Warum Digitalisierungsprojekte scheitern

Konsequenz

Digitalisierungsprojekte scheitern oft gar nicht explizit - sie versanden einfach. Von den vielen Hundert Pilotprojekten und Minimum Viable Products (MVPs) schaffen es nur wenige in den Produktiveinsatz. Viele Digitalisierungsprojekte werden darüber hinaus isoliert voneinander konzipiert, entwickelt und umgesetzt. Diese Puzzleteile mögen zwar für sich genommen sinnvoll sein, ergeben aber keine nachhaltige Gesamtstrategie. «Die grosse Anzahl von MVPs oder Pilotprojekten vernebelt die Sicht auf das Ganze», betont Accenture-Geschäftsführer Thomas Rinn.
Für Carlo Velten ist die konsequente Verzahnung von Projekten ein wesentlicher Erfolgsfaktor. «An erster Stelle steht die Frage, ob das Projekt Bestandteil einer echten Digitalstrategie ist», so der Analyst. Bei Design-Thinking-Workshops und Minimum Viable Products werde häufig den eigentlich  wichtigen Fragen aus dem Weg gegangen: Brauchen die Nutzer das wirklich? Können Sie das Produkt überhaupt bedienen und sind sie bereit, dafür zu bezahlen? «In der Digitalisierung gab es in der Vergangenheit viel Aktionismus», stellt Velten fest. «Man hat einfach jede Menge Projekte gestartet und gehofft, dass ein paar davon erfolgreich sind.» Oft scheitern laut Velten Digitalisierungsprojekte auch an der Realität in der jeweiligen Branche: «Die jungen Leute in den Digital Labs sind zwar kreativ und innovativ, kennen aber das eigentliche Business oft nicht gut genug». Gerade Mittelständler verschätzten sich häufig bei den Kosten und der Komplexität solcher Projekte: «Viele glauben beispielsweise, sie könnten mit einer eigenen IoT-Plattform Geld verdienen, sind aber viel zu klein, um mit den Ökosystemen der Cloud-Provider oder grosser Software-Hersteller wie SAP konkurrieren zu können», sagt Velten. «Es gibt keine Existenzberechtigung für Plattform Nummer 20.»
Falsche Kennzahlen und Anreize können nach Ansicht von Accenture ebenfalls Hürden auf dem Weg zur erfolgreichen Digitalisierung darstellen. Unternehmenserfolg werde nach wie vor an klassischen Kennzahlen und Marktanteilen gemessen, Projekte müssten in drei bis vier Jahren ihre Investitionen wieder hereinspielen, um als erfolgreich zu gelten. Den Accenture-Experten zufolge sollten sich Unternehmen vielmehr an Fragen wie diesen orientieren: «Entsteht durch die Digitalisierung ein neues Geschäftsmodell?», «Wie entwickeln sich die Nutzerzahlen?» und «Wie schnell lassen sich Partner an eine digitale Plattform anbinden?»

Fazit & Ausblick

Die Corona-Krise zeigt es deutlich: Digitalisierung ist für die meisten Unternehmen längst keine Option mehr, sondern ein absolutes Muss. Ohne digitale Transformation sind viele in solchen Ausnahmesituationen - aber nicht nur in diesen - kaum mehr überlebensfähig.
Umso bedauerlicher ist es, dass viele Digitalisierungsprojekte nach wie vor scheitern oder zumindest nicht die erhofften Ergebnisse bringen. Die Verantwortlichen müssen auf vielen Ebenen nachjustieren, um die Projekte im Einzelnen und die Digitalisierung im Ganzen konsequenter voranzutreiben und zum Erfolg zu führen. Die Unternehmenskultur braucht mehr Agilität; Eigeninitiative und Eigenverantwortung sind zu fördern. Digitalisierung muss darüber hinaus unternehmensübergreifend betrachtet werden, der Sinn und Zweck von Projekten ist an ihrem Beitrag zur Gesamtstrategie und ihrem Kundennutzen zu messen. Schliesslich darf auch die Komplexität von Digitalisierungsprojekten nicht unterschätzt werden. Die Transformation erfordert neue Kompetenzen auf jeder Ebene, vom CEO bis zu den Mitarbeitern in der IT und den Fachbereichen. Nur so lässt sich die Erfolgsquote steigern. «Mit jedem gescheiterten Digitalisierungsprojekt verspielen wir die Akzeptanz und das Vertrauen der Anwender», sagt Kammermeier. «Das ist sehr schade.»



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