IP-Netz 04.02.2009, 08:18 Uhr

zusammenbringen, was zusammengehört

Das Ziel ist klar: In Zukunft soll jeder von jedem Gerät aus über die gleiche Benutzeroberfläche auf dieselben Inhalte zugreifen können. Die Technik dafür: ein einheitlicher IP-Standard für alle Netze.
Frank Henschke ist Head of Network Solution Sales bei Ericsson Schweiz AG
Ob Kabelnetz- oder Telekommunikationsunternehmen, ob städtische, kommunale oder Elektrizitätswerke, vielerorts in der Schweiz bauen Netzbetreiber ihre Infrastrukturen aus, um mit dem wachsenden Breitbandbedarf multimedialer Dienste Schritt halten zu können. In Städten wie Basel, Zürich, St. Gallen und Genf werden in den nächsten Jahren auch private Haushalte mit Geschwindigkeiten von bis 100 Megabyte pro Sekunde rund um den Globus surfen. Doch die Netzbetreiber sind nicht nur gefordert, ihre Fest- und Mobilnetze schneller zu machen, sondern sie auch schrittweise auf IP umzurüsten und zu standardisieren. Es gilt, die Konvergenz von Telekommunikation, und Internet zu verwirklichen. Wer unter Unified Communications nur E-Mails, SMS oder Sprachnachrichten versteht, denkt zu kurz. In Zukunft zählen dazu auch Videos in HD-Qualität.
Um dabei erfolgreich zu sein, müssen die Dienste künftig über die Netzbetreibergrenzen hinweg verfügbar sein. Möglich macht das die Standardisierung des IP Multimedia Subsystems (IMS) als technologisches Herzstück der zukünftigen Netzarchitekturen.

Ein Standard für alle

IMS wurde ursprünglich vom Standardisierungsgremium für Mobiltelefonie ins Leben gerufen, um das Internet aufs Handy zu bringen. Nach und nach entschieden sich aber auch die Standardisierungsgremien für Festnetze (Tispan), Kabelnetze (Cablelabs) und WiMax (WiMax Forum) beizutreten. Dank IMS lassen sich Telekommunikations- und Webwelt verschmelzen, oder genauer gesagt, die Telekommunikation wird ins Web integriert. Dank IMS können Menschen künftig miteinander kommunizieren - unabhängig vom Netzanbieter und davon, ob sie gerade vor ihrem PC oder TV-Gerät sitzen oder mit Handy, Notebook, Netbook oder Spielkonsole unterwegs sind. Dabei wird es auch keine Rolle spielen, ob der Anwender über WLAN, mobiles Breitband (wie HSPA oder LTE), DSL, Kabel- oder Glasfaser mit dem Internet verbunden ist.

Bandbreite für Private ...

Internetdienste gibt es wie Sand am Meer. Für ihre Nutzung braucht es kein IMS - noch nicht, denn derzeit sind die meisten Internetapplikationen sowieso nicht kompatibel zueinander. Auch können die Mehrheit der heutigen Businessanwendungen in Firmennetzen (so genannte Unified Communications) sowie die gängigsten Internet-Kommunikationsapplikationen wie MSN, Skype, Google Talk usw. nur zwischen Anwendern derselben Plattform genutzt werden.
Die hohen Bandbreiten, die Kabel, VDSL und Glasfaser im Festnetz sowie HSPA und LTE im Mobilfunkbereich schon heute oder in Kürze bieten, erlauben künftig jedoch neue Anwendungen in viel besserer Qualität. Um in Zukunft etwa HDTV oder HD-Video-Streams herunterzuladen, reicht der heutige Best-Effort-Ansatz von Internetanwendungen nicht aus. Schon gar nicht, wenn man IPTV in HD-Qualität mit interaktivem Zugriff auf Dienste anbieten will. Die zunehmend bandbreitenhungrigen Anwendungen der Zukunft verlangen höchste Verfügbarkeitsstandards, wie aus der Telekommunikationswelt (Carrier Grade Quality of Service) bekannt. Ericsson hat im September 2008 die weltweit erste auf IMS-basierte IPTV-Lösung nach dem Open IPTV-Standard vorgestellt. Durch die Open-IPTV- Industrie-Initiative soll genauso wie durch den IMS-Standard gewährleistet werden, dass künftig Endgeräte und Inhalte wirklich über alle Netze hinweg interoperabel sind.

