Firmenfachbeitrag 14.09.2020, 08:00 Uhr

IT-Projekte in Zeiten der Pandemie

Als im vergangenen Januar erste Meldungen über die Verbreitung einer neuartigen Lungen- und Atemwegserkrankung in China zirkulierten, dachten wir uns wohl alle noch nicht so viel dabei. Für diverse IT-Unternehmen standen gerade grosse Informationsveranstaltungen an.
In virtuellen Meetings bleibt die nonverbale Kommunikation teilweise auf der Strecke
(Quelle: Shutterstock/Kate Kultsevych)
Im SAP Umfeld etwa das jährliche Field Kick-off Meeting: Ein Anlass, an dem jeweils alleine in der Region EMEA mehrere tausend Personen teilnehmen.
Danach ging es Schlag auf Schlag: Am 29. Januar stellte British Airways alle Flüge nach Festland-China ein. Weitere Fluggesellschaften folgten dieser Entscheidung. Spätestens jetzt war klar, dass sich umfassendere Herausforderungen abzeichnen könnten. Die Verbreitung des dann noch als «2019-nCoV» bezeichneten Virus beschleunigte sich weltweit und aufgrund festgestellter Infektionszahlen erklärte die WHO am 11. März den Ausbruch offiziell zu einer Pandemie. Mit der Entscheidung des Bundesrats, die Situation gemäss Epidemiegesetz als «Ausserordentliche Lage» einzuschätzen, wurden einige Tage später landesweit geltende Notmassnahmen erlassen. Der Lockdown war Realität.
Während die meisten Beratungs- und IT-Unternehmen relativ problemlos auf 100% Home-Office Betrieb umstellen konnten, standen zu Beginn des Lockdowns zahlreiche Firmen und Organisationen der öffentlichen Hand vor grossen Herausforderungen. Blitzartig mussten zusätzliche Computer beschafft, aufgesetzt und verteilt werden. Vielerorts wurden auch private Geräte in Geschäfts- und Verwaltungsnetzwerke eingebunden. Gleichzeitig mussten landauf landab tausende Kinder mit Tablets und Computern ausgestattet werden, um sich mit virtuellen Schulklassen zu verbinden.

Chönd ihr min Bildschirm gseh?

Innert kürzester Zeit war die Schweiz bezüglich Arbeitszugang aus dem Lockdown gut bis sehr gut organisiert und die Anfangsschwierigkeiten im Umgang mit den diversen Videokonferenz Tools hatten sich gelegt. Bald kursierte diese scherzhaft gemeinte Umfrage:
Wer hat in ihrem Unternehmen die interne Digitalisierung umgesetzt?
□ Chief Information Officer
□ Chief Technology Officer
□ Coronavirus

So weit so gut, aber jetzt stellen sich ernsthafte Fragen:

Würden sich laufende Vorhaben und Grossprojekte im Inland weiter effizient und zuverlässig umsetzen lassen? Könnten erfolgskritische Projektentscheide tatsächlich in Videokonferenzen getroffen werden? Wie würde sich der Lockdown auf internationale Roll-out Projekte auswirken? Und nicht zuletzt: Würden wichtige Präsentationen und Verhandlungen rein virtuell erfolgen, oder käme es zu einem Stillstand bei Akquisitionen und Vertragsabschlüssen?
Die Antworten, so sollte sich zeigen, waren erfreulicherweise grösstenteils positiv. Einige Aspekte könnten mittelfristig sogar zu einem effizienteren Arbeitsalltag führen.

Erkenntnisse aus Grossprojekten

Grossprojekte reflektieren die Umsetzung strategischer Massgaben aus der Mittel- und Langfristplanung einer Organisation. In der SAP-Welt fallen Neueinführungen und in der aktuellen Zeit auch gewisse Formen der Konvertierung von SAP ERP 6.0 zu SAP S/4HANA in diese Projekt Kategorie. Als Beratungsunternehmen sind wir derzeit in einem halben Dutzend solcher Projekte engagiert. Bereits ab Ende Februar haben wir gemeinsam mit unseren Kunden Notfallpläne erarbeitet, damit die Projektarbeiten ohne nachteilige Auswirkungen auf die Qualität, Budgets und Durchlaufzeiten weiter umgesetzt werden können. Da und dort war eine Umgewöhnung auf virtuelle Workshops, Sitzungen und Absprachen erforderlich. Die Anpassung erfolgte in allen Bereichen aber so zügig und erfolgreich, dass sämtliche Projekte weiterhin gemäss Planung weiter vorangetragen werden konnten. Für Grossprojekte war diese Erkenntnis besonders wichtig, da ein längerer Unterbruch unweigerlich mit bedeutenden Mehrkosten und einer verspäteten Realisierung angestrebter Resultate einhergegangen wäre.

Kritische Projektentscheide

Mittlerweile haben sich zwar die meisten Teilnehmer virtueller Meetings zur Angewohnheit gemacht, ihre Videoübertragung zu aktivieren, doch egal welches Tool eingesetzt wird: Bei Videokonferenzen gehen unweigerlich Nuancen der nonverbalen Kommunikation verloren. Als Folge daraus können wir nicht so effizient kommunizieren, wie wenn wir uns in einem persönlichen Meeting befinden. Zu einem gewissen Grad lässt sich dieser Umstand ausgleichen, indem kritische Projektentscheide noch umfassender in Einzelgesprächen vorbereitet werden. Der zeitliche Mehraufwand lohnt sich für uns, denn wir erfahren so, wer in welchem Umfang genau mit einem Antrag zufrieden ist oder halt doch noch Anpassungen einbringen will.

Internationale Roll-out Projekte

Bis in den Frühling hinein haben wir ein internationales Projekt, das im vergangenen Jahr gestartet wurde, trotz Lockdown erfolgreich abschliessen können. Ein weiteres, anspruchsvolles Roll-out Projekt wurde gar während des Lockdowns gestartet und mittlerweile vollständig umgesetzt. Rein virtuell und per Fernzugriff. Die meisten Projektaufgaben sind dabei absolut problemlos realisiert worden. Als erfolgskritischen Faktor haben wir aber z. B. festgestellt, dass Trainings für grössere Endanwender Gruppen speziell organisiert werden müssen. Im Gegensatz zu einem normalen Unterricht lässt sich nämlich per Videokonferenz nicht immer feststellen, wenn einzelne Personen unterschiedlich effizient auf didaktische Methoden ansprechen, oder wenn jemand neben der Schulung andere Aufgaben verfolgt.

Präsentationen und Verhandlungen

Zusätzlich zu den bereits aktiven Projekten stehen wir kontinuierlich in Akquisitions- und Verhandlungsphasen für neue Vorhaben. In diesen Phasen geht es zunächst darum, die Anforderungen eines Interessenten zu erfassen, mögliche Lösungswege aufzuzeigen und schliesslich die erforderlichen Fachkompetenzen und Kapazitäten unter Beweis zu stellen. Das funktioniert per Videokonferenz heute einwandfrei. Auch über Landesgrenzen und unterschiedliche Zeitzonen hinweg. Je näher man sich dann in einer entstehenden Geschäftspartnerschaft kommt, desto wichtiger werden Faktoren, die sich nicht rein durch Fachwissen und Teamstärke messen lassen. Es geht um einen Abgleich des Wertesystems und der Kultur zwischen dem potenziellen Kunden und dem Anbieter. Letztlich muss ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis entstehen.
Wie wichtig dieser Annäherungsprozess für den Aufbau einer Geschäftsbeziehung mit gemeinsamen Zielen ist, wird deutlich, wenn der persönliche Kontakt mit dem Gegenüber aufgrund spezieller Schutzmassnahmen erschwert wird oder temporär sogar verwehrt bleibt. In neu entstehenden Geschäftsbeziehungen ist es dann kaum noch möglich, wirklich wichtige Entscheidungen mit grosser Tragweite rein über Videokonferenzen und Telefongespräche zu erwirken.
Auch wir haben im Frühling unter Einhaltung erforderlicher Pandemie Schutzmassnahmen persönliche Besprechungen wahrnehmen und zuvor ins Stocken geratene Verhandlungen abschliessen können. In den kommenden Wochen und Monaten wird die Gesellschaft insgesamt wohl nochmals vor grössere Herausforderungen gestellt. Während die Realisierung von Projekt- und Supportaufgaben mittlerweile sehr gut per Fernzugriff und unter Anwendung von Videokonferenzen funktioniert, werden sehr viele Organisationen darauf angewiesen sein, für den Aufbau neuer Geschäftsbeziehungen im In- und Ausland auch persönliche Meetings in einem sicheren, vertrauten Umfeld durchführen zu können.
Uns allen obliegt die Verantwortung, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen und aufrechtzuerhalten, damit die wirtschaftliche und gesellschaftliche Beeinträchtigung durch diese Pandemie in Schach gehalten werden kann.
Zum Autor
Patrick Meier
Innflow AG
Patrick Meier ist Co-Managing Director, Senior Partner. Er beschäftigt sich seit bald 25 Jahren mit den marktpolitischen, betriebswirtschaftlichen und technischen Entwicklungen, die den wirtschaftlichen Strukturwandel weltweit in immer neue Dimensionen vordringen lassen. Seit mehr als 20 Jahren erfolgt sein Engagement im SAP-Umfeld, wobei er sich seit 2004 als Mitbegründer der Innflow AG auf die Geschäftsentwicklung unseres Unternehmens konzentriert.
Zum Unternehmen: Die in Rotkreuz ZG domizilierte Innflow AG ist einer der landesweit führenden Anbieter für die Gestaltung, Implementierung und den Betrieb SAP-zentrischer Informationssysteme. Wir begleiten unsere Kunden weltweit über den gesamten Lebenszyklus ihrer SAP-Systeme hinweg und verhelfen ihnen beim Einsatz ihrer SAP-Lösungen zu Spitzenleistungen.
Mehr Informationen: www.innflow.com
Dieser Beitrag wurde von der Innflow AG zur Verfügung gestellt und stellt die Sicht des Unternehmens dar. Computerworld übernimmt für dessen Inhalt keine Verantwortung.



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