Swiss-IT-Studie 10.04.2019, 06:26 Uhr

Hier investiert die Schweiz in die IT-Zukunft

Den meisten Schweizer Unternehmen hilft die Informatik beim Optimieren ihres Kerngeschäfts. Einige Betriebe nutzen die IT aber auch gezielt, um zusätzliche Produkte und Services zu lancieren. Computerworld gibt einen Überblick über die neusten Projekte.
Bühler hat die Sortieranlage «LumoVision» mit Azure verbunden
(Quelle: Bühler/Thomas Eugster)
Die Schweizer Wirtschaft investiert in den nächsten drei Jahren weiter kräftig in Informatik. Wie bis anhin auch schon nehmen die Sparten Industrie und Finanzen am meisten Geld für IT in die Hand. Die Zahlen des Marktforschungshauses IDC belegen, dass das ver­arbeitende Gewerbe schon im Vorjahr die Schwelle von 5 Mil­liarden Franken überschritten hat. Das Kredit- und Ver­sicherungswesen übertrifft die Marke im laufenden Jahr. Bis 2022 wachsen die Ausgaben in der Industrie dann aber stärker als die im Finanzbereich (vgl. Grafik).
Das kräftigste Plus bei den IT-Ausgaben erwarten die Marktforscher in der Informatikbranche. Allein im nächsten Jahr steigt die Investitionssumme über 5 Prozent. So wird der IT-Sektor die öffentlichen Verwaltung 2021 bei den Investitionen in die Informatik sogar überholen: 1,85 Mil­liarden Franken sind es laut IDC dann in der IT, «nur» noch rund 1,83 Milliarden bei den Behörden. Ebenfalls neu: Das Gesundheitswesen sowie der Sektor Transport und Verkehr liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wer mehr in die IT steckt.
Einige dieser Entwicklungen zeichnen sich bereits ab. Computerworld blickt deshalb auf ausgewählte IT-Projekte der vergangenen zwölf Monate zurück und fasst branchentypische Entwicklungen zusammen. Insgesamt wurden in dem Zeitraum über 900 IT-Vorhaben in der Schweiz respektive von einheimischen Unternehmen registriert.
Die Informatikfirmen werden ab 2021 zum drittgrössten Investor in IT – hinter der Industrie und dem Finanzsektor
Quelle: Computerworld/IDC Blackbook

Allenthalben ERP-Projekte

Weniger die Digitalisierung des Geschäfts als vielmehr die schlichte Notwendigkeit eines Software-Updates ist bei meh­reren Schweizer Industriekonzernen ein Hauptgrund für IT-Investitionen. Allenthalben laufen ERP-Migrationsprojekte. Der Wechsel auf die S/4Hana-Plattform von SAP muss bis 2025 über die Bühne sein. Die Industriebetriebe Agathon, Komax, Perlen Packaging, Pi2 Process, Ricola, Rondo und Uster Technologies setzen auf die Technologie des deutschen Weltmarktführers und haben im abgelaufenen Jahr neue ERP-Lösungen eingeführt. Auf IFS Applications gewechselt haben hingegen der St. Galler Kunststoffspezialist Haka­Gerodur und der Basler Prüfgerätehersteller Sotax. Bei der Vat Group in Benken SG wird aktuell vom IT-Dienstleister BE-terna Microsofts Dynamics 365 implementiert.
Die Sotax Gruppe implementiert das ERP von IFS
Quelle: Sotax Group
Bei mehreren Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes zeichnet sich der Trend ab, die Geschäftssysteme in die Cloud auszulagern. Vielenorts wird den Hyperscalern zwar wegen des Datenschutzes nicht über den Weg getraut, insbesondere bei global tätigen Konzernen kommen aber auch sie zum Zug. Die Maschinenbaufirma Agathon hat gemeinsam mit bbv eine Monitoring-Lösung realisiert, die sowohl in der Google Cloud als auch Microsoft Azure arbeitet. ABB will in Zukunft unter anderem global das CRM von Salesforce nutzen. Mit der IoT-Lösung des US-amerikanischen Anbieters will ABB die Betriebsdaten aus vernetzten Ge­räten auswerten, zum Beispiel, um die Wartungsqualität zu erhöhen. Der Lebensmittelriese Nestlé vernetzt zunächst seine weltweit 210'000 Mitarbeiter. Dafür wurde Anfang Jahr mit dem Rollout von Workplace by Facebook begonnen. Einen kleinen Auftragswert dürfte die Auslagerung der Server von Stadler Rail in die Schweizer Rechenzentren von Equinix haben. Das gilt auch für die Outsourcing-Verträge zwischen dem Heiztechnikhersteller Hoval und Swisscom, den Deal zwischen Stihl Kettenwerk und dem IT-Dienstleister UMB sowie V-Zugs Full Outsourcing zu T-Systems.
Sowohl beim ERP als auch der Cloud ist der Industriekonzern Bühler bereits gut aufgestellt, sagte CIO Manfred Goetz der Computerworld. Er und seine Kollegen aus dem Business lancierten in den vergangenen Monaten diverse Maschinen mit IT-Features. Dazu zählt die datengestützte Getreidesortieranlage «LumoVision», «MoisturePro» für die Cloud-gesteuerte Trocknung von Lebens- und Futtermitteln sowie die Silo-Überwachungslösung «PreMa» für Getreidelager und das Reis-Prüfgerät «TotalSense», beide mit Anschluss an Microsoft Azure für die Analytik.

