Von der IT lernen 06.09.2010, 06:00 Uhr

Prozess-Benchmarking

In den Prozessen eines Unternehmens steckt viel Einsparpotenzial. Management und Fachabteilungen müssen jedoch wissen, wo die Stellschrauben sitzen. Ein Benchmarking, das sich an den harten Fakten in SAP-Anwendungssystemen orientiert, schafft die nötige Transparenz.
Matthias Schmitt, Senior Manager und Projektleiter für den Aufbau des Geschäftsfeldes "VMS Process Dashboard" bei der VMS AG Zwanzig Prozent auf alles!» Der Schlachtruf jeder Schlussverkaufssaison wird bei manchem Verantwortlichen in operativen Fachbereichen bestenfalls ein gequältes Lächeln hervorbringen - weiss er doch, dass seine Organisation permanent unter dem Druck steht, Kosten einzusparen und gleichzeitig Leistung und Qualität zu steigern. Nach ersten, der konjunkturellen Grosswetterlage geschuldeten Sparrunden, stossen jedoch immer mehr Unternehmen beim Versuch, weiter Kosten zu senken, an ihre Grenzen. Den Verantwortlichen bereitet es zunehmend Schwierigkeiten, den «Speck» in ihren Geschäftsprozessen zu identifizieren. Sie wissen aber auch, dass angesichts der Grössenordnung von Prozesskosten schon eine kleine Verbesserung im einstelligen Prozentbereich eine enorme Hebelwirkung entfalten kann.

Reale Zahlen direkt aus dem ERP

Das Problem: Die traditionellen Verfahren oder Vorgehensweisen zum Benchmarking der Unternehmens-leistung sind oft zu ungenau, um konkrete Schwachstellen zu identifizieren. Die Kennzahlen aus allgemeinen Studien zur Branche fokussieren meist auf die finanztechnische Sicht und lassen damit die Kerngeschäfts-prozesse aussen vor. Zur Ableitung konkreter Massnahmen fehlt es auch an einer präzisen Definition, wie die Kennzahlen ermittelt und abgegrenzt werden. Ähnlich verhält es sich mit branchenbezogenen Vergleichen von Unternehmen (Peer-Group-Benchmark), deren Grundlage von Beratern manuell mit Fragebögen ermittelt wird. Schon bei der Erfassung der Daten entstehen hier Abweichungen, da die Definitionen der einzelnen Kennzahlen unterschiedlich interpretiert, berechnet oder mit einem anderen Zeitbezug versehen werden. Was die Unternehmen aber wirklich brauchen, sind:
  • Präzise Informationen, welche die Kernprozesse transparent widerspiegeln und damit Einblick in die eigene Leistungsfähigkeit geben.
  • Den Vergleich mit anderen Unternehmen, um über die Abweichungen das eigene Potenzial beurteilen zu können.
  • Die Möglichkeit, über die Zusammenhänge zwischen Kennzahlen und Marktvergleichswerten die richtigen Schlüsse für Verbesserungsmassnahmen zu ziehen.
Diese Aufgaben können heute, aufbauend auf den ERP-Systemen, weitaus weniger mühsam und kostspielig bewältigt werden, als es herkömmliche Verfahren vermuten lassen. In den SAP-Anwendungssystemen werden alle relevanten Prozessabläufe automatisch erfasst, da jeder Geschäftsvorfall im System als Beleg dokumentiert wird. Diese Belege sind jedoch noch nicht für die Weiterverwendung in der Prozessbewertung aufbereitet. Diese Aufbereitung erfolgt in drei Schritten:
  • Erstens muss ein kundenunabhängiges, einheitliches Kennzahlengerüst erstellt werden, das den unternehmensübergreifenden Vergleich erlaubt.
  • Zweitens muss dieses Modell mit Echtdaten aus den SAP-Systemen befüllt werden.
  • Und drittens wird eine Software benötigt, die diese Daten transparent und intuitiv darstellt und zielführende Analysen ermöglicht.
Für die Supply Chain bietet es sich an, die Kennzahlen nach einem breit akzeptierten Modell wie dem Supply-Chain-Operations-Reference-Modell (SCOR) auszuwählen. Für alle Unternehmen werden nach dem gleichen, transparenten und wohldokumentierten Verfahren Kennzahlen erstellt, etwa zu Einkaufsprozessen (Kosten pro Bestellung, Bestellungen pro Einkäufer, Anzahl Bestellpositionen etc.), Lagerprozess (Reichweite, Lager-umschlag etc.), Lieferantensteuerung (Erfüllungsgrad nach Bestellposition oder Lieferant, Termintreue nach Lieferant etc.) oder Auslieferung (Liefertreue, Abweichung Versand, Retourquote etc.). Diese sind auf unterschiedlichen organisatorischen Ebenen verfügbar, um beispielsweise die Leistung des Lagerprozesses aus der Perspektive der Firma, des Werks, des Lagers oder der Bestandsart zu betrachten. Befüllt wird das Modell aufwand- und kostenschonend mithilfe eines Messprogramms, das SAP-Systeme zu prozessbezogenen Kennzahlen befragt, statt aufwendig von Grund auf neue Erfassungssysteme für prozessbezogene Daten zu implementieren. Im Anschluss werden diese harten Fakten aus den SAP-Transaktionssystemen in einem Process Dashboard (siehe Grafik, links) automatisiert zu detaillierten Kennzahlen aufbereitet und in eine Vergleichsdatenbank überführt.  

