrund unserer Überzeugung, dass wir die modernere Umgebung bekommen, die über alle Module hinweg eine einheitliche Oberfläche besitzt und sich ausserdem sowohl stationär als auch mobil verwenden lässt. Zusätzlich profitieren wir von den Investitionen des Herstellers speziell im Retail-Markt. Uns hilft dabei, dass wir Microsofts weltweit grösstes Retail-Projekt sind, womit wir direkte Ansprechpartner im Produktteam in Seattle haben. Sie sind auch am Wochenende für uns erreichbar.
In der Mitarbeiterschulung zeigt sich nun, dass die moderne Bedienoberfläche die Nutzung sehr vereinfacht. Von den Anwendern kommen Rückmeldungen, dass sie die Software ähnlich intuitiv wie Office oder auch Programme aus dem Privatbereich bedienen können, was das Einarbeiten natürlich sehr vereinfacht.
CW: Welchen Einfluss hatte der Preis auf den Entscheid?
Guggenbühler: Erstaunlicherweise gab es beim Preis keinen bedeutenden Unterschied. Allerdings haben sich die Anbieter in der entscheidenden Phase sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Denn es handelte sich schon um ein Prestigeprojekt, ist doch Manor der letzte grosse Retailer in der Schweiz, der das zentrale Warenwirtschaftssystem ablöst.

Verzögerungen waren unumgänglich

CW: Wir haben am Rande eines CIO-Anlasses vor gut einem Jahr schon einmal gesprochen. Damals wollten Sie das Projekt zum Jahresende abschliessen – und dann darüber berichten. Nun sind Sie noch immer im Abschluss. Woher kommt die Verzögerung?
Für Markus Guggenbühler gehört der CIO zwingend in die Geschäftsleitung
Quelle: Samuel Trümpy
Guggenbühler
: Im November 2018 haben wir entschieden, dass wir anstatt im Februar erst Ende Juni 2019 die Migration starten. Dafür gab es zwei Gründe: Wir waren technisch noch nicht an dem Punkt, an dem wir sein wollten. Ausserdem hatten wir gerade erst die Kassensysteme umgestellt. In den Häusern war bis kurz vor dem Jahresendgeschäft die Ausbildung an den Kassen und die Gewöhnung an neue Abläufe ein grosses Thema, das die Organisation auch belastet hat. Wenn wir jetzt gleich nach dem Weihnachts­geschäft im neuen Jahr das ERP eingeführt hätten, wäre es zu viel geworden für die Kollegen an der Kundenfront.
Ehrlich gesagt war die Verschiebung für mich auch eine neue Erfahrung. Generell kenne ich nur wenige Verzögerungen – wenn überhaupt aufgrund der Technik. In diesem Fall waren nun Business-Überlegungen der Grund.
Letztendlich hat sich die Verschiebung aber als vorteilhaft erwiesen, denn wir gehen mit einer viel besseren Lösung live. Die schon ausgebildeten Trainer haben ihr Curriculum nochmals aktualisiert, sodass die Mitarbeiter in den Häusern nun besser geschult werden können.
CW: Von welchem Projektumfang sprechen Sie bei Omnia?
Guggenbühler: Wie vorhin erwähnt ging es bei Omnia anfangs ausschliesslich um die Ablösung des Warenwirtschaftssystems. Im Laufe der Zeit kam die Einführung des CRMs hinzu, um den Markt besser bearbeiten zu können. Die Software ist mittlerweile live. Auf dem CRM basiert heute auch die Manor-Kundenkarte, was zu Beginn auch nicht geplant war. Drittens haben wir bei der Evaluation der ERP-Software realisiert, dass wir mit den bestehenden Kassensystemen nicht den gewünschten Funktionsumfang abdecken können. Für die Kassenlösung hatten wir eine Tochterfirma in Österreich, die wir letztendlich an den neuen Lieferanten verkauft haben. TCPOS produzierte anschliessend die Systeme für die neuen Manor-Kassen. Sie sind wie erwähnt mittlerweile ebenfalls ausgerollt.
Diese «Vorprojekte» und die letztendliche ERP-Einführung jetzt im Sommer sind zusammen das grösste IT-Projekt bei Manor seit sicherlich 25 Jahren. Damals war allenfalls der Aufbau des Rechenzentrums noch grösser (und teurer), was aber viel mit den früher viel höheren Preisen von Hard- und Software zu tun hat. Und auch für Manor insgesamt ist Omnia ein Grossprojekt, wenn wir mal von der Eröffnung neuer Häuser oder Shoppingcenter absehen.
CW: Wie viele Mitarbeiter sind mit Omnia beschäftigt?
Guggenbühler: Heute sind hier am Hauptsitz in Basel rund 110 Manor-Kollegen in das Projekt involviert. Schon jetzt ist geplant, ihre Zahl nach Abschluss auf 85 bis 90 zu reduzieren – hauptsächlich durch Pensionierung und natür­liche Fluktuation. Die zehn Personen in Zagreb, die sich heute um das alte Warenwirtschaftssystem kümmern, sollen auch das neue ERP warten. Sie bleiben uns erhalten.
Hinzu kommen ca. 25 Leute unseres Implementierungspartners BE-terna, die entweder am Hauptsitz in Leipzig – quasi Nearshore – oder bei uns in Basel am neuen System arbeiten. Weitere 10 Personen des Partners Defacto kümmern sich um die Einbindung des CRM. Über die Anzahl der Kollegen von TCPOS, die das neue Kassensystem nun mit dem neuen ERP verknüpfen, kann ich keine Aussage machen. Geschätzt nochmal 20 Leute unterstützen uns beim Aufbauen von Schnittstellen zum Beispiel zu Microsoft Biz-Talk, den Kommunikationssystemen und den Mobile Devices. Einige davon sind auch externe Projektleiter, die unsere internen Mitarbeiter unterstützen.