«Operation am offenen Herzen»

Microsoft hat mehr als einen triftigen Grund, in der Schweiz mit Cloud-Services präsent zu sein. Die gemeinsamen Projekte mit Bühler sind ein erster, die Anforderungen des zweitgrössten IT-Investors ein zweiter. Die Schweizer Banken und Versicherungen wollen ebenfalls Ressourcen in die Cloud verlagern oder Services aus den Rechenzentren beziehen. Wer im Finanzsektor seine Kundendaten auslagern will, besteht bis anhin noch auf einem Schweizer Standort. Den besitzt Microsoft dann demnächst (vgl. unten). Über die voraussichtlichen Millionen-Abschlüsse berichtet Computerworld später in diesem Jahr. 
Hunderte Millionen hat sich die Raiffeisen ihr neues Kernbankensystem kosten lassen. Die Renovierung und Einführung war Ende Januar abgeschlossen. Damals war zu lesen, dass «Raiffeisen und Avaloq IT-Geschichte schreiben. Erstmals in der Finanzindustrie werden 246 Raiffeisenbanken, 6 Niederlassungen und die Zentralbank auf einer Plattform betrieben». Das Projekt ging allerdings nicht ohne Verzögerungen und Mehrkosten zu Ende. Von mindestens einem Jahr Verspätung und mehr als 200 Millionen Franken zusätzlichem Budget ist die Rede. Damit nicht genug, wird das System neu noch von offensichtlichen Kinderkrankheiten heimgesucht. Die Raiff­eisen-Informatik wird voraussichtlich nicht ohne weitere Investitionen auskommen in diesem Jahr.
Von grösseren Störungen verschont blieb die neue Kernbanken-Software der PostFinance. Sie war vor gut einem Jahr eingeführt worden. PostFinance-CIO Markus Fuhrer sprach im Vorfeld von einer «Operation am offenen Herzen». Sie ist gelungen. Neu investiert der Finanzdienstleister in bankenferne Bereiche: ein Big-Data-Archiv, einen fran­zösischsprachigen Chatbot, ein konzernweites CRM, ein E-Sports-Team, eine Hypothekenvermittlungsplattform und ein biometrisches Login-Verfahren für das E-Banking.
Bei PostFinance in Bern läuft seit einem Jahr ein neues Kernbankensystem
Quelle: PostFinance
Bis anhin noch keine Lösung bietet PostFinance den­jenigen Kunden, die sich für eine digitale Wertanlage inte­ressieren. Andere Schweizer Finanzdienstleister sind diesen Schritt bereits im abgelaufenen Jahr gegangen. Den Anfang machte Swissquote, die seinen Kunden seit Ende vergangenen Jahres die Beteiligung an Initial Coin Offerings (ICOs) ermöglichte. Der Infrastrukturbetreiber SIX baut mit Corda Enterprise eine digitale Börse. Die liechtensteinische Union Bank, die Genfer Dukascopy Bank und das Baarer Start-up Alprockz wollen demnächst jeweils eigene Kryptowährungen herausgeben, mit denen Finanz­geschäfte getätigt werden können. Und die angehende Schweizer Kryptobank Seba will mit dem Kernbankensystem Finstar der Hypothekarbank Lenzburg und mit Unterstützung von Julius Bär eine Brücke schlagen zwischen der traditionellen Finanzwelt und digitalen Vermögenswerten.