Cross Industry Benchmarking

Der grosse Vorteil eines solchen Aufbauprinzips ist, dass die Vermessung der Prozesse auf realen Daten aus dem ERP-System aufbaut und für alle Teilnehmer die gleiche Kennzahlberechnung zugrunde legt. Erst auf diesem Weg wird eine vergleichende Analyse möglich - intern zwischen Einheiten eines Unternehmens oder extern mit anderen Vertretern, der eigenen Branche oder in fremden. Das von VMS entwickelte mathematisch stochastische Modellierungsmodell verwendet hierzu gewichtete Vergleichsgrössen und Kennzahlenzusammenstellungen, um bei aller Individualität der Prozesse eines Unternehmens die Vergleichbarkeit sicherzustellen. Wesentliches Kennzeichen eines solchen DNA-Level-Benchmarks ist die Auflösung starrer Peer-Gruppen. Denn oftmals prägen die unterschiedlichen
Managementphilosophien (Kostenführerschaft, Qualitätsführerschaft etc.) den Aufbau und die Prozesse eines Unternehmens mehr als die Branchenzugehörigkeit. Gleichzeitig erlaubt der Blick über den Zaun Ansätze, die in anderen Branchen erfolgreich umgesetzt wurden, gegebenenfalls für die eigene Organisation zu bewerten. Ein solches Cross Industry Benchmarking ist spätestens seit den 1990er-Jahren bekannt. Southwest Airlines verglich damals seine Prozesse zur Abfertigung von Flugzeugen (Anflug - Service - Abflug) mit dem Boxenstop der Formel 1, um zu lernen, wie man detailliert optimieren kann. Das Ergebnis: Es entstand eine der ersten Billigfluglinien!  

Schwachstellen erkennen

Die vergleichende Analyse lenkt also schnell den Blick des Managements auf bisher nicht wahrgenommene Schwachstellen und gibt Anregungen zur Verbesserung für die eigene Prozessexzellenz. Dann heisst es vielleicht am Ende nicht mehr «20 Prozent auf alles», sondern «20 Prozent auf die Lagerreichweite, das vermeidet 2 Prozent Prozesskosten». Bei einem Konzern kommen hier Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich zusammen. Aber nicht allein die Einsparungen zählen. Prozessexzellenz wird immer entscheidender für die Produkt- und Lieferqualität. Bei zunehmender Wettbewerbsintensität sind das die entscheidenden Faktoren zur langfristigen Verbesserung der eigenen Position im Markt.
Matthias Schmitt


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