Neuorganisation der IT bei Manor

CW: Sehen wir hier schon die zukünftige IT-Organisation von Manor? Oder haben Sie andere Pläne?
Guggenbühler: Per Anfang Mai dieses Jahres hat sich die IT von Manor neu aufgestellt. Sie ist in drei Bereiche ein­geteilt, die von Business Engagement Managern geführt werden. Die treten als Account Manager gegenüber dem Business auf, holen Anforderungen ab, definieren die Roadmap und initiieren Projekte.
Der erste Bereich fokussiert auf den Kunden. Die Kollegen unterscheiden nicht mehr zwischen den Offline- oder Online-Kunden. Der Business Engagement Manager ist beispielsweise für einen einheitlichen Bezahlprozess verantwortlich, sei es im Warenhaus oder auch im Online-Shop. Die zugehörigen Systeme betreut er mit seinem Team, genau wie die Funktionen für Bonifizierung und Rabatte.
Der Business Engagement Manager Merchandising verantwortet das Backend. In seine Zuständigkeit fallen beispielsweise der Einkauf, die Logistik, die Stammdaten­verwaltung – also alle internen Prozesse bei Manor.
Der dritte Business Engagement Manager ist zuständig für die Support-Prozesse. Seine Themen sind die Office-Automatisierung inklusive BI sowie der SharePoint-Betrieb.
“Im Sinne der Digitalisierung ist der IT-Leiter in der Geschäftsleitung essenziell„
Markus Guggenbühler
CW: Sie bleiben aber der CIO von Manor?
Guggenbühler: Ja, soweit ich weiss. [lacht]
CW: Sind Sie Mitglied der Geschäftsleitung von Manor?
Guggenbühler: Ja. Ich bin als Geschäftsleitungsmitglied verantwortlich für IT und Supply Chain. Diese Kombination erachte ich in Zeiten von Omnichannel und einem wachsenden Online-Geschäft auch als sinnvoll. Denn das moderne Retail-Geschäft hat immer mit IT und auch immer mit Supply Chain zu tun.
Wenn wir heute über die Digitalisierung reden, sehe ich es als essenziell an, den IT-Leiter in der Geschäftsleitung zu haben. Wenn die IT im Finanzbereich angesiedelt ist, habe ich nur die eine Erklärung: Diese Struktur ist historisch gewachsen, weil die IT zuerst in den Finanzabteilungen eine Anwendung fand. Zuerst wurde die Buchhaltung mit Computern automatisiert.
Wer heute die IT im schlimmsten Fall nicht in der Geschäftsleitung will, muss sich sehr genau überlegen, wie er sonst die Kunden – seien es Unternehmen oder Konsumenten – erreichen will. Er könnte dann die IT dem Marketing anhängen, was aber auch ein Fehler wäre, denn alle anderen Abteilungen benötigen genauso IT.

