Digital Officer 15.06.2018, 09:35 Uhr

«Das Management muss die Digitalisierung vorleben»

Möbel Pfister hat sich vor etwa zwei Jahren einen Chef-Digitalisierer ins Haus geholt. Marcel Schaniel sagt im Gespräch, wie er die Digitalisierung des Traditionskonzerns angegangen ist.
Marcel Schaniel amtet seit mehr als zwei Jahren als Chef-Digitalisierer von Möbel Pfister
(Quelle: Samuel Trümpy)
Der Handel ist durch die Digitalisierung stark im Umbruch. Möbel Pfister hat die künftigen Herausforderungen früh erkannt und schon vor rund zwei Jahren einen Digital-Chef eingestellt. Marcel Schaniel ist seitdem Leiter Digital Business & Corporate Development. Im Interview berichtet er von seinen ersten Schritten, den überwundenen Widerständen und den Erfolgen beim Digitalisieren des Traditionsunternehmens.
Computerworld: Welchen Hintergrund hatte die Rekrutierung eines Digital Officers bei Möbel Pfister vor zwei Jahren?
Marcel Schaniel: Matthias Baumann – CEO von Möbel Pfister – und ich kennen uns von früheren Projekten. Da Baumann bei Möbel Pfister keine isolierte Online-Einheit haben wollte, sondern sich die Integration wünschte, kam er zum Schluss, dass es ein Thema auf Stufe Geschäftsleitung braucht. Er schuf einen neuen Verantwortungsbereich (und nicht nur eine Stabsstelle). So sollten auch die übrigen Geschäfts­leitungsmitglieder – die eher Digital Immigrants sind – besser in den Transformations­prozess
involviert werden. Das Management muss die Digitalisierung vorleben und sie nicht nur von den Mitarbeitern verlangen – Führung durch Vorbild.
Aus meiner Perspektive kann ich ergänzen: Wenn der Digital Officer nicht eine Position auf Geschäftsleitungsebene gewesen wäre, hätte ich dankend abgelehnt. Ich bin zu lange im Geschäft, um zu wissen, dass gewisse Themen durchaus Bottom-up entstehen können. Die Digitalisierung benötigt allerdings einen Top-down-Approach und muss in der Unternehmenskultur verankert werden.
CW: Heute sind Sie Mitglied der Geschäftsleitung und führen sicherlich ein Team. Wie ist Ihre Geschäftseinheit aufgestellt?
Schaniel: Ich führe tatsächlich mehrere Teams. Aber lassen Sie mich etwas ausholen. Möbel Pfister hat eine lange Outsourcing-Tradition. Schon im Jahr 1998 wurde damit begonnen, IT-Dienstleistungen auszulagern. Der Online-Shop war noch nicht dabei, denn es gab ihn noch nicht. Aber die wesentlichen Teile der IT waren outgesourct. Als ich im November 2015 in das Unternehmen eintrat, gab es nur eine Kern-IT, die sich um Projekte und das Service Level Management kümmerte. Weiter hatte das Marketing eine relativ unabhängige Einheit für das E-Commerce, die den Shop aufgebaut hat. Den dritten Bereich, das Corporate Development, gab es im eigentlichen Sinne nicht. Mit diesem Thema waren Berater nur punktuell unterwegs. Die vierte Sparte, die Data Sciences, existierte überhaupt noch nicht.
CW: In dieser Situation sind Sie in das Unternehmen eingetreten?
Schaniel: Zunächst wurde ich als Berater engagiert, um das Unternehmen kennenzulernen. Während eines Jahres habe ich die Situation analysiert und mit vielen Leuten gesprochen. Der Verwaltungsrat, unter anderem Roland Brack und der Präsident Rudolf Obrecht, sowie CEO Matthias Baumann, überzeugten mich, dass es Möbel Pfister mit der Digitalisierung sehr ernst meint. Ich entschied mich, den Posten des Leiters  Digital Business zu übernehmen.
Zur Person
Marcel Schaniel
amtet seit November 2015 als Leiter Digital Business & Corporate Development von Möbel Pfister. Als Mitglied der Geschäftsleitung rap­por­tiert er direkt an CEO Matthias Baumann. Zuvor war Schaniel fast seit der Jahrtausendwende in verschiedenen leitenden Positionen beim Migros-Genossenschafts-Bund tätig, wo er unter anderem die Datenanalytik, die E-Commerce-Systeme sowie die Webauftritte aufgebaut hat.

