27.08.2007, 08:43 Uhr

Outsourcer haben den KMU-Sektor entdeckt

Während Banken und Versicherungen den Markt mit grossen Outsourcing-Verträgen bestimmen, drängen fast alle Anbieter ins Geschäft mit den kleineren und mittleren Unternehmen (KMU). Spezialisierte KMU-Auslagerer gewinnen an Profil.
Das Schweizer Auslagerungsgeschäft wurde im vergangenen Jahr erneut massgeblich von der Finanzbranche getrieben. Zwölf der 16 Outsourcing-Verträge mit einem Volumen von mehr als zehn Millionen Franken, die 2006 verlängert oder neu abgeschlossenen wurden, wurden mit Banken und Versicherung eingegangen. So konnte im vergangenen Jahr beispielsweise IBM den Vertrag mit der heute zur Axa-Gruppe gehörenden Winterthur-Versicherung verlängern. Und die Privatbank «Coutts Bank von Ernst» hat mit dem Wechsel auf die Bankenplattform von Avaloq den Betrieb für die kommenden fünf Jahre an die Swisscom-Tochter Comit ausgelagert. Auch bei anderen Outsourcing-Geschäften mit Regional- und Privatbanken war der Wechsel der Bankenplattform entscheidend für das Outsourcing.

Banken beeinflussen den Markt

Die Bedeutung der Finanzdienstleister wird entsprechend auch 2007 das Schweizer Outsourcing-Geschäft stark beeinflussen. Gregor Stücheli, Chef der Schweizer T-Systems, hat im letzten Jahr einen Trend für 2007 ausgemacht: «Die Banken und Versicherungen dominieren auch im laufenden Jahr den Markt - wenn auch etwas weniger stark als noch 2006».
Zudem stellt Stücheli fest, dass im vergangenen Jahr die Anzahl der grossen Outsourcing-Verträge mit Volumen von mehr als 100 Millionen Franken zurückgegangen ist: «Diese Lücke», so Stücheli weiter, «wurde einerseits mit Abschlüssen im KMU-Bereich und andererseits mit Abschlüssen von Teil-Outsourcing-Aufträgen geschlossen».
Das durchschnittliche Vertragsvolumen lag 2006 allerdings bei «nur» rund 25 Millionen Franken, wie Cyrill Hauser von Active Sourcing feststellt, die in einem «Sourcing-Monitor» die hiesigen Outsourcing-Verträge mit Volumen von mehr als zehn Millionen Franken quartalsweise listet.

Überschaubare Projekte dominieren

Dass es 2006, abgesehen von IBMs 300-Millionen-Vertrag mit Axa-Winterthur, keine weiteren Grossaufträge gab, will Hauser allerdings nicht als einen Trend verstanden wissen, der weg von den grossen Deals führt. Dafür seien hierzulande Grossaufträge klar zu selten. Auffällig ist hingegen, dass es gerade IBM ist, die auch in diesem Jahr erneut einen Vertrag über 550 Millionen Franken für den IT-Betrieb der Banque Cantonale Vaudoise (BCV) für die nächsten fünf Jahre abschliessen konnte. Vergleichbare Verträge sind nämlich auch in diesem Jahr Mangelware. Das macht deutlich, wie konsequent IBM ihre Leaderposition im Markt weiter ausbaut.
Allerdings schmälern derartige Grossprojekte die Bedeutung mittelgrosser Aufträge im hiesigen Markt nicht. Im Rückblick auf das vergangene Jahr erklärt Riccardo Griglio, bei Swisscom IT Services (Scis) für Strategie und Business Development verantwortlich: «Das Jahr 2006 wurde im Infrastruktur-Outsourcing geprägt durch Abschlüsse mittelgrosser Deals mit Volumen zwischen 15 und 30 Millionen Franken». Auch Griglio fügt hinzu, dass erneut «die Grosszahl der Abschlüsse im Banken- und Versicherungsumfeld getätigt» wurden. Und er weist darauf hin, dass einmal mehr die Industrie bei diesen Verträgen kaum vertreten ist.
Der Wettbewerb der IT-Dienstleister um diese grösseren Vertragsvolumen ist im letzten Jahr - wie schon davor - von grossen internationalen Anbietern wie IBM, T-Systems, EDS sowie CSC und Scis geprägt worden. Laut Griglio darf bei diesem Fokus aber nicht vergessen werden, dass bereits im letzten Jahr «insbesondere im KMU-Umfeld kleinere Anbieter vermehrt ihre Angebote durchsetzen konnten».
Dass kleinere Projekte inzwischen auch für die grossen Anbieter attraktiv geworden sind, wird auch von IBM unterstrichen. IBM-Pressesprecherin Susan Orozco: «Der Trend geht hin zu kleineren Deals, zur Aufteilung in kleinere Projekte. Das führt zu einer besseren Kostenübersicht und zu erhöhter Flexibilität». Laut IBM stehe dabei die «kostengünstige Standardisierung» im Vordergrund. IBM hat für das KMU-Segment ein entsprechendes spezielles «Mid Market Modell» entwickelt. Gefragt seien darüberhinaus «differenzierte Lösungen, die ein Outsourcing auf verschiedenen Leveln anbieten können», erklärt Susan Orozco.

Standardisieren und flexibler werden

Nicht zu übersehen ist, das gerade grosse Outsourcer etwa über Standards ihre Angebote in Richtung «Commedity» treiben. Für Stücheli stellt sich die Situation aufgrund der Vergangenheit so dar: «Der Trend zur Flexibilität, der sich bereits in früheren Jahren abzeichnete, setzt sich weiter fort. Im Vordergrund stehen hierbei Technologien, die es ermöglichen, Arbeiten zusammenzulegen und Infrastrukturen zu teilen. Der Bezug von ICT-Leistungen entwickelt sich immer mehr in eine Richtung, die sich mit dem Bezug von vergleichen lässt».
Unterstützt wird dieser Trend nicht zuletzt durch die Kostenentwicklung der vergangenen Jahre. Wie bereits 2005 profitierten auch 2006 einmal mehr die Kunden der Dienstleister. Denn die Preis- und Leistungs-Schere hat sich weiter geöffnet. Einmal mehr sind die Margen geschrumpft. Dieses international längst bekannte Phänomen zwingt die IT-Dienstleister zu immer neuen Anpassungen. Scis-Mann Griglio erklärt: «Da sich der Druck der Kunden auf die Preise weiterhin verstärkt, sind die Outsourcer gezwungen, ihre Produkte und Plattformen noch mehr zu standardisieren». Als Beispiel verweist er auf den SaaS-Hype (Software as a Service). «Dieser bietet», so Griglio, «in einigen Bereichen Kosteneinsparpotenzial, das inbesondere für KMU eine interessante Alternative zum klassischen Outsourcing darstellen kann.»
Hierzulande hat übrigens das vielbeschworene BPO (Business Process Outsourcing) noch keine nennenswerten Spuren hinterlassen.

Mit KMU in die Zukunft

Roland Müller ist als Chef des Regionalen Informatikzentrums (RIZ) in Wetzikon ein typischer KMU-Vertreter der Outsourcing-Branche. Das RIZ ist auf die öffentliche Verwaltung spezialisiert, bietet seit 1996 Services auch für Verwaltungen ausserhalb Wetzikons an und hat im Jahr 2006 mit 19 Mitarbeitern rund 3,1 Millionen Franken Umsatz erwirtschaftet.
Beim Rückblick aufs vergangene Jahr warnt Müller zunächst vor der Überschätzung der KMU-Outsourcer. Er kritisiert «KMU und Verwaltungen, die zu zweit oder zu dritt versuchen, ein Rechenzentrum (RZ) auf die Beine zu stellen, um weitere Kunden zu gewinnen». Derartige KMU kranken, so Müller, «an mangelnder Fachkompetenz, bedingt durch zu kleinen Personalbestand und die dadurch fehlende Spezialisierung». Aus aktuellem Anlass verweist er auch darauf, dass im Sektor der öffentlichen Verwaltungen «eine Ausdünnung der mittelgrossen Anbieter im Gange» ist und verweist etwa auf Abraxas und Bedag, die ihre Rechenzentren zusammenlegen werden.
Abgesehen von dieser Lageanalyse sieht der RIZ-Chef allerdings sehr optimistisch in die Zukunft. «Im öffentlichen Bereich wird in den kommenden Jahren eine massive Zunahme der Outsourcing-Verträge zu verzeichnen sein», ist Müller überzeugt. Als Gründe führt er die Einführung der neuen Sozialversicherungsnummer und die Volkszählung 2010 an. Beides werde die Komplexität sowohl der Schnittstellen als auch der Kommunikation innerhalb der Kommunen markant ansteigen lassen. Das werde viele Gemeinden überfordern und sie zur Auslagerung respektive zum Zusammenschluss ihrer Informatik veranlassen.
Und schon heute sind, folgt man Müller, die spezialisierten IT-Dienstleister für die öffentlichen Verwaltungen nicht schlecht aufgestellt. Mit Bedag respektive Abraxas werde ein schweizweit tätiger Player im Markt sein. Zu den mittelgrossen und regional tätigen Anbietern zählt Müller beispielsweise VRSG, Tankred, Ruf, Publis und IGIS. Die von diesen Unternehmen angebotenen Dienste decken laut Müller die gesamte Outsourcing-Palette von der einfachen Applikation bis zum Fulloutsourcing mit Hardware und Kommunikation ab. Wobei seiner Ansicht nach allerdings «der Trend klar hin zu einem kompletten Outsourcing geht».
Insgesamt - bei den KMU- wie auch bei den grossen IT-Dienstleistern - darf das vergangene Jahr durchaus positiv bewertet werden. Zur Kenntnis nehmen muss die Branche dennoch, dass heuer trotz mehr Vertragsabschlüssen als im Vorjahr der Gesamtwert der Verträge gesunken ist.
Volker Richert



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