Zwischen 0 und 1 02.08.2018, 14:50 Uhr

Unsere digitale Zukunft entscheidet sich jetzt

Die digitale Transformation ist auch ein Spielfeld der politischen Akteure. Mit Folgen für die Schweiz. Es braucht Pläne für eine digitale Geopolitik.
Reinhard Riedl leitet das transdisziplinäre Forschungszentrum «Digital Society» an der Berner Fachhochschule
(Quelle: Reinhard Riedl)
Die digitale Transformation führt zu einer globalen Umverteilung von Reichtum. Eindrücklich zeigt sich das im Ranking der wertvollsten Unternehmen der Welt: Die ersten fünf sind Digitalkonzerne. Deren Kassen sind derart prall gefüllt, dass diese Unternehmen seit Langem daran arbeiten, ihre Geschäftstätigkeiten auf fast alles auszuweiten, was skalierbar ist. Spektakulär sind auch die Erfolge der asiatischen IT-Industrie. Durch diese Entwicklung wird die Digitalisierung zunehmend zum geopolitischen Thema. Es geht hierbei um fünf entscheidende Fragen: Wer bestimmt in Zukunft die Spielregeln der digitalen Wirtschaft? Wie gut überleben die staatlichen Institutionen? Gelingt es, mittels einer digitalen Weltordnung, den (meist im Verborgenen ausgetragenen) Cyberkrieg zu begrenzen? Welche Länder bieten den Unternehmen die beste Digital-Infrastruktur? Und nicht zuletzt: Welche Rechte bleiben dem Individuum in der digitalisierten Gesellschaft?
Die wichtigsten Spieler in der digitalen Geopolitik sind die Vereinigten Staaten von Amerika, China, Russland und die Europäische Union. Sie alle wollen die Wertschöpfung bei sich konzentrieren. Dafür investieren sie in Forschung, Ausbildung und Infrastruktur – und sie schaffen Regeln, die ihre Wertvorstellungen etablieren sollen. Digitale Geopolitik sollte auch uns kümmern, weil es die eine, universelle, globalisierte Marktwirtschaft nicht gibt. Es macht einen sehr grossen Unterschied, ob die Schweiz Teil des europäischen Digitalen Binnenmarkts, Teil der digitalen chinesischen Seidenstrasse ist oder eine Kopie des Silicon Valley. Der Schweiz fehlt die Macht, globale Spielregeln zu definieren. Wenn die Schweiz aber digital fit ist, kann sie selbst wählen, welchem Regelsystem sie angehören will.
In der Vergangenenheit hatte die Schweiz anderen Staaten zwei Dinge voraus: eine sehr gut funktionierende Verwaltung und ein hervorragendes Schulsystem. Ob das auch in Zukunft so bleiben wird, entscheidet sich aktuell. Wesentliche Teile der Verwaltung weigern sich, digitale Fähigkeiten zu erwerben. Dem steht positiv gegenüber, dass die Verwaltung endlich daran geht, ein Fundament für die digitale Infrastruktur zu bauen – etwa mit zentralen Datenregistern, Experten sprechen von der integrierten Registerlandschaft, und einem Ökosystem für Vertrauensdienste. Ähnlich «gemischt» ist die Situation in den Bereichen Bildung und Forschung: Viele wollen sich dort nach der Logik der analogen Welt digitalisieren und werden auf diese Weise irgendwann nutzlos werden. Allerdings gibt es auch namhafte Versuche, Digital Skills breit zu vermitteln, etwa durch die Stärkung in der schulischen Ausbildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT-Fächer). Oder durch Weiterbildungsangebote in angewandter Datenwissenschaft an den Hochschulen. Hinzu kommt der Trend, transdisziplinär digital zu forschen.
Obwohl es bei uns weniger unbedingten Leistungswillen als in Asien, weniger Unternehmertum als in den USA und kaum politisch-strategisches Denken wie in China gibt, haben wir dank Verwaltung, Bildung und Forschung trotzdem gute Zukunftschancen. Noch! Politische Autonomie wird es allerdings nur mit Digital Skills geben. Ohne digitale Transformation von Staat, Schulen und Forschung werden wir zu einem Themenpark der Demokratie am Ende der chine­sischen Seidenstrasse. Wollen wir das?



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