Wirbel um E-Voting, E-Umzug kommt

Die Fortschritte im Schweizer E-Government sind trotz Milliardeninvestitionen in Informatik eher gering. Die Behörden sprachen im vergangenen Jahr zwar sehr häufig über ihre IT-Projekte – Computerworld zählte über 250 Ver­öffentlichungen allein in diesem Bereich – eine wirklich signifikante Entwicklung war allerdings nicht auszu­machen. Eher das Gegenteil ist der Fall. 
Ein digitaler «eCityplan» steht neu am Zürcher Paradeplatz
Quelle: Amt für Städtebau Zürich/Juliet Haller
Sollte das Sprichwort «Konkurrenz belebt das Geschäft» auch für das E-Voting gelten, gab es Ende vergangenen Jahres einen massiven Dämpfer. Damals erklärte der Staatsrat des Kantons Genf sein selbstentwickeltes Abstimmungssystem «CHVote» für tot. Und liess die Kantone Aargau, Basel-Stadt, Bern, Luzern, St. Gallen und das Waadtland im Regen stehen. Ihre jahrelangen Tests des Genfer Systems waren damit wertlos geworden. Die Konkurrenz, die Schweizerische Post, frohlockte ob der potenziellen Neukunden (und der zukünftigen Monopolstellung beim E-Voting). Die Kantone Bern und St. Gallen zeigen sich schon bald wechselwillig, die Übrigen prüfen die Optionen noch. Allenfalls finden sie eine Alternative im Crypto Valley, wo das Start-up Procivis gemeinsam mit der Stadt Zug ein Blockchain-basiertes E-Voting-System getestet hat. 
Der Kanton Zug ist zusammen mit dem Aargau, Uri und Zürich auch Vorreiter beim landesweiten Projekt E-Umzug. Bis Ende 2019 sollen alle Einwohner einen Wohnortwechsel elektronisch melden können. Dafür hatte der Kanton Zürich vor fast fünf Jahren das Projekt «eUmzugZH» lanciert. Die Anbieter Aspectra und Emineo trugen zur Entwicklung eines eCH-Standards bei, der unterdessen in diverse Einwohnerkontrolllösungen implementiert ist. Nun trägt die Zürcher Entwicklung Früchte: In einigen Gemeinden der Kantone Appenzell Ausserrhoden, Bern, Glarus, Graubünden, Luzern, Schwyz, St. Gallen und Thurgau laufen Pilote. Das Projekt «eUmzugLUAgglo» in der Stadt Luzern und acht weiteren Gemeinden kostet den Kanton beispielsweise rund 30 000 Franken.
Die Schweizer Grossstädte haben sich im abgelaufenen Jahr allesamt eine «Smart City»-Strategie verordnet. Hier gehen die Kosten in die Millionen. Die Projekte in Zürich sollen die Verwaltung digitalisieren, den Verkehr elektrifizieren und die Partizipation der Einwohner vereinfachen. Bereits installiert sind 16 «eCityplan»-Informationsstelen. Kostenpunkt hier allein eine Halbe Million Franken. In Genf sind die Smart-City-Vorhaben eingebettet in die Strategie «Smart Canton». 
Ein Beispielprojekt ist der elektronische Parkleitsensor PrestoPark des Genfer Anbieters IEM. Die Sensoren sind mittlerweile in der ganzen Schweiz und Südeuropa installiert. Hier wird mit «smarter» Technologie Geld verdient. In Basel sollen im Projekt «Kapo2016» die Prozesse der Kantonspolizei optimiert werden. Das Ziel ist es, die administrativen Arbeiten wie Datenerfassung und -auswertung zu halbieren. In einem weiteren Projekt testet das Amt für Mobilität an der Lichtsignalanlage in der Flughafenstrasse neue Möglichkeiten der Fussgängersteuerung. Ziel ist es, die Grün- und Rotphasen auch auf die Bedürfnisse der zu Fuss Gehenden abzustimmen. Schliesslich hat sich die Gemeinde Thalwil einen digitalen Dorfplatz geschaffen: Auf der interaktiven Plattform können sich die Einwohner über Aktuelles aus der Gemeinde informieren, sich in offenen und geschlossenen Benutzergruppen austauschen sowie Angebote von Gewerbetreibenden abrufen.

