29.09.2017, 17:49 Uhr

Wenn Schweizer Firmen mit IT experimentieren

Aus nur wenigen Projekten eines Hackathons werden Produkte. Dennoch experimentierten BKW, Helsana, Implenia, SBB und Six an einem Wettbewerb von ipt vielversprechend mit IT.
Firmeninterne Hackathons haben sich zum festen Bestandteil des Innovationsprozesses von Schweizer Firmen entwickelt. An den Anlässen werden Ideen in Software-Code festgehalten. Viele Projekte gehen anschliessend jedoch im Geschäftsalltag unter. Dieses Schicksal drohte auch den Anwendungen, die an einem Programmierwettbewerb des IT-Dienstleisters iptentstanden waren. Die Zuger hatten im Sommer Kunden wie BKW, Helsana, Implenia, SBB und Six eingeladen, gemeinsam neue Lösungen für das Geschäft zu entwickeln. An einem Anlass fasste ipt nun nochmals nach, um zu ermitteln, was aus den Projekten geworden ist.

Blockchain für Energiehandel

Maurice Bachor vom Energiekonzern BKW hat sich an dem Hackathon gemeinsam mit ipts Yu Li mit einer Software für den Stromhandel beschäftigt. Das Unternehmen steht nach Aussage von Bachor vor der Herausforderung, in den nächsten Jahren hunderte oder gar tausende dezentrale Energie-Erzeuger in sein Verteilernetz integrieren zu müssen. Dafür kommen bis 2050 auf die gesamte Branche Kosten in Höhe von 12 Milliarden Franken zu, schätzt der Bund. 
Mit der am Hackathon entwickelten Software sollen Gutschriften für das Einspeisen von Strom in das BKW-Netz im Peer-to-Peer-Verfahren abgewickelt werden. Dabei wurde als Backend die Blockchain-Technologie avisiert. Das Projekt ist noch in der Planungsphase. «Der Hype um die Blockchain und die tatsächlich verfügbaren Anwendungen haben wenig miteinander zu tun», sagte Maurice Bachor zur Begründung.

Chatbot für den Kundendienst

Helsana hat in der Schweiz rund 1,9 Millionen Kunden. Jährlich erreichen die Versicherung gut 3,9 Millionen Anrufe. Davon sind circa 30 Prozent «nicht wertschöpfende Kundeninteraktionen» (niweKI), sagte Gregor Ineichen. Die Konsumenten wollten per Telefon zum Beispiel eine Auskunft über die Versicherungsdeckung von Leistungen oder die Adressdaten ändern lassen. Dafür bietet Helsana eine Hotline an, die werktäglich von 08:00 bis 18:00 Uhr erreichbar ist.
Mit einem Chatbot für das bestehende Helsana-Kundenportal wollten Ineichen und Krzysztof Dabkowski von ipt drei Ziele erreichen: Die niweKI automatisch abwickeln, den Dienst täglich rund um die Uhr sowie auf jedem Device anbieten. Der am Hackathon entwickelte Prototyp wird aktuell weiter getestet: «Wir werden prüfen, ob damit eine tragbare Lösung erreicht werden kann», sagte Ineichen. Nächste Seite: Implenia, SBB, Six Das Management der Werkzeugflotte haben Christoph Meyer von Implenia und Gerald Reif von ipt adressiert. Der Baukonzern Implenia ist nach den Worten Meyers heute mit rund 10'000 Werkzeugen auf knapp 50 Baustellen in der ganzen Schweiz präsent. Dabei stellen sich Fragen wie: Wo ist ein bestimmtes Werkzeug? Wie häufig respektive intensiv werden die Werkzeuge genutzt? Oder: In welchem Zustand sind die Werkzeuge?
Für eine Management-Lösung müssten alle Werkzeuge mit einem Sensor ausgestattet werden. Der Chip würde die relevanten Daten an die Azure-Cloud melden, wo sie in Echtzeit verarbeitet und in einem Dashboard präsentiert werden. Die Cloud-Lösung wurde an dem Hackathon entwickelt. Meyer prognostizierte eine bis zu 30 Prozent bessere Auslastung und Einsparungen von maximal drei Millionen Franken durch weniger Defekte. An die Grenzen käme die Anwendung, wenn Implenia die tatsächliche Werkzeugnutzung minutengenau verrechnen wollte. Dafür sei die Datenqualität zu schlecht, sagte Meyer.

Variable Billette-Preise

Im Fernverkehr beträgt die Auslastung der SBB-Züge heute zwischen 20 und 30 Prozent. Mit flexiblen Billette-Preisen könnten womöglich die Reisenden zur Wahl anderer Abfahrtzeiten überzeugt werden, sagte Christoph Tyssen von der SBB. Damit liesse sich die Auslastung erhöhen. In dem Projekt «DynaTix» arbeitete er gemeinsam mit Christian Sanabria von ipt daran, eine alternative Preiskalkulations-Engine zu entwickeln. 
Die Software wurde mit historischen Daten zu Auslastung, Feiertagen, Preisen und Wetter gefüttert. Mithilfe von IBMs Watson-Technologie wurde dann ermittelt, welcher Faktor den grössten Einfluss auf die Billette-Verkäufe hat. Zusätzlich wurde der theoretische Konkurrent FlixBus in die Kalkulation mit einbezogen. Die Analyse ergab, dass kein Faktor allein die Abverkäufe entscheidend erhöht. Nicht einmal der FlixBus (der in der Schweiz noch gar keine Zulassung besitzt) hatte einen bedeutenden Einfluss auf Billette-Verkäufe. Tyssen plant nun, die Engine mit Echtzeitdaten erneut zu testen.

«Programmatic Buying»

Schon heute bestellen smarte Hausgeräte über das Internet automatisch neue Batterien, Geschirrspülmittel und Öl. An dem «Programmatic Buying» verdient hauptsächlich der Online-Händler mit. Traditionelle Firmen und auch der Finanzdienstleister gehen leer aus. Wenn in Zukunft immer mehr Maschinen mit einem Käuferkonto ausgeliefert werden, wird es auch die Zahlungsverkehrssparte von Six spüren. Urs Gubser von Six will dem mit einer eigenen Bezahllösung für Smart Devices gegensteuern. 
Ein weiterer Wettbewerber für Six sind Bezahl-Apps auf Smartphones. Auch PayPal & Co. funktionieren ganz ohne die traditionelle Zahlungsinfrastruktur, sagte Gubser. Mit Twint hat der Konzern bereits eine selbst mitentwickelte Anwendung lanciert, die in Zukunft noch ausgebaut werden soll.



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