Ballmer 10.10.2008, 03:34 Uhr

"Wir verpassen die Cloud nicht"

Microsoft will ins Cloud Computing einsteigen, ohne die Brücken zum Rechnen auf PCs und Servern ganz abzubrechen. Dies erklärt Steve Ballmer, CEO von Microsoft, im Exklusiv-Interview.
Will dem Trend «Cloud Computing» nicht hinterherhecheln: Microsoft-Chef Steve Ballmer
Microsoft-CEO Steve Ballmer hat sich vor Kurzem in London zur Strategie der Software-Herstellerin im Bereich Business Software geäussert. Am Rande der Veranstaltung gab Steve Ballmer ein Interview zu diesen Zukunftsplänen.
Computerworld: Wie sieht Cloud Computing aus Sicht von Microsoft aus? Warum sollten Firmen bei Ihnen Rechenkapazität mieten statt bei Konkurrenten wie etwa Google?
Steve Ballmer: Als etabliertes Unternehmen dürfen wir die nächste Computing-Revolution keinesfalls verpassen. Deshalb werden wir Cloud Computing, also die Kombination aus Software und Dienstleistungen, verinnerlichen. Ich möchte keine Ankündigungen der demnächst stattfindenden Professional Developers Conference (PDC) vorwegnehmen. Nur so viel: Wir werden beim Cloud Computing ein breites Angebot aufweisen und mindestens so gut aufgestellt sein wie die Konkurrenz. Google hat eine Super-Suchmaschine - aber das wars dann auch. Bei E-Mail, Produktivitäts- und Collaborationsprodukten hat Google gerade für Geschäftskunden wenig zu bieten. Zugegeben: Google ist am Spielfeldrand aufgetaucht und versucht mitzuspielen. Aber sie kicken noch nicht richtig.
Unsere Strategie beim Cloud Computing lautet daher: Wir wollen unseren Kunden einen möglichst direkten und ebenen Weg anbieten von ihrer jetzigen IT-Infrastruktur, in die sie viel Geld investiert haben, zu einem künftigen Cloud-Angebot.
Computerworld: Wird es ein Office fürs Web geben, also Anwendungen, die mit den Online-Applikationen von Google vergleichbar sind?
Ballmer: Das sind nicht gerade beliebte Produkte. Google Text und Tabellen brauchen nur sehr wenige Anwender, und die Wachstumsraten sind vernachlässigbar. Unsere Online-Applikationen sind hoffentlich besser. Sie werden eher gegen Office antreten. Die Anwender wollen nämlich nach wie vor eine mächtige Software wie Office auf dem Desktop. Daneben wünschen sie sich natürlich auch, in einem Internet-Café einen Text zu verfassen. Dafür werden wir eine webbasierte Lösung anbieten.
Was aber bedeutet eigentlich webbasiert? Sollen die Applikationen einfach nur im Web-Browser laufen? Nein, das wäre für unsere Begriffe ein viel zu schmalbrüstiges Angebot. Aber wir sind natürlich für coole Funktionen, die im Browser laufen. Ich glaube mit diesen Hinweisen habe ich schon genug verraten. Den Rest erfahren Sie während der PDC.
Computerworld: Nochmals zum Cloud Computing: Werden Sie jetzt Rechenzentren bauen oder mit Partnern zusammenspannen?
Ballmer: Wir werden hier verschiedene Geschäftsmodelle beschreiten. Es wäre verrückt und vermessen, wenn Microsoft sich anschicken würde, alle Rechenzentren der Welt zu betreiben. Anfangs bieten wir sicher Dienste über ein Microsoft-Rechenzentrum an. Aber wir haben bereits weitere Optionen diskutiert. Hierbei könnten Partner unser Dienstleistungspaket hosten. Entsprechende Gespräche wurden bereits geführt.
Ob die Cloud im eigenen Rechenzentrum läuft oder in einem fremden: Die Vorgaben müssen dieselben sein. So muss sicher gestellt werden, dass die Software immer - und zwar in Echtzeit -auf dem neusten Stand gehalten wird. Wir werden also einen "Service des Service" definieren müssen.
In Version 1 unseres Cloud-Angebots werden wir auf ein eigenes Data Center setzen. Der Dienst ist dann vergleichbar mit dem Modell von Amazon. In einer späteren Phase werden wir die Cloud-Funktionen auch in unsere Server-Software einbauen. Dann ist im Grunde genommen jeder, der einen Server von uns betreibt, in der Lage, selbst Cloud Computing anzubieten.
Computerworld: Kurzer Themenwechsel: Warum haben Sie eigentlich den Zune-Player entwickelt?
Ballmer: Wir haben erkannt, dass alle Inhalte irgendwann digitalisiert sein werden. Wenn wir also keine Software und Dienste anbieten, mit denen Musik und Filme konsumiert werden können, manövrieren wir uns ins Abseits.
Noch bildet der Zune eine Einheit aus Software und Hardware. Aber schon bald werden wir die Software auch auf den PC und aufs Windows-Mobile-Smartphone portieren.
Computerworld: Reicht das, um gegen Apple einen Stich zu haben? Mit dem iPod hat Apple nicht nur ein gutes Produkt, sondern es ist der Firma auch gelungen, eine Art Kult um das Gerät zu propagieren. Mittlerweile gibt es Leute, die kaufen sich die Dinge nur, weil sie von Apple stammen. Ist es da nicht etwas frustrierend, ein Konkurrenzprodukt anzubieten?
Ballmer: Apple mag Kult sein im Musikgeschäft. Wir haben dagegen 97 Prozent der PC-Anwender, die unsere Software verwenden. 97 Prozent, das ist natürlich alles andere als kultig. Aber ich will diesen Anteil keinesfalls gegen einen Kult eintauschen.



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