5G treibt Investitionen der IT-Branche

Die 5G-Mobilfunktechnologie dürfte in Zukunft viel Bedeutung in den Smart-City-Projekten gewinnen. Der Netzausbau war eines der bestimmenden Themen in der Schweizer IT-Branche in den abgelaufenen zwölf Monaten. Die drei Mobilfunkprovider nahmen insgesamt rund 380 Millionen Franken in die Hand allein für die Lizenzen. Die Investitionen in die Technologie dürften in den nächsten Jahren noch um ein Vielfaches höher liegen. Ericsson (Swisscom), Huawei (Sunrise/UPC) und Nokia (Salt) heissen die Profiteure. Sunrise will schon dieser Tage bereit sein für das schnelle mobile Internet, Salt und Swisscom dann spätestens Ende Jahr.
Dann dürfte auch die milliardenschwere Übernahme von UPC durch Sunrise über die Bühne gegangen sein.
Im Juni 2018 nahm Sunrise die erste 5G-Antenne der Schweiz in Betrieb
Quelle: Sunrise/PPR/Aladin Klieber
Der Mobilfunkkonzern hatte Ende Februar angekündigt, den Kabelnetzbetreiber für rund 6,3 Milliarden Franken kaufen zu wollen. Neu entsteht ein stärkerer Wettbewerber für Swiss­com, der schon heute zwischen 25 und 30 Prozent der Schweizer Haushalte und Mobiltelefone mit Netzwerk- und TV-Angeboten versorgt.
Den Schweizer Markt neu erschliessen wollen sich, wie bereits AWS, die global präsenten Cloud-Anbieter Google und Microsoft. Alle drei Hyperscaler installieren zurzeit ihre Server und Software in Schweizer Rechenzentren. Die lokalen Anbieter bauen entsprechend aus. Equinix kündigte eine Investition von rund 50 Millionen US-Dollar in sein Zürcher Rechenzentrum an, Green baut für knapp 70 Millionen Franken ein drittes Hochleistungsrechenzentrum in Lupfig und der Anbieter e-shelter erweitert sein Rechenzentrum in Rümlang für ebenfalls ca. 70 Millionen Franken.
Green baut am bestehenden Standort Lupfig ein neues Hochleistungs-Data-Center
Quelle: Green Datacenter
Während die Rechenzentren grösstenteils nahezu ohne Personal auskommen, sind die IT-Anbieter in der Schweiz weiter auf der Suche nach qualifiziertem Personal. Das hat mehrere Gründe: Erstens werden weiterhin zu wenig Informatiker ausgebildet, zweitens schöpfen internationale Konzerne wie Facebook, Google, IBM und Microsoft massiv Talente ab. Die Schweiz und insbesondere Zürich sowie die Genfersee-Region sind hervorragende Forschungsstandorte für die Firmen. Dies haben zum Beispiel auch Acronis, HPE, Kaspersky und Oracle erkannt, die alle neu mit Entwicklungslabors hierzulande präsent sind.
Die kleineren Schweizer Anbieter treten die Flucht ins Ausland an, weil sie im Heimmarkt je länger, je weniger Personal finden. Den Banken-Software-Hersteller Avaloq zieht es nach London sowie Singapur, die bbv Gruppe eröffnet einen Standort in Griechenland, Netcetera baut seine Präsenz in Wien aus, Puzzle ITC lässt sich in Deutschland nieder und Zühlke gründet eine Gesellschaft in Bulgarien. Weiter erwägt Branchenprimus Swisscom neu, demnächst einen neuen IT-Standort in den Niederlanden aufzubauen.
Avaloq bedient am neuen Standort in Singapur die Kunden in der Asia-Pazifik-Region
Quelle: Avaloq/Kelvin Cuff