Aktuelle Herausforderungen für die Manor-IT

CW: Wo sehen Sie aktuell die grösste Herausforderung für die IT von Manor?
Guggenbühler: Kurzfristig ist die grösste Herausforderung, das Omnia-Projekt sauber abzuschliessen. Es ist ja mit dem Umschalten Ende Juni nicht getan, sondern erst nach der Stabilisierungsphase, die weitere drei Monate dauern wird.
Anschliessend gilt es, das Potenzial der neuen Plattform wirklich auszuschöpfen. Manor soll und will zu einem wirklichen Omnichannel-Konzern werden mithilfe der Software-Plattform. Im ERP lässt sich abbilden, dass Kunden ein Produkt an einem Ort bestellen, es an einem anderen Ort abholen und bei Nichtgefallen an einem dritten Ort zurückgeben. Ausserdem werden mobile Kassen unterstützt, mit denen die Berater im Warenhaus den Kunden den Einkauf vereinfachen können – wenn sie zum Beispiel nicht mehr zum Bezahlen an einen anderen Ort gehen müssen. Der persönliche Einkaufsbegleiter wäre hier ein Stichwort. Diese Prozesse müssen erst in der Software implementiert und anschliessend auf die Fläche gebracht werden.
CIO Markus Guggenbühler führt bei Manor ein Microsoft-ERP aus der Cloud ein
Quelle: Samuel Trümpy
CW: Im neuen Warenhaus in Bern haben Sie solche Ideen doch schon verwirklicht.
Guggenbühler: Ich würde die Systeme in Bern eher einen Proof of Concept nennen. Dort können die Berater mit Tablets den Kunden auch Ware anbieten, die nicht im Haus verfügbar ist – auch wenn der Kunde niemals online bestellen würde. Er kann die Produkte dann am Tablet auswählen und sie in das Haus in Bern zum Abholen oder natürlich nach Hause liefern lassen.
Hier sehe ich Manor klar im Vorteil verglichen mit Digitec, Galaxus oder Amazon. Denn die reinen Online-Player haben kein Ladengeschäft, in dem sie die Konsumenten vor Ort beraten können. In Zukunft wird Manor dieses Alleinstellungsmerkmal noch viel stärker ausspielen.
CW: Wie viel Prozent seines Umsatzes generiert Manor heute online?
Guggenbühler: Über den Umsatzanteil kann ich keine Aussage machen, da wir als privates Unternehmen keine solchen Zahlen veröffent­lichen. Allerdings haben wir derzeit weniger als die Hälfte des Sortiments im Online-Shop. Nach der Umstellung wird die Auswahl dann schnell grösser, wobei die Lebensmittel und einige Fashion-Artikel vorläufig noch fehlen werden.
Im Rahmen eines Pilots im Warenhaus in Baden konnten wir testen, wie gut die Tablet-Bestellungen vor Ort funktionieren. Die Konsumenten konnten dort im Haus nicht verfügbare Ware online bestellen – beispielsweise eine Hose in einer anderen Farbe oder Grösse. Hier zeigte sich in der regionalen Auswertung der Verkaufszahlen nach einigen Monaten tatsächlich ein leichtes Umsatzplus.
CW: Wenn Omnia abgeschlossen ist: Ist Manor dann IT-technisch besser aufgestellt als die Konkurrenz? Und: Wo gibts noch Nachholbedarf?
Guggenbühler: Sicher werden einige Kritiker sagen: Manor ist spät dran mit der Umstellung. Wenn sie aber geschafft ist, haben wir eine sehr gute Ausgangslage und einen Vorsprung in gewissen Bereichen. Wir sind auf einer modernen Plattform und das Team ist kundenorientiert auf­gestellt. Wir sind dann wesentlich besser positioniert, um agil neue Themen auf die Verkaufsflächen bringen zu können – sei es offline oder online. Ich sehe Manor auch besser aufgestellt als den einen oder anderen Wettbewerber.
Noch viel ungenutztes Potenzial haben wir bei den Daten. Wir hatten in der Vergangenheit mehrere heterogene Systeme, die nun auf einer Plattform zusammengeführt werden. Somit können wir zukünftig die Warenströme besser kanalisieren und dem Konsumenten mehr passende Produkte präsentieren. Aus der Analytics können und werden wir in Zukunft allerdings noch viel mehr machen.

Keine IT ohne interne Mitarbeiter vorstellbar

CW: Wenn Sie das Outsourcing auf die Spitze treiben: Können Sie sich eine IT vorstellen, die nur noch aus einem Juristen besteht, der SLAs aushandelt?
Guggenbühler: Ein klares Nein! Aus meiner Sicht hat die IT eines Unternehmens wie Manor generell zwei Aufgaben: erstens den Betrieb und zweitens Innovation sowie Projekte. Für den Betrieb – auch in der Cloud – finde ich pro­blemlos geeignete Partner. Dennoch sind interne Mitarbeiter notwendig, um die Anforderungen aus dem Business abzuholen, die Partner sowie Lieferanten zu steuern und Projekte zu koordinieren. Diese Aufgaben müssen nicht mehr wie früher vielleicht 80 Prozent der IT beschäftigen, aber sicher immer noch rund 50 Prozent. Die anderen 50 Prozent der IT-Mitarbeiter müssen Projekte bearbeiten, die das spezifische Business von Manor befördern.
Manors Markus Guggenbühler kann sich trotz Cloud keine IT ohne Mitarbeiter vorstellen
Quelle: Samuel Trümpy
CW: Aus der Business-Perspektive gefragt: Können Sie sich ein Warenhaus ohne Personal vorstellen? Allenfalls nach dem Vorbild der Avec Box.
Guggenbühler: Grundsätzlich finde ich die Avec Box eine gute und mutige Initiative von Valora, die dem Retail-Markt in der Schweiz neue Impulse gibt. Anhand solcher Beispiele können auch alle anderen Marktteilnehmer lernen, wie diese neuen Konzepte funktionieren.
Allerdings kann ich mir ein ganzes Manor-Warenhaus komplett ohne Personal nicht vorstellen. Im kleineren Stil beispielsweise mit einem eingeschränkten Food-Sortiment könnte ein Projekt aber funktionieren. Aber schon zum Beispiel der Textilbereich ist ungeeignet: Die Kunden bei der Bekleidungsauswahl allein zu lassen, empfinde ich als eine vergebene Chance für Manor.
CW: Wenn Geld keine Rolle spielen würde. Was würden Sie am liebsten sofort abschalten?
Guggenbühler: Die IT von Manor betreibt noch ein «Universum» an Altsystemen, die ich wirklich gerne abschalten würde. Da wir den Kern bald erneuert haben, stehen nun diese Applikationen im Fokus meiner Bemühungen. Ein Beispiel ist das PMS-System, das Kreditkarten- und andere Zahlungen abwickelt. Die Funktionen können jetzt von der neuen Bezahlplattform übernommen werden. Ein anderer Fall ist eine eigene Lösung für die Stammdatenerfassung auf der Online-Plattform. Hier sind einige Spezialfälle implementiert, die wir vereinheitlichen können, sodass die separate Plattform obsolet wird.
CW: Was bedeutet für Sie die digitale Transformation?
Guggenbühler: Die digitale Transformation ist zurzeit ein grosses Schlagwort – das oft auch etwas zu allgemein verwendet wird. Die Transformation hat für mich zwei Komponenten: das Digitalisieren der Prozesse in Richtung des Kunden und das Digitalisieren der internen Prozesse.
Aufgrund dieser Definition lässt sich festhalten, dass die Digitalisierung schon immer das Kernthema der IT war. Die Herausforderung ist es heute, für den spezifischen Einsatzfall – wie im Warenhaus – die adäquaten Prozesse konkret zu identifizieren, sie umzusetzen und sie auch auf die Fläche, sprich an den Kunden, zu bringen. Für diese Fragestellung kann die IT überall wichtige Impulse geben.



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