Übernahme-Hammer 21.11.2023, 09:13 Uhr

Alibaba.com auf Shoppingtour: Was bedeutet die Visable-Übernahme?

Alibaba.com übernimmt den europäischen B2B-Wettbewerber Visable. Noch sind die Auswirkungen des Deals auf den hiesigen B2B-Handel nicht ganz absehbar, aber die Branche ist sich einig: Sie werden weitreichend sein. 
(Quelle: shutterstock / comsasirin_pamai)
Seit letzter Woche ist es offiziell: Alibaba.com übernimmt "den Grossteil der Anteile" des europäischen B2B-E-Commerce-Spezialisten Visable. Dessen Portale wlw.de und Europages sollen weiter betrieben werden, CEO Peter Schmid bleibt als Gesellschafter im Unternehmen. Damit ist die grösste B2B-Übernahme des Jahres abgeschlossen. Tatsächlich waren sich die beiden Partner schon seit Juni 2023 einig, doch das Bundeswirtschaftsministerium prüfte den Fall äusserst genau. Verständlich, handelt es sich hier doch um eine echte Elefantenhochzeit.
Alibaba.com gilt mit einem Jahresumsatz von 126 Milliarden US-Dollar als der grösste B2B-Online-Marktplatz der Welt und verbindet etwa 200.000 Hersteller, Grosshändler und Distributoren mit über 40 Millionen B2B-Käufern weltweit. Visable ist dagegen mit einem Umsatz von 68 Millionen Euro und knapp 3 Millionen registrierten B2B-Einkäufern ein sehr viel kleinerer Fisch, gehört aber dennoch zu den grössten europäischen B2B-Plattformen, neben Playern wie Amazon Business (weltweiter Umsatz: ca. 35 Mrd. US-Dollar), Mercateo (343 Millionen Euro), Ankorstore und Faire. Dass der chinesische B2B-Riese Alibaba.com nun einen der mittelgrossen europäischen Wettbewerber übernimmt, sollte alle anderen Namen im Markt aufhorchen lassen. 

Warum Visable? 

Die erste Frage, die die Übernahme aufwirft lautet: Warum hat sich Alibaba.com für Visable entschieden? 
Von allen Playern im Markt ist Visable der traditionsreichste. Unter dem Namen Wer-liefert-was gibt es das Unternehmen bereits seit Jahrzehnten, zunächst als Procurement-Standardwerk in Ordnerform, später als Online-Variante. 2019 firmierte das Unternehmen zu "Visable" um - und CEO Peter Schmid formulierte anlässlich der Umbenennung das Ziel des neuen alten Unternehmens für die nächsten Jahre: "Wir sind der führende europäische Player im Online-B2B-Bereich und wollen das bessere Alibaba Europas werden“, so Schmid damals. Der Umsatz der WLW-Gruppe sollte von rund 50 Millionen Euro 2018 mittelfristig auf 100 Millionen Euro verdoppelt werden. 

Es fehlt an technologischer Power

2023 ist Visable von diesen ehrgeizigen Zielen noch weit entfernt; 2022 wuchs der Umsatz um nur 3 Prozent, während Wettbewerber wie z.B. Mercateo trotz der herausfordernden Zeiten deutlich stärker wachsen konnten. Technisch kam Visable in der Zeit nicht wesentlich weiter. So ist es nicht möglich, auf den Plattformen des Unternehmens direkte Transaktionen durchzuführen - was wlw und Europages eher zu Branchenverzeichnissen als zu Marktplätzen macht; andere Angebote, mit denen Visable sich von der Konkurrenz absetzen wollte, wie der 2020 eingeführte Matching-Service wlw Connect, entwickelten aufgrund vieler händischer Prozesse bisher nicht das erhoffte Momentum. 
Mit dem Einstieg von Alibaba.com hofft Visable nun auf mehr Gas für die technische Weiterentwicklung. "Wir sind als Unternehmen jetzt an einem Entwicklungspunkt angelangt, an dem wir einen strategischen Partner brauchen, der uns bei der Weiterentwicklung unserer Plattformen wlw und europages unterstützt und dabei auch sein Know How, Produktportfolio und seine globale Reichweite mit einbringt, um unsere Wachstumsstrategie weiterhin erfolgreich umzusetzen", so Schmid. "Die Partnerschaft mit Alibaba.com wird es uns ermöglichen, die Internationalisierung und Optimierung der Visable-Plattformen zu beschleunigen und noch mehr europäische KMU auf ihrem Weg zur Digitalisierung ihrer Marketing- und Vertriebskanäle zu unterstützen." 
Konkret soll das Geschäft in Polen, Italien, Spanien und der Türkei deutlich ausgebaut werden. Und Visable will endlich den längst überfälligen Schritt zur Handelsplattform gehen und Transaktionen auf der Plattform anbieten. Spätestens 2025 soll der Marktplatz starten - aus eigener Kraft hätte das Unternehmen nach Angaben von Schmid zwei bis drei Jahre länger gebraucht. 

Was Alibaba noch alles plant

Alibaba.com hat mit der Übernahme von Visable erfolgreich ausgetestet, wie weit europäische Kartellämter bereit sind zu gehen. Das dürfte Auswirkungen auf die weiteren Expansionspläne des Konzerns haben. Gerüchte über Übernahmepläne von Alibaba in Richtung Zalando, About You, Asos und sogar eBay gab es schon; in Allegro, Trendyol, Farfetch und Miravia steckt schon ein grosser Teil Alibaba drin. Der Erfolg bei der Visable-Übernahme dürfte Alibaba nur darin bestärken, dass der Weg nach Europa auf Übernahmen gebaut werden kann.



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