Drohnen und das tägliche Brot

Das grösste Dienstleistungsunternehmen im Lande, die Schweizerische Post, kann sich über zu wenig Auslastung ihrer IT-Systeme sicher nicht beklagen. Im Jahresend­geschäft 2018 wurden neue Rekordmengen verarbeitet: Die Online-Einkäufer liessen sich rund 25 Millionen Pakete zustellen. Parallel zu Millioneninvestitionen in neue Verteilzentren testet die Post aber auch alternative Technologien. Und musste jüngst zwei Dämpfer hinnehmen. Die Zustellroboter störten Zürcher Passanten, eine Drohne mit Laborproben stürzte ab. Nun liegen beide Projekte auf Eis.
Drohnenflüge über den Zürichsee hat die Post wieder gestoppt
Quelle: Schweizerische Post
Wohl auch in diesem Jahr per Drohne ausgeliefert werden Shishas der Schaffhauser Bar Ohana. Der Inhaber hatte den Lieferdienst im vergangenen Sommer lanciert und damit viel Aufsehen erregt. Seit anfangs Februar dieses Jahres liefert die Post in Zusammenarbeit mit der Confiserie Eichenberger Kunden aus der Stadt und der Agglomeration Bern werktags «Brot-Post» ins Milchkästli. Mit der Dienstleistung will die Post ihr Kerngeschäft stützen und ergänzen. Gleichzeitig erschliesst das Unternehmen der Confiserie neue Kunden.
Ein anderes Dienstleistungsgewerbe setzt neu vermehrt auf digitale Angebote, um neue Kunden anzulocken: der Schweizer Tourismus. Vor einigen Jahren sah es noch danach aus, als ob der Disruptor Airbnb der einheimischen Hotellerie ernsthaft gefährlich werden könnte. Die Gefahr ist aber mittlerweile gebannt, zahlt Airbnb für Übernachtungen in den Kantonen Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Schaffhausen, Zug und Zürich sogar Kurtaxe. Einzig unter dem starken Franken leidet der Tourismus. So fehlten im Schweizer Berggebiet im Vergleich zum Rekordjahr 2008 weiterhin 43 Prozent der Hotelübernachtungen aus Europa. Die Hotellerie strafft neu ihre Prozesse: In der Roggenstock Lodge im schwyzerischen Oberiberg vereinfachen Microsoft Surface und Office 365 den Mitarbeitern die administrativen Arbeiten.
Die Destination Davos Klosters hat gleich sämtliche IT-Dienste an den IT-Dienstleister UMB aus­gelagert, um sich auf das Kerngeschäft konzentrieren zu können. Entlastung für gleich mehrere Tourismusanbieter verspricht die «tweebie»-App, die von der IT-Firma ipeak Infosystems und der Hochschule Luzern entwickelt wurde. Sie führt Reisende auf dem kürzesten Weg an den Ferienort, orientiert sie über das Wetter und das kulinarische Angebot. Unter anderem die Destinationen Grindelwald, Zermatt und Teile des Engadins, darunter Pontresina und St. Moritz setzen bereits auf die Mobilplattform. Von der Bergbahn Diavolezza Lagalb aus haben Gäste ganzjährig einen Blick auf die winterliche Berglandschaft des Engadins. Eine kostenfrei ausleihbare Virtual-Reality-Brille stellt den Betrachter in den Mittelpunkt des Geschehens spektakulärer Schneesportszenen.