... Konvergenz für Firmen

Auch Firmen werden von konvergenten Kommunikationslösungen profitieren. So benötigen zum Beispiel kleinere Betriebe künftig keine eigene Telefonanlage (PBX) mehr. Stattdessen können sie umfangreiche Telefonieservices samt Sekretariats- und Anrufweiterleitungs-Funktionen (Centrex-Dienste) sowie Präsenzinformationen vom Netzbetreiber beziehen und in vollem Umfang auch mobil nutzen. Die Anschaffung, Wartung und Konfiguration einer eigenen Telefonanlage fällt damit weg. Der geschäftliche Anwender hat nur noch eine Rufnummer und Mailbox für alle Sprach- und Datennachrichten, die er auf verschiedenen Clients nutzen kann. IMS eröffnet aber auch neue Möglichkeiten der Personalisierung: So kann man feststellen, ob jemand, den man anrufen möchte, gerade über Festnetz oder Mobiltelefon erreichbar ist, oder ob er überhaupt nicht gestört werden will - und das zwischen Teilnehmern von unterschiedlichen Netzbetreibern.
Mit der Standardisierung in den Zugangsnetzen schafft die Industrie die erforderlichen Voraussetzungen für neue Multimedia-Anwendungen. Netzbetreibern und Service Providern erlaubt die Migration der Netze, neue qualitativ bessere Dienste kostengünstiger anzubieten. Entwicklern wiederum steht der Weg offen, neue Multimediainhalte zu erschaffen und diese schneller zu verbreiten.

Wirtschaft und Forschung vereint

Derzeit fokussieren die Netzbetreiber auf die Einführung der IMS-Kerntechnologie und auf die Integration von VoIP und IP-Centrex. Dieser Schritt erlaubt ihnen, unmittelbar Kosten einzusparen. In einem zweiten Schritt geht es in den kommenden Jahren darum, neue innovative Dienste auf den Markt zu bringen.
Die Netzausrüster unterstützen Entwickler auf der ganzen Welt dabei: Ericsson bietet zum Beispiel weltweit Zugang zu acht zertifizierten Support-Centern - eines davon in Bern.
Das Unternehmen ist ausserdem eine Partnerschaft mit dem deutschen Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) eingegangen, einem der führenden Forschungs- und Entwicklungszentren im Bereich Next Generation Networks: Die jeweiligen IMS-Testumgebungen in Bern und Berlin lassen sich in Teilbereichen zusammenschalten. Dies erlaubt Netzbetreibern und Entwicklern, neue Anwendungen wie «Web 3.0» und IPTV zu testen. Ein wichtiges Anliegen ist den beiden Partnern auch, das Roaming von Applikationen über Länder- und Netzwerkgrenzen hinweg zu
gewährleisten.
Erstmals kann man Multimedia-Anwendungen wie Whiteboarding, Chats oder Web-2.0- Dienste nahtlos miteinander oder mit klassischen Telefoniediensten kombinieren und sowohl vom PC oder Notebook als auch vom Handy oder heimischen TV gemeinsam nutzen. Im IMS Competence Center von Ericsson in Bern präsentieren die beiden Partner eine sogenannte IMS-Mashup-Applikation, mit der klassische Telekommunikationsdienste wie Sprache und Text dank IMS Google Maps, Facebook und Live-GPS Positionsdaten zur multimedialen Anwendung kombiniert werden. Web 2.0 auf den heimischen PC-Arbeitsplatz zu beschränken war heute. Morgen wird Web 2.0 mobil und auf beinahe jedem Endgerät, das eine schnelle Internetverbindung aufbauen kann, als Software Client verfügbar sein.
IMS: Konvergenzstandard im Netz

Das IP Multimedia Subsystem (IMS) ist eine Sammlung von Spezifikationen des 3rd Generation Partnership Project (3GPP). Ziel von IMS ist ein standardisierter Zugriff auf Dienste aus unterschiedlichen Netzwerken. IMS stellt dabei die Kontrollfunktion in einem All-IP-Netzwerk dar. Dies bedeutet, dass sämtliche Kommunikation IP-basiert erfolgt. Es unterstützt aber auch bestehende Netze wie GSM oder das herkömmliche analoge und das digitale (ISDN-)Telefonnetz. Typische Dienste sind VoIP-Telefonie, Messaging oder Präsenzinformationen. Das Basisprotokoll von IMS ist SIP, welches über ein dediziertes IP-Netz Verbindungen zwischen den Teilnehmern aufbaut.
Frank Henschke



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