10.06.2009, 09:39 Uhr

Weg von SAP

Das Schweizer Unternehmen Katadyn, weltweite Nummer eins für Wasser­filter, hat SAP den Rücken gekehrt. Seit Kurzem werden Aufträge, Produktion und Planung mit dem ERP-System von Abacus abgewickelt.
Portable Wasseraufbereitung: das Geschäft von Katadyn
Andreas Brauchli ist Partner beim Abacus-Vertriebspartner bsb.info.partner AG, Urdorf und St. Gallen
Was internationalen Hilfsorganisationen und Armeespezialeinheiten zur Überlebenshilfe und Lebensrettung einsetzen, wird auch von Trekking-Enthusiasten geschätzt: Sie setzen auf Produkte der Walliseller Firma Katadyn zum Aufbereiten von Trinkwasser. Katadyn hat bei der portablen Wasseraufbereitung einen Weltmarktanteil von über 50 Prozent. Jährlich verlassen über 100000 Wasserfilter, 200000 Filterelemente und 10000000 Wasser-Desinfektionstabletten das Werk im zürcherischen Wallisellen. Ende der 1990er-Jahre führte ein Management-Buy-out unter der Leitung des heutigen Verwaltungsratspräsidenten Adrian Schmassmann zur aktuellen Firmenstruktur. Heute erwirtschaften rund 90 Mitarbeiter weltweit einen Umsatz von rund 35 Millionen Franken. Niederlassungen gibt es in Deutschland, Frankreich, Schweden, den USA und Singapur.
Aber nicht allein die Ausrichtung auf Konsumprodukte hat das Unternehmen Schmassmann zu verdanken. Er hat nach dem Vorbild des Fahrzeugkonzerns Toyota in seinem Betrieb für eine auf Schweizer Verhältnisse angepasste Umsetzung der japanischen Arbeitsmethode Kaizen gesorgt. Sie hilft, die Zufriedenheit der Mitarbeiter und gleichzeitig die Effizienz in der Produktion, im Vertrieb und in der Administration zu steigern. Der Fokus ist darauf gerichtet, Verschwendungen auf allen Ebenen des Unternehmens zu reduzieren. So wird etwa in der Produktion versucht, alle überflüssigen Bewegungen und Transporte mithilfe einer intelligenten Arbeitsprozessgestaltung zu vermeiden. Es kommt der sogenannte One-Piece-Flow zum Einsatz, bei der die Fertigung auf Basis einzelner Werkstücke erfolgt, die ohne Zwischenlagerung oder Puffer durch das gesamte Produktionssystem fliessen. Damit ist auch eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit garantiert: Wo sonst der Produktionsablauf in verschiedenen Produktionsschritte segmentiert ist, ist hier der einzelne Mitarbeiter für die Montage eines gesamten Produkts zuständig. Positiv für das Unternehmen ist nicht nur ein hohes Engagement der Mitarbeiter, sondern auch das Faktum, dass sich je nach Auftragsbestand und Bedarf gerade mal so viel Personal einsetzen lässt, wie es gerade braucht. Somit können auch kleine und Kleinst-Losgrössen wirtschaftlich produziert werden.
Die strikte Anwendung des Kaizen hat auch Konsequenzen fürs ERP-System. So muss die Software keine Einkaufsdisposition aufgrund von ermittelten Bedarfsabklärungen erstellen. Einkaufsbestellungen werden von den Mitarbeitern mit sogenannten Kanban-Karten ausgelöst, wenn der Soll-Bestand im Lager unterschritten ist. Die klare und konsequente Preispolitik des Nischenanbieters Katadyn konnte mit dem Konditionen- und Rabattsystem des ERP-Systems problemlos abgebildet werden.

Die Ausschreibung

Als 2006 der Support des bestehenden R/3-Systems von SAP aus den 1990er-Jahren nicht mehr gewährleistet war, stellte sich die Frage der Ablösung der alten Software. Sie war zwar schnell und die Mitarbeiter hatten sich über viele Jahre hinweg daran gewöhnt. Dagegen stand, dass die Funktionalitäten nicht ausgenutzt wurden, der Aufwand für ein Upgrade weder zeitlich noch finanziell lohnend war und sich im System zu viele Altlasten aus der Zeit vor der Aufgliederung der Gesellschaft befanden. R/3 war für die Bedürfnisse eines KMU wie Katadyn zu umfangreich.
Evaluiert wurden die KMU-Lösungen der vier wichtigsten ERP-Anbieter Sage, SAP mit Business One, Microsoft mit Navision und Axapta sowie Abacus Research mit dem gleichnamigen Produkt. Der Erste reagierte gar nicht auf die Ausschreibung. Nach den Präsentationen mit den Übrigen kamen die Katadyn-Verantwortlichen zum Schluss, dass alle Lösungen sämtliche geforderten Aufgaben erledigen konnten. Die KMU-Lösung von SAP fiel aufgrund des Preises und des zu grossen Funktionsumfangs ebenso wie Axapta aus den Traktanden. Obwohl Katadyn explizit nur eine Lösung für den Standort Wallisellen und keine international einsetzbare Software gesucht hatte, wurden Systeme mit bis zu 40 Sprachen gezeigt. Statt des gewünschten flexiblen und wendigen Kleinbusses wurden mit diesen beiden Lösungen sozusagen nur Luxuscars angeboten.
Blieben als weitere Wahlkriterien die Qualität der Berater und Integratoren sowie die Einarbeitungszeit in die Software übrig. Die Abacus-Partner von bsb.info.partner reagierten im Rahmen der Software-Präsentationen umgehend auf Anforderungen und Wünsche, die Chemie zwischen den Beratern und dem Katadyn-Team stimmte sofort. Da fiel schliesslich die Wahl leicht, zumal Abacus auch wesentlich günstiger zu stehen kam als eine SAP-Lösung.
Da das Abacus-ERP zudem intuitiv zu bedienen ist, fallen keine grossen Ausbildungskosten an. Die Ausbildung der Mitarbeiter erfolgte schliesslich im Rahmen der Software-Einführung in Form von learning by doing mit Unterstützung der Berater.
Abacus-User-Treff