Vorbild und Platzhirsch Amazon

Was Airbnb für die Hotellerie ist, ist Amazon für den Detailhandel. Die Schweizer Unternehmen stellen sich den He­rausforderungen durch den weltweit grössten Versender, indem sie sich ihn als Vorbild nehmen. Der Kioskbetreiber Valora will beispielsweise das Konzept von «Amazon Go» in mehreren Varianten in der Schweiz testen. Im Laufe dieses Jahres soll erstens «avec box» lanciert werden. Dort werden die Konsumenten via App in den Laden einchecken, die gewünschten Produkte aus dem Regal nehmen, die Barcodes scannen und den Laden wieder verlassen können. In der zweitens geplanten «k kiosk box» entfällt das Scannen der Produkte auch noch, was den Einkaufsprozess noch einmal beschleunigen soll. Mit den beiden Konzepten will Valora nicht hauptsächlich Personal sparen, sondern sein Portfolio vergrössern. So sind für beide Ladenkonzepte Standorte vorgesehen, an denen es bislang kein oder nur ein sehr geringes Convenience-Angebot gibt. Weiter spekuliert der Detailhändler darauf, zumindest die kassenlose «k kiosk box» während 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche offen lassen zu können – wenn dies der Gesetz­geber und die Vermieter gestatten.
Valora präsentiert mit der «avec box» sein kassenloses Ladenkonzept
Quelle: Valora
Während Coops Siroop-Projekt vor gut einem Jahr damit scheiterte, eine Konkurrenz zum Weltmarktführer zu etablieren, strebt die Migros genau das an. Die Tochterfirma Digitec Galaxus nimmt sich Amazons Hauptseite zum Vorbild. Dafür wurde ein internationales Versandzentrum in Grenznähe aufgebaut, der Markteintritt in Deutschland mit einem eigenen Verteilzentrum gewagt und das einheimische Sortiment massiv hochgefahren. Unter anderem Designermöbel von Teo Jakob, Luxuswaren von Globus, Medien von Ex Libris, Mode von Bestseller und Metro Boutique, Schuhe von Vögele Shoes, Sportartikel von Ochsner Sport und Taurus, Wein von Baur au Lac Vins sowie nicht zuletzt das gesamte Non-Food-Angebot der Migros sind neu via Galaxus bestellbar. Der Konzern erzielt zwar mit einem Gesamtumsatz von 992 Millionen Franken eine neue Rekordmarke. Im Plus von 15 Prozent spiegelt sich jedoch das massiv grössere Sortiment nicht wider. Immerhin: Platzhirsch Amazon wuchs im gleichen Zeitraum im Online-Handelsgeschäft auch «nur» um 15 Prozent.

Verschriebene Digitalisierung

So sehr die Post beim E-Voting wie der sichere Sieger aussieht, so sehr hat sie den Vorsprung beim E-Health verschenkt. Anstatt das bereits etablierte Patientendossier aus Genf weiterzuentwickeln, kündigte die Post vor rund einem Jahr an, auf die Standardlösung von Siemens Healthineers setzen zu wollen. Die bestehenden E-Health-Services sollen mittelfristig in die neue Lösung überführt, das Nach­folgeprodukt dann bis Anfang 2020 zertifiziert werden, hiess es. Im Frühjahr 2020 wird das elektronische Patientendossier zur Pflicht bei den Spitälern.
Die Versicherung Swica lancierte mit santé24 ein eigenes Telemedizin-Angebot
Quelle: Swica/Ben Blankenburg
Bereits im August vergangenen Jahres wurde in Basel-Stadt das erste Patientendossier lanciert. Regierungsrat Lukas Engelberger hatte im Universitätsspital Basel sein persönliches «myEPD» eröffnet. Damit war er allerdings etwas voreilig. Denn mittlerweile hat sich der Kanton schon wieder von der Lösung verabschiedet. «Es hat keinen Wert, dass jede Region ihr eigenes System umsetzt», kommentierte Burkhard Frey, Präsident des Trägervereins E-Health Nordwestschweiz, den Entscheid. Basel-Stadt schliesst sich nun dem System der Kantone Bern, Zug und Zürich an. Dort und in fünf weiteren Kantonen haben sich die Spitäler in der Stammgemeinschaft XAD zusammengeschlossen. Sie deckt mittlerweile fast die gesamte Deutschschweiz ab. Der Technologiepartner für die Umsetzung ist Swisscom Health.
Im ambulanten Bereich bietet Medgate seit Jahren medizinische Konsultationen am Telefon oder Computer an. Neu auch unterwegs via App am Smartphone oder Tablet. Die Kunden der Krankenkasse Swica müssen für die telemedizinischen Dienstleistungen noch zum Hörer greifen oder den Webbrowser öffnen. Denn trotz Praxisbewilligung funktioniert der Service «santé24» nur auf den traditionellen Kommunikationskanälen. Ob ein Symptom auf eine spezifische Erkrankung hinweist, können die Swica-Kunden mit der «Benecura»-App aber auch selbst überprüfen.