Auf neuem Posten

CW: Welches waren Ihre ersten Schritte auf dem neuen Posten?
Quelle: Samuel Trümpy
Schaniel
: Zuerst ging es darum, Awareness zu schaffen für die neue Einheit. Die Reorganisation wurde Top-down angegangen, was zu Irritationen hätte führen können. Die Ansiedlung des Digital Officers als weiteres Mitglied in der Geschäftsleitung war zudem erklärungsbedürftig. Ich habe erläutert, was die Aufgaben der neuen Einheit sind, welchen Beitrag sie zur «Pfister Cross-Channel Strategie 2020» leistet und welche Ziele verfolgt werden.
Zusätzlich musste ich noch neue Mitarbeiter einstellen. Auch heute sind wir immer noch auf der Suche nach Fachleuten. Es ist eine He­rausforderung für alle Retailer, Spezialisten zu bekommen. Wir arbeiten zwar an sehr spannenden Projekten, die jedoch nur selten wirklich sichtbar werden. Doch die Aufgaben sind vielfältig und auch hochattraktiv.
Eine dritte Aufgabe war die Abstimmung mit dem Management. Hier musste definiert werden, welche Aufgaben ich mit meiner Mannschaft für die anderen Abteilungen übernehmen kann und welche sie mit uns zusammen angehen. Auch wurde bestimmt, welche guten Lösungen schon existieren, die allenfalls gestärkt werden sollten. Und von welchen Anwendungen wir uns verabschieden müssen.
“Digitalisierung muss in der Unternehmenskultur verankert werden„
Marcel Schaniel, Möbel Pfister
CW: Welche Aufgaben haben Sie den Geschäftsleitungskollegen abgenommen?
Schaniel: Früher haben die Geschäftseinheiten die Konzeptarbeiten selbst erledigen müssen. Diese Aufgabe haben wir ihnen praktisch zu 100 Prozent abgenommen. Die Build-Prozesse leisten wir heute ebenfalls selbstständig, das Testing auch. Hier hat es sich mittlerweile herausgestellt, dass das Testing nahe beim Business besser ist. Bei der Weiterentwicklung einer über 130-jährigen Firma klappt jedoch nicht immer alles so, wie man sich das vorstellt. Den Prozess überarbeiten wir gerade.
Neu eingeführt haben wir ausserdem ein Schulungskonzept, das über eine Mausklick­anleitung hinausgeht. Geschult werden nun nicht mehr einzelne Abläufe, sondern Prozesse.
Verabschiedet haben wir uns ausserdem vom Abarbeiten einzelner Requirements, die bis dahin aus dem Business kamen. Stattdessen wurden gemeinsam mit der Geschäftsleitung fünf End-to-End-Prozesse definiert. Alle Requirements, die nicht in diese Prozesse passten, wurden verworfen. Das hat nicht nur Freude be­reitet. Umso grösser war die Zufriedenheit, wenn die anderen Requirements tatsächlich auch um­gesetzt wurden. Dank dieser Massnahmen ist die Maschine dann langsam angelaufen.
CW: Läuft die Maschine mittlerweile?
Schaniel: [schmunzelt] Die Maschine läuft schon ganz ordentlich. Denn jenseits der digitalen Kanäle haben wir auch noch ein sehr stabiles stationäres Geschäft, das sowieso gut läuft. Und das trotz eines nicht sehr freund­lichen Marktumfelds, in dem wir uns gut behaupten. Nun geht es darum, unsere Chancen auch im Cross-Channel optimal zu nutzen.

Pfister-Weg Cross-Channel

CW: Cross-Channel ist der Pfister-Weg. Ist das in den angesprochenen fünf End-to-End-Prozessen abgebildet?
Schaniel: Ja, selbstverständlich. Zum Beispiel geht es bei den End-to-End-Prozessen um die Kundenansprache: von der Unterschrift unter dem Kaufvertrag über die Bestellung in der
Fabrik bis hin zu Pre- und Post-Sales. Wenn der Kunde zwischendrin ein alternatives Liefer­datum wünscht, gibt es meistens kein Problem. Fragt er aber eine andere Farbe an, ist meistens schon eine Abklärung erforderlich. Ein anderer End-to-End-Prozess ist die Beschaffung: von der Auswahl und Bestellung der Rohstoffe über die Lieferung und Lagerung bis hin zur Verteilung in die Produktionsstätten.
Quelle: Samuel Trümpy


