Der lange Weg der Innovation

Bühne frei

Nach der Ankunft steht schon bald der Pitch an. In diesen steigt Christoph Hahn mit einem Video aus Filmmaterial ein, das am Hackathon aufgenommen wurde. Da das Beratungshaus viele Unternehmen aus der Versicherungsbranche zu seinen Kunden zählt, lag es nahe, eine innovative Lösung für die Versicherer zu realisieren, wie der Leiter des «Technology & Innovations»-Bereichs von Q-Perior erklärt. Im Vorfeld hatte man sich intern bei Q-Perior mit Ansätzen des Design Thinkings der Idee des digitalen Assistenten genähert, da Versicherer es bei schweren und unvorhersehbaren Gewittern in kurzer Zeit mit einer grossen Masse an Meldungen zu tun bekommen. «So haben wir uns für diesen Case entschieden und uns das Ziel gesetzt, innerhalb von 40 Stunden eine digitale und vollautomatisierte Lösung zu bauen», erklärt Hahn vor der Expertengruppe.
Christoph Hahn stellt die entwickelte Lösung im Techspace vor
Quelle: NMGZ
Als Medium der Kommunikation kommt ein Chatbot zum Einsatz, mit dem Kunden der Versicherung einen Hagelschaden melden können. Das Rückgrat der Lösung bildet eine Machine-Learning-Komponente, die das Bild eines Schadens am Fahrzeug automatisch klassifiziert. Gemäss Hahn kann dadurch etwa zugeordnet werden, um welchen Schaden es sich handelt und wie schwerwiegend dieser ist. Wäre auch das Nummernschild erkennbar, könnte sogleich die dazugehörige Police ermittelt werden. Mit in die Lösung baute das Team schliesslich noch eine Blockchain-Komponente ein, um den Schaden anhand von Attri­buten zusätzlich abzulegen. Diese könne später an verschiedene Versicherungen angegliedert werden. Das ermögliche es zu prüfen, ob ein Schadensfall beispielsweise nach einem Halterwechsel bereits zuvor über eine andere Versicherung abgehandelt wurde, erklärt Hahn. «Insgesamt ist es uns wichtig, mit der Lösung zu zeigen, dass auch ganz moderne Technologien in kürzester Zeit lauffähig sein können. Zudem wollen wir keine freien, radikalen Lösungen entwickeln, sondern die bestehenden Geschäfts­prozesse im Unternehmen optimieren und ergänzen.»

Ja, aber ...

Für den digitalen Assistenten erntet das Team nach dem Pitch positive Rückmeldungen. «Wenn es in einer Region ein Unwetter gibt, bauen wir sogenannte Hagelzentren auf. Das kommt bei uns regelmässig vor», erklärt ein Experte. «Dann schicken wir dort ein Paar Gutachter hin, die sich die beschädigten Autos live vor Ort anschauen. Dabei bilden sich immer lange Schlangen und die Kunden müssen warten, bis sie endlich an der Reihe sind.» Eine digitale Abwicklung könne deshalb eine echte Erleichterung darstellen, meint er.
Gleichzeitig sahen die Versicherungsexperten bei der Lösung noch Verbesserungspotenzial – etwa bei der Bild­erkennung. So wäre es ideal, wenn diese so gut funktionieren würde, dass aufgrund der Analyse direkt berechnet werden könnte, wie viel Geld ein Kunde zugute habe, merkte jemand an. Hierbei stösst die Lösung jedoch an ihre Grenzen. Während des InnoJams konnte das Team den Assistenten mit Modellen von SAP so weit trainieren, dass er Autos und Hagelschäden automatisch erkennen kann. So weit, wie sich das die Fachleute aus den Versicherungen wünschen, reichen die Fähigkeiten des digitalen Assistenten allerdings noch nicht. «Das ist aber alles eine Frage der verfügbaren Daten und des Trainings», sagt Hahn. Die Frage sei dann, ob das jede Versicherung mit den eigenen Datensätzen selbst machen wolle oder ob man sich mit anderen Unternehmen zusammenschliesse und die Algorithmen gemeinsam mit Bildern und Informationen versorge.

Viel Aufwand und Sorgen um Arbeitsplätze

Ein weiterer Experte merkt an, dass einzelne Versicherer die Lösung wohl befürworten, aber vermutlich für sich allein beanspruchen möchten. Je nach Grösse des Unternehmens könne dabei jedoch wiederum der Aufwand zu gross sein, die nötige Datengrundlage im Alleingang bereitzustellen. «Interesse an einer solchen Lösung könnte vielleicht der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft haben. Und dort kommen die einzelnen Versicherer sowieso alle zusammen. Ich würde euch deshalb dringend empfehlen, mit denen ins Gespräch zu kommen», lautet sein Ratschlag. Ausserdem macht er den Einwand, dass von der Branche – beispielsweise von der Zunft der Gutachter – Gegenwind zu einer solchen Lösung kommen könne. Denn in diesem Berufsfeld habe ein digitaler Assistent das Potenzial, Arbeitsplätze überflüssig zu machen.
Das Q-Perior-Team posiert im Techspace mit Vertretern von SAP und dem insurHUB
Quelle: NMGZ
Mit zahlreichen Inputs und Empfehlungen der Ver­sicherungsexperten geht das Entwickler-Team nach der aufschlussreichen Diskussionsrunde schliesslich in den wohlverdienten Feierabend, den sie auf der Aussichtsplattform des Fernsehturms einläuten. Dort geniessen sie die Aussicht über die Stadt Berlin und lassen den ersten Tag bei einem gemeinsamen Apéro Revue passieren.


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