Der Verkehr wird mobil

Auf vermehrte Selbstbedienung der Reisenden respektive Kunden setzt auch das grösste Verkehrsunternehmen der Schweiz. Dafür haben die SBB und das Tochterunternehmen SBB Cargo mehrere Projekte lanciert. Die SBB-App wurde mehrfach ergänzt, unter anderem um das automatische Ticketing «EasyRide», Bezahlmöglichkeiten wie Twint und das digitale GA sowie den «SwissPass». Hinter den Kulissen werkelt das Unternehmen im Grossprojekt «SmartRail 4.0» an der Optimierung des Fahrplans, der Stromversorgung und der Zugverkehrssteuerung. In dem Projekt sind neben anderen Schweizer Bahngesellschaften auch der Software-Anbieter SAP beteiligt. Stand heute sollen 2028 alle neuen Technologien im Regelbetrieb sein. Unterdessen zeichnet der Anbieter Ruf Telematik während den nächsten sechs Jahren weiterhin für die Wartung der Fahrgastinformationssysteme diverser SBB-Zugflotten verantwortlich. Der Freihänder hat einen Wert von 1,8 Millionen Franken.
SBB Cargo: Abholung im Verteilzentrum von Coop in Aclens
Quelle: SBB/Gian Vaitl
Als erste Güterbahn Europas bietet SBB Cargo mit der Applikation «Cargo View» ein Track-and-Trace-System für die Transporte an. Die Lösung lässt sich via API auch in das ERP der Kunden einbinden. Die früher handschriftliche Anmeldung von Gütern an der Verladerampe ersetzt neu die App «Cargo Check-in». Hier wird das Einchecken direkt an der Rampe per Knopfdruck auf dem Smartphone oder Tablet abgewickelt.
Das Natel entwickelt sich im Verkehr vermehrt zum zentralen Steuergerät. Neu lassen sich in fast 50 Schweizer Städten auch die Parkgebühren mit dem Mobilgerät bezahlen. Das Start-up Digitalparking kooperiert dafür mit dem Payment-Anbieter Twint. Die Stadt Luzern hat hingegen eine eigene digitale Parkuhr entwickelt, die mit einem Online-Verwaltungssystem kommuniziert. An der Stele am Löwengraben geben Autofahrer statt der Parkfeldnummer das Fahrzeugkennzeichen ein und zahlen per Münz. Um den Bezahlstatus abzufragen, kann die Luzerner Polizei mit einer Kontroll-App die Kennzeichen scannen. Die App integriert dann die Daten aus der Parkuhr und signalisiert dem Ordnungshüter, ob der eingeworfene Münzbetrag aus­reichend ist. Parallel testet Luzern allerdings auch das bargeldlose Bezahlen der Parkgebühr mit Twint.
In Yverdon-les-Bains kann neu an 80 Parkuhren mit Twint bezahlt werden
Quelle: Twint

Open Source in der Schule

Die Stadt Bern sorgte im vergangenen Jahr für Furore durch den vermutlich grössten Open-Source-Auftrag der Schweiz. Der Anbieter Abraxas hatte im Mai den Zuschlag für die Lieferung und den Betrieb einer neuen Informatikinfrastruktur für die städtischen Schulen erhalten. Im November sagte das Stimmvolk ja zum Investitionskredit in Höhe von rund 24,5 Millionen Franken. Die neue Schulinformatik «base­4kids2» besteht aus einer quelloffenen Lernplattform und weiteren Open-Source-Lösungen. Daneben werden rund 7700 Geräte angeschafft. Die Schüler lernen ab dem Schuljahr 2019/2020 dann allerdings an iPads, die nicht eben für ihre Offenheit bekannt sind. Gemeinderätin Franziska Teuscher freute sich trotzdem: «Ich bin sehr froh, dass das Stimmvolk die Mittel gesprochen hat, damit wir die Schüler auf das von der Digitalisierung geprägte berufliche und gesellschaftliche Leben vorbereiten können.»
Schüler sollen an iPads unterrichtet werden
Quelle: Archiv
Mit ähnlichen Gedanken trugen sich auch die Verantwortlichen in anderen Regionen. Etwa stattete die Stadt Zürich alle Primarschüler mit Tablets aus. Bei den rund 3000 Geräten fiel die Wahl auf ein eher kostspieliges Modell: Acers Switch 5. Es passt in das bewilligte Budget von 12,3 Millionen Franken. Mit nicht einmal der Hälfte (5,8 Millionen) müssen die Sekundarschulen der Stadt Luzern auskommen. Auch sie wollen allen Schülern auf das Schuljahr 2019/2020 mobile Arbeitsgeräte stellen. Im Kanton Basel-Stadt müssen sowohl Lehrer als auch Schüler ihre eigenen Laptops mitbringen – zumindest an den Mittelschulen. Damit die Lernenden in den Schulen zumindest eine adäquate IT-Infrastruktur vorfinden, sollen die Netzwerke und Server bis 2021 auf einen einheitlichen Stand gebracht werden. Kostenpunkt: 4 Millionen Franken.
Das Fürstentum Liechtenstein will anlässlich der Einführung eines neuen Lehrplans Ende Schuljahr 2022/2023 gleich die gesamte Schulinformatik erneuern. Für einen Betrag von rund 13 Millionen Franken sollen alle öffentlichen Schulen mit WLAN und mobilen Geräten ausgestattet werden. Den Schülern von der Primarschule bis zur Sekundarstufe I werden dann Notebooks und Tablets gestellt.