CW: Wie haben Sie einen solchen End-to-End-Prozess – von der Kundenunterschrift bis zum Aufstellen der Möbelstücke beim Kunden zu Hause – digitalisiert?
Schaniel: Diese Prozesse existierten ja bisher auch schon – und sie funktionierten. Es stellten sich vielmehr die Fragen, wie formalisiert und effizient die Abläufe waren, wie viele Medienbrüche es gab und wie viele Systeme involviert waren. Unser Bestreben war und ist es, diese Prozesse nun Schritt für Schritt in durchgängige Datenflüsse zu überführen. Eine menschliche Interaktion in diesen Prozessen soll nicht mehr die Regel sein, sondern die Ausnahme.
CW: Was sagen Sie zu der These: Kunden bestellen Ware einfacher und schneller im Online-Shop als der Mitarbeiter in der Filiale.
Schaniel: An dieser Herausforderung arbeiten wir derzeit mit Hochdruck. In der Pfister-Filiale hier am Hauptsitz in Suhr haben wir die Angestellten bereits mit Tablets aus­gerüstet. Mit den Geräten haben sie den gleich hohen Benutzerkomfort wie die Kunden im Online-Shop. In anderen Filialen sind wir noch nicht ganz so weit. Ein Grund sind die erwähnten Medienbrüche, die wir bis anhin im Verkauf noch nicht vollständig eliminieren konnten.
CW: Können Sie den Konsumenten heute schon ohne Medienbruch bedienen?
Schaniel: Ja. Wenn der Kunde Inhaber einer «myPfister Card» ist und sich damit in unserem Online-Shop anmeldet, können wir ihn anschlies­send auch in der Filiale mit der «myPfister Card» weiterbedienen. Diesen Service muss der Kunde allerdings explizit wünschen. Beim Bearbeiten eines online vorbereiteten Kundenauftrags ist der Rollout demnächst komplett, sodass dann alle unsere 20 Filialen in der ganzen Schweiz damit arbeiten können.
Das gilt nicht nur für Bestellungen, sondern beispielsweise auch für Anfragen oder Reklamationen der Kunden. Sind die Mitarbeiter vorab über den Status einer Bestellung informiert, wenn ein Kunde nachfragt, können sie  einen besseren Service bieten.
“Möbel Pfister meint es mit der Digitalisierung sehr ernst„
Marcel Schaniel, Möbel Pfister
CW: Ist das grossflächige Outsourcing ein Grund für die vielen Medienbrüche?
Schaniel: Nein, überhaupt nicht. Die Gründe sind einerseits der grosse Applikations-Mix im Backend. Andererseits ist es die Unfähigkeit der Schweiz, endlich eine rechtsgültige digitale Unterschrift einzuführen. Weil dies vor Jahrzehnten versäumt wurde, sind die Kunden immer noch das Papier gewöhnt. Wer ein Sofa mit senfgelbem Lederbezug für 12'000 Franken bestellt, will Sicherheit. Die vermittelt ein aus­gedruckter und unterschriebener Kaufvertrag. Für uns ebenfalls, wenn wir ein senfgelbes Ledersofa produzieren sollen. So benötigen einige Geschäftsabläufe immer noch eine eigenhändige Unterschrift auf einem Blatt Papier.
CW: Ich stelle es mir noch schwierig vor, mit einer ausgelagerten IT neue Digitalisierungsprojekte zu realisieren.
Schaniel: Heute ist die Entwicklung ausgelagert. Aber das wird sich ändern. Es wurden Geldmittel gesprochen, mit denen wir eine eigene Entwicklungsabteilung aufbauen können. Die Java-Programmierung des Online-Shops soll in Zukunft zu 50 Prozent bei uns im Haus passieren. Aber nicht nur im Haus in Suhr, sondern auch in Coworking Spaces. So muss beispielsweise ein Programmierer aus Zürich nicht un­bedingt täglich nach Suhr pendeln. Wir befür­worten Coworking Spaces. Die Leute liefern eine sehr gute Performance. Das mag an dem kompetitiven Umfeld liegen, in dem an diesen Orten gearbeitet wird. Werkzeuge wie Codeshare-Plattformen erlauben zudem den direkten Vergleich mit den Leistungen des Tischnachbarn.

Die Rolle der Programmierer

CW: Welche Aufgaben haben Sie für die künftigen Programmierer bei Pfister?
Schaniel: Heute entwickeln drei Programmierteams mit der Scrum-Methode die Website weiter. Alle sind extern. Bis Ende Jahr soll ein viertes Pfister-internes Team hinzukommen. Dafür suchen wir zunächst einmal drei Backend-Entwickler, einen Frontend-Entwickler, einen UX-Designer und einen Tester. Das wäre das erste Team. Je nach Projektgrösse benötigen wir zwischen drei und fünf Teams.
Quelle: Samuel Trümpy
CW: Planen Sie weitere Veränderungen in der IT-Organisation?
Schaniel: Aktuell ist dies nicht vorgesehen. Rund ein Dutzend IT-Kollegen kümmern sich weiterhin ausschliesslich um das Service Level Management und die Projekte. Hier stimmt das Verhältnis von dem, was wir uns leisten können, und dem, was unsere Organisation an neuen Prozessen aus der IT verarbeiten kann. Denn zu schnell zu viel Veränderung kann eine Unternehmung auch überfordern.
“Medienbrüche konnten wir im Verkauf fast vollständig eliminieren„
Marcel Schaniel, Möbel Pfister
CW: Wenn Sie in allen Filialen Tablets ausrollen: Genügt die IT für diese Aufgabe?
Schaniel: Meine Kollegen hier im Haus ermitteln lediglich, welches Tablet in welcher Kon­figuration zu welchen Konditionen eingekauft wird. Wenn erforderlich, konzipieren sie noch die Schulungen. Für den tatsächlichen Rollout haben wir unseren IT-Partner [GIA Informatik, Anmerkung der Redaktion]. Sind bei grossen Rollouts auch die Prozesse betroffen, führen wir die neuen Geräte sukzessive ein. An dem jeweiligen Standort haben Mitarbeiter dann während zwei oder drei Tagen einen Support-Ansprechpartner vor Ort. Spannend zu sehen ist, dass die Mitarbeiter im Verkauf auf die digitale Tech­nologie richtiggehend warten. Die Diskussion dreht sich nicht über den Sinn und Zweck der Neueinführung, sondern über die Gründe, warum ein Rayon die neuen Tablets, aber auch andere Technologien wie Smartwatches, schon bekommen hat und sich Mitarbeiter an einem anderen Standort noch gedulden müssen. Solche Gespräche sind dann deutlich entspannter.

Der CDO, ein Job auf Zeit?

CW: Was sagen Sie zu der These: Der Digital Officer ist ein temporäres Phänomen.
Schaniel: Für mich hoffentlich schon! [lacht] Denn irgendwann möchte ich in Pension gehen.
Aber Spass beiseite: Ich glaube, der Job wird noch einige Jahre «Digital Officer» heissen. Anschliessend werden die Aufgaben mit denen des Chief Operating Officers verschmelzen. Denn das ist aktuell meine Tätigkeit.
In vielleicht 20 Jahren wird es keinen Digital Officer mehr brauchen. Es wird jedoch weiterhin eine Führungskraft brauchen, welche die Operational Excellence eines Unternehmens vorantreibt. Und die Operational Excellence ohne die IT ist für mich heute nicht mehr vorstellbar.
Computerworld-Redaktor Mark Schröder (l.) im Gespräch mit Marcel Schaniel von Möbel Pfister
Quelle: Samuel Trümpy
CW: Welche Branchen brauchen einen Digital Officer, welche nicht?
Schaniel: Es fällt mir schwer, eine einzige Branche zu benennen, die keinen dedizierten Digital Officer benötigt. Alle Unternehmen müssen sich heute mit digitaler Technologie und der Operational Excellence beschäftigen. Allenfalls ist dafür in Zukunft aber nicht unbedingt ein eigener Manager erforderlich. Denn viele COOs arbeiten schon jetzt ebenfalls an diesen Themen, einige CFOs auch.
Die CIOs sind meiner Meinung nach nicht für die Position als Digital Officer geeignet. Viele IT-Leiter haben die Mentalität «Never touch a running system». Mit dieser Einstellung sitzen sie dann auch oft nicht in der Geschäftsleitung und haben keine Umsatzverantwortung.
“In vielleicht 20 Jahren wird es keinen Digital Officer mehr brauchen„
Marcel Schaniel, Möbel Pfister
CW: Welche Herausforderungen sehen Sie für die nächsten Jahre?
Schaniel: Möbel Pfister wird sich zum daten­getriebenen Unternehmen weiterentwickeln. Wir haben mit dem Beseitigen der Medien­brüche und dem Automatisieren der Prozesse schon die grundlegenden Voraussetzungen dafür geschaffen. Ausserdem sind neben der traditionellen Marktforschung bei uns mittlerweile auch Data Scientists beschäftigt, die sich ausschliesslich mit der Analyse von Geschäfts­daten befassen. Neu gibt es zudem auch Business Account Manager. Diese Mitarbeiter sind die Schnittstelle zum Geschäft: Sie holen Fragestellungen aus dem Business ab, übersetzen sie für die Data Scientists und transferieren die Ergebnisse der Analysen zurück ins Geschäft. Zusätzlich sollen die Business Account Manager ermitteln, wann eine Ad-hoc-Analyse sinnvoll ist und wo sich allenfalls eine Automatisierung anbietet, damit Abfragen als Self Service programmiert werden können.
Ein Beispiel für einen programmierten Service wäre: Ein Händler kauft 10'000 Artikel ein, die er innerhalb einer Woche absetzen will. Das Shop-System kennt von vergleichbaren Aktionen die typischen Verkaufsraten: Zu Beginn werden X Prozent abgesetzt, im Mittelteil Y Prozent und zum Abschluss nochmals Z Prozent. Um diesen geplanten Abverkauf zu optimieren, programmiert der Händler noch einen variablen Preis: Wird weniger verkauft, sinkt der Preis, wird mehr abgesetzt als geplant, steigt der Preis. Bei Möbel Pfister sehen wir keinen solchen Prozess vor, da die meisten unserer Artikel diesen Automationsgrad kaum benötigen.

Risiken und Chancen in der Möbelbranche

CW: Welche Chancen und Risiken birgt die virtuelle Realität in der Möbelbranche?
Schaniel: Die Augmented und Virtual Reality birgt riesige Chancen für die Einrichtungsbranche. Wir haben schon jetzt diverse Möbelkon­figuratoren auf unserer Website aufgeschaltet. Kunden können sich damit ihre Möbel indivi­duell zusammenzustellen. Eine Herausforderung ist es, die notwendigen 3D-Modelle zu erhalten, zum Beispiel von einem Schreiner oder einem Sattler. Dieser schneidet den Schaumstoff für die Polster kubisch aus und bezieht ihn dann beispielsweise mit Leder. Dabei entsteht ein Radius, der bei keinem Möbelstück exakt gleich ist – und somit schwierig zu dokumentieren. Aus diesem Grund ist es fast unmöglich, für dieses Möbel ein exaktes 3D-Modell zu bauen.
“Möbel Pfister wird sich zum datengetriebenen Unternehmen entwickeln„
Marcel Schaniel, Möbel Pfister
CW: Wo haben Sie Fortschritte erzielt?
Schaniel: Grosse Fortschritte haben wir beim Digitalisieren der Produktkataloge gemacht. In den elektronischen Dokumenten für die Einrichtungsberater sind Logiken für alle möglichen Kombinationen hinterlegt. Nehmen wir zum Beispiel ein Sofa: Wenn der Kunde anstatt der eckigen die runden Füsse wünscht, bekommt der Berater signalisiert, dass bestimmte Konfigurationen in diesem Fall nicht mehr möglich sind – beispielsweise die tiefe Sitzfläche. Diese Logiken wurden den Einrichtungsberatern früher aufwendig in täglichen Schulungen pro Modell vermittelt. Das war eine grosse Herausforderung, da zum Beispiel bei unserem «Classics»-Sofa über eine Million verschiedene Kombi­nationen möglich sind. In den Katalogen sind die Möbelstücke fotorealistisch dargestellt. Der Kunde kann sich am heimischen PC eine Kombination zusammenstellen und sie unter einer sechsstelligen Nummer speichern. Wenn er dann die Filiale besucht, lässt sich anhand der sechs Zahlen das Möbelstück finalisieren und anschliessend bestellen. Der umgekehrte Fall funktioniert selbstverständlich auch: das Produkt in der Filiale zusammenstellen, zu Hause aufrufen und per Mausklick kaufen.
Der nächste Schritt sieht vor, die vom Kunden individuell konfigurierten Möbel in virtuellen Räumen zu platzieren. Der übernächste dann, die Möbel in den Raum des Kunden zu projizieren. Die Herausforderung ist hier anderer Art: Apps mit Augmented Reality kommen bei Männern gut an, bei Frauen jedoch aktuell weniger. Allerdings sind Frauen unsere primäre Zielgruppe. Das heisst, dass wir derzeit an einer Technologie und Applikationen arbeiten, die den Erwartungen unserer weiblichen Kundschaft entspricht. Wir sind auf einem guten Weg.
Zur Firma
Möbel Pfister
wurde 1882 in Kleinbasel durch Johann Jakob Pfister gegründet. Das Unternehmen mit rund 1200 Mitarbeitern ist eine Tochtergesellschaft der Pfister Arco Holding, der nach eigenen Angaben grösste Schweizer Möbel­fach­handels­gruppe. Mit dem Hauptsitz in Suhr, der Online-Plattform pfister.ch und 20 Filialen ist Pfister in allen Landesteilen der Schweiz präsent. Das Sortiment besteht aus über 20 000 Produkten.



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