«Firmen agieren bei S/4Hana noch sehr zögerlich»

Datenbank-Wechsel, Compliance-Risiken

Fehlt der Business Case für die Migration?
Flury: Vielenorts schon. Wenn Unternehmen mit einem stabilen ERP-Kernsystem arbeiten, hinter dem noch die neuste SQL-Datenbank hängt, gibt es eigentlich keinen Grund für eine Migration. Allenfalls sind noch zusätzliche SAP-Produkte interessant, aber sicher kein Wechsel einer Plattform, die noch Jahre ihren Dienst wie gefordert erfüllt.
SAP hat verstanden, dass sie den Kunden den Wechsel so einfach wie möglich machen müssen. Sie bieten Hilfestellungen und Tools für die Datenkonvertierung sowie die Migration. Mittlerweile haben sich die Werkzeuge auch in der Praxis bewiesen und einen gewissen Reifegrad erreicht, so dass sie nützlich sind in den Transformationsprojekten.
Ist der Wechsel der Datenbank-Technologie ein Thema für die Unternehmensentscheider?
Flury: Der «Any DB»-Approach, der viele Jahre selbstverständlich war, ist erst einmal nicht möglich. Das Thema wird aber aktuell nicht so heiss diskutiert, verglichen mit Themen um Funktionalität von Human Resources oder Warehouse Management im Kern von S/4. SAPs ursprüngliche Argumentation war, dass andere Datenbanken nicht die erforderliche Performance liefern könnten. Mittlerweile haben einige Anbieter aufgeschlossen und wir werden sehen, ob sich in diesem Bereich etwas bewegt.
Mit der Datenbank und dem ERP aus einer Hand wird SAP noch mehr zum Monopolisten als bisher schon. Tritt da der Wettbewerbshüter auf den Plan? Wie ist Ihre Einschätzung?
Flury: Angesichts der heute noch geringen Verbreitung von S/4Hana und Hana sind die Monopolstellungen auch noch nicht offensichtlich.
Sobald mehr Unternehmen auf den S/4Hana-Zug aufspringen, könnten aber sowohl der Druck zum Wechsel als auch die einheitliche zugrundeliegende Technologie ein Thema werden für den Wettbewerbshüter. Jedenfalls wird auch die DSAG die Entwicklungen genau verfolgen.
Gibt es ein DSAG-Engagement zum Vermeiden von Zusatzkosten für die Maintenance ab 2026?
Flury: Bis anhin noch nicht.
Allerdings gibt es ab dem fraglichen Zeitpunkt auch einen triftigen Grund, die Systeme zu migrieren. Wenn die Plattform nicht mehr weiterentwickelt wird, sprich auch die gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben nicht mehr in der Software umgesetzt werden, birgt das grosse Compliance-Risiken. Hier müsste dann, wie erwähnt, ein externer Anbieter gefunden werden, der diese Weiterentwicklung übernimmt.
Unabhängig von der Migrationsdebatte kritisiert die DSAG schon seit einiger Zeit die schwache Weiterentwicklung von ECC 6.0. Während SAP beispielsweise im Cloud-Business permanent Innovation liefert, bewegt sich im Kernbereich von ERP so gut wie nichts mehr.
Ausser der Compliance-Updates…
Flury: Ja, Compliance-Themen werden adressiert. Manchmal ist aber auch hier ein bisschen Druck erforderlich – denken Sie an die Datenschutz-Grundverordnung. Hier musste die DSAG hart kämpfen, damit den Firmen eine lizenzkostenfreie Lösung zur Umsetzung der Datenschutz-Vorschriften in SAP-Systemen bereitgestellt wurde.
Zur Organisation
DSAG und die Schweiz
Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) wurde 1997 gegründet. Heute zählt der Verband mehr als 60'000 Mitglieder aus über 3500 Unternehmen im deutschsprachigen Raum. In der Schweiz ist die DSAG seit 2005 präsent. Hier zählt sie mehr als 3000 Mitglieder aus rund 270 Unternehmen.




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