Kooperation und Dezentralisierung

Die Energieversorger in der Schweiz bereiten sich weiterhin auf die Liberalisierung des Strommarkts vor. In Zukunft sollen wie bis anhin schon Grossverbraucher auch Privatpersonen ihren Energielieferanten frei wählen können. Über den Zeitpunkt sind sich die Politiker und Unternehmen allerdings bisher nicht einig geworden. Einige Konzerne nahmen die anstehenden Marktöffnung aber zum Anlass, schon im Vorfeld zu handeln. Die EKZ (Elektrizitätswerke des Kantons Zürich), EBM (Genossenschaft Elektra Birseck) und Romande Energie lagerten ihre Backoffices in eine gemeinsame Dienstleistungsfirma aus. In diesem Zusammenhang bekam der IT-Dienstleister Avectris den Auftrag, für rund 4,5 Millionen Franken die ERP-Systeme der drei Konzerne zusammenzuführen. Auf der künftigen IT-Plattform soll die operative Tätigkeit – vom Messdienst bis hin zur Rechnungsstellung – der drei Versorger standardisiert werden. Für das Ablesen der Stromzähler hat Avectris aus­serdem eine App entwickelt, mit der die Zusteller der Schweizerischen Post in Zukunft unter anderem die Zähler von Romande Energie kontrollieren.
In Walenstadt wird «Quartierstrom» über die Blockchain abgerechnet
Quelle: Wasser- und Elektrizitätswerk Walenstadt
Zum ersten lokalen Strommarkt der Schweiz haben sich in Walenstadt 37 Haushalte und ein Alterszentrum zusammengeschlossen. Sie nehmen teil am Pilotprojekt «Quartierstrom», in dem seit Anfang Jahr lokal erzeugter Solarstrom über eine Blockchain in der Nachbarschaft vermarktet wird. «Im Januar hatten wir eine sehr tiefe Stromproduktion, weil sich die Sonne wenig zeigte oder Schnee die Solaranlagen bedeckte», sagt Christian Dürr vom Wasser- und Elektrizitätswerk Walenstadt. Den wenigen Strom haben die Teilnehmer meist im eigenen Haushalt verbraucht. Erst wenn Überschüsse produziert werden, kommt es zum Handel über die Blockchain. Dies zeigte sich in den (sonnigeren) ersten beiden Februarwochen: Gut 32 Prozent der Gesamtproduktion wurde in der Nachbarschaft gehandelt – knapp 50 Prozent wanderte direkt in den zugehörigen Haushalt. Nur 18 Prozent ging an den Energieversorger. Vom gesamten Stromverbrauch konnte die Gemeinschaft immerhin 25 Prozent mit lokalem Solarstrom decken. An sonnigen Tagen stieg dieser Anteil auf 37 Prozent. Im Verlauf des einjährigen Pilots sollen nun erstens Erfahrungen mit der eigens entwickelten Blockchain-Lösung gesammelt werden. Zweitens wird protokolliert, wie sich die Nutzer im lokalen Strommarkt verhalten.

Drohnen auf dem Hof und dem Berg

Die Schweizer Landwirte beschäftigen sich mit den Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für ihre Betriebe. Seit Mitte vergangenen Jahres haben Politik, Verbände und Unternehmen in einer «Charta zur Digitalisierung» festgeschrieben, welche Massnahmen geprüft respektive ergriffen werden sollen. Wie sich Technologie in der Landwirtