«Komplexität ist der Feind»

Fachkräftemangel und andere Herausforderungen

CW: Wie alle anderen Unternehmen in der Schweiz sucht auch die Credit Suisse vermutlich Fachkräfte. Wie re­krutieren Sie neue IT-Mitarbeiter?
Crameri: Ja, leider sind wir in der gleichen Position wie alle anderen Schweizer Firmen. Es mangelt an Fachkräften. Zwar finden wir weiterhin gutes Personal, was mit unserem guten Ruf als Arbeitgeberin zu tun hat. Aber: Für die IT benötigen wir auch eine ganze Menge Leute. Der Fakt, dass die Konkurrenz auf dem einheimischen Arbeitsmarkt in den letzten Jahren noch zugenommen hat, macht die Suche nicht einfacher. Allerdings verfolgen wir seit Jahren eine globale Workforce-Strategie – mit Betonung auf global. Wenn wir das Personal im Inland nicht bekommen, dann rekrutieren wir Fachleute auch ausserhalb der Schweiz. Zur Frage nach den Methoden will ich einerseits die Ausbildung anführen. Wir engagieren uns in den Schulen, um die Kinder oder Jugendlichen möglichst früh für die IT zu begeistern. An den Hochschulen und Universitäten sind wir natürlich ebenfalls präsent. Daneben spielen wir das gesamte Repertoire an Rekrutierungsmöglichkeiten: von der klassischen Anzeige über die Mitarbeiterempfehlung bis hin zum Personalberater.
CW: Wie hoch ist das IT-Budget der Credit Suisse? Wie verteilt sich das Geld auf den Betrieb und die Projekte?
Crameri: Das globale IT-Budget betrug im vergangenen Jahr ca. 2,8 Milliarden Franken. Das Verhältnis von «run the bank» und «change the bank» ist ausgeglichen. Bei beiden hat die Swiss Universal Bank einen stattlichen Anteil. In meiner Rolle als Head IT der Credit Suisse Schweiz verantworte ich auch den Betrieb der Swiss Banking IT Platform. Hier bucht die Schweizer Universalbank 100 Prozent des Geschäfts, das International Wealth Management sub­stanziell und auch Asien teilweise. Mein Bereich ist interner Dienstleister, der auch Plattformen für andere Divisionen betreibt – mehr als «nur» das Schweizer Geschäft.
CW: Würden Sie Ihre Abteilung eher als IT-Dienstleister oder eher als Business-Treiber positionieren?
Crameri: Beides. Jüngst haben wir für den COO-Bereich ein neues Vision Statement kreiert, das unsere Tätigkeiten gut zusammenfasst: «We run our bank and shape its future.» Hier spiegelt sich auch mein Rollenverständnis wider: Ich sehe meinen Bereich einerseits als Utility Provider, was ungefähr der Versorgung einer Stadt mit Gas, Strom oder Wasser entsprechen würde. Die grundlegenden Dienste müssen «einfach» funktionieren. Darauf aufbauend sind wir ein Business Shaper, der die Zukunft der Bank sichert.
CW: Wie viel Zeit an einem typischen Arbeitstag verbringen Sie mit Projekten? Und: Wie viel nimmt der Betrieb in Anspruch?
Crameri: Mein Arbeitstag ist dreigeteilt. Das erste Drittel sind Kunden-Meetings und die Teilnahme an Steering Komitees. Das zweite Drittel sind Gespräche und Interaktionen mit meinen Mitarbeitenden. Das letzte Drittel sind Strategie und Kommunikation mit diversen Stakeholdern. Um zu Ihrer Frage zu kommen: Der Run-Anteil ist relativ bescheiden. Ich fokussiere mich mehr auf den Change. Das Verhältnis würde ich mit 20 zu 80 beziffern.
CW: Wo sehen Sie aktuell die grösste Herausforderung für die IT der Credit Suisse Schweiz?
Crameri: Wir leben in einer sehr spannenden Zeit. Früher hatten wir jahrelange Projekte und haben zusätzlich die IT betrieben. Die Anforderungen an uns IT-Manager haben sich in den letzten zehn Jahren fundamental geändert: einerseits, wie wir Software entwickeln, andererseits, wie wir IT betreiben. Hier muss ich drei Schlagwörter nutzen: Agile, DevOps und Cloud. Diese drei Themen haben die Art und Weise, wie wir mit IT umgehen, grundlegend verändert. Aus den Komponenten ergibt sich für die IT eine mehrdimensionale Herausforderung: Erstens die Technologie, die heute handhabbar ist. Dann die Cloud, die entweder selbst aufgebaut oder von extern bezogen wird. Wenn dieser Entscheid gefallen ist, ist auch die Cloud machbar. Dann folgt allerdings die grösste Herausforderung: Die Mitarbeitenden mitnehmen auf die Reise in die neue Realität und sie befähigen, dass sie sich darin zurechtfinden.
“Die Anforderungen an IT-Manager waren vor 10 Jahren fundamental anders„
Mario Crameri
CW: Sind Sie persönlich betroffen von der Transformation oder treiben Sie die Veränderung aktiv?
Crameri: Ich treibe die Veränderung selbst und bin der interne «Sponsor». Wie eben erwähnt, haben wir während der vergangenen Jahre den Mitarbeitenden die agilen Methoden vermittelt, ihre Vorteile und auch ihre Nachteile. Hier haben wir schon einen sehr hohen Reifegrad erreicht. Während der letzten drei Jahre ist noch DevOps hinzugekommen, was ich verkürzt als die Automatisierung des Entwicklungsprozesses beschreiben würde. Seit dem vergangenen Jahr sind wir mit der Public Cloud beschäftigt, als letzten Schritt im Programm «IT Transformation».
Zur Person
Mario Crameri
ist seit 2011 Head IT der Credit Suisse in der Schweiz. Seit drei Jahren leitet er zusätzlich die Operations. Zwischen 2006 und 2010 war er für die Bank Julius Bär tätig, zuletzt als globaler Leiter IT. Davor war er schon einmal für Credit Suisse tätig, unter anderem in verschiedenen Führungspositionen im Bereich E-Business und in der IT-Division. Er stiess 1997 zur Bank. Der promovierte Informatiker führt einen Abschluss in Wirtschaftsinformatik von der Universität Zürich.



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