Am 17. und 19. Juni findet die Abacus User Conference 2009 statt. Das Motto in diesem Jahr: «Tapetenwechsel». Vorgestellt werden Praxislösungen, neue Funktionen und Technologien rund um Abacus. Computerworld ist Medienpartner. Mehr Infos: www.abacus.ch

Die Umsetzung

Die grösste Herausforderung bestand in der Übernahme und Pflege der Stammdaten aus dem alten SAP-System. Trotz Nachbesserungen einiger Funktionen, deren Fehlverhalten erst durch den Produktionsbetrieb zu Tage traten, erfolgte die Einführung recht problemlos. Um eine optimale Produktion zu gewährleisten, wurden für jeden Arbeitsschritt Standard-Operations-Pläne (SOP) erstellt, die es den Mitarbeitern erlaubten, sich mit minimalem Zeitaufwand mit den Fertigungsrichtlinien vertraut zu machen. Sämtliche Produktionsschritte waren klar und einfach dokumentiert und visualisiert. Dazu gehörte auch der Materialfluss für die Materialbeschaffung. Jeder Lagerplatz ist mit zwei sogenannten Kanban-Karten ausgestattet. Sie informieren über den Ist-Zustand der Materialien. Der darauf vorhandene Barcode wird am nächsten Abacus-Terminal eingescannt. Dort ist hinterlegt, welcher Artikel in welcher Stückzahl bei welchem Lieferanten oder in der eigenen Produktion beschafft werden muss. Automatisch wird im Bestellprogramm nach dem offenen Rahmenvertrag gesucht und ein Abruf oder ein neuer Produktionsauftrag ausgelöst. Die Karte wird dann zur Warenannahme weitergeleitet, wo der Wareneingang zur entsprechenden Funktion auch visuell überwacht werden kann.
Die geplanten Verkaufszahlen von Endprodukten werden auf Monatsebene vom jeweils zuständigen Verkäufer im Abacus Management-Informationssystem (MIS) als Budgetwerte erfasst oder über die Schnittstelle aus Excel eingelesen. Daraus wird zur Planung automatisch der Materialbedarf pro Artikel und
Monat errechnet. Den Disponenten bei Katadyn stehen so für jeden Artikel eine detaillierte Bedarfsprognose für die kommenden zwölf Monate zur Verfügung.
Durch die Integration aller Module kann das System direkt aus den Verkaufsaufträgen Lieferantenbestellungen auslösen oder Aufträge generieren. Die Rückverfolgbarkeit ist durch die Chargen- und Seriennummernverwaltung gegeben. Zusätzlich kann der Aussendienst auf die Software zugreifen und im CRM-Modul, das auf der Abacus-Adressverwaltung aufbaut, Daten erfassen und Informationen abfragen.
Die Anbindung der deutschen Tochtergesellschaft von Katadyn in Frankfurt am Main ans System in Wallisellen wurde speditiv und kostengünstig vorgenommen.

Optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis

Das für Katadyn wichtige Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt bei Abacus. Sowohl die Finanzapplikationen als auch die Auftragsabwicklung mit dem Verkaufs- und Einkaufsmodul inklusive der Chargen- und Lagerverwaltung erfüllen die Anforderungen. Katadyn verfügt mit Abacus zusätzlich über ein Führungswerkzeug, das alle relevanten Zahlen liefert, von denen die Geschäftsleitung und die Produktionsmitarbeiter profitieren.
Der IT-Leiter bei Katadyn etwa hat sich inzwischen so viel Abacus-Know-how angeeignet, dass er heute in der Lage ist, selbstständig gewisse Konfigurationen und Einstellungen vorzunehmen, ohne jedes Mal den Berater zu konsultieren oder sogar beizuziehen. Damit hat Katadyn eine gewisse Autonomie vom Abacus-Vertriebspartner erreicht, was evenfalls dazu beiträgt, Kosten zu sparen. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir mit SAP eine ähnliche Autonomiestufe hätten erreichen können», erklärt Wolfgang Reiners, CFO von Katadyn. Immerhin hat Katadyn von SAP gelernt, so sein Fazit, dass man Systeme nie veralten lassen sollte
Abacus bei Katadyn

Produkte im Einsatz
Auftragsbearbeitung 32 Benutzer
PPS 18 Benutzer
Adressmanagement 24 Benutzer
Debitorenbuchhaltung 8 Benutzer
Kreditorenbuchhaltung 6 Benutzer
Anlagen-/Lohnbuchhaltung 4 Benutzer
Finanzbuchhaltung 14 Benutzer
Electronic Banking 1 Benutzer

Systemumgebung
8 Server, 34 Arbeitsplatzrechner,
Terminalserver

Datenmengen
Kunden/Lieferanten 1000/1200
Artikel und Baugruppen 3000
Produktionsaufträge pro Jahr 15?000
Verkaufsaufträge pro Jahr 2500
Andreas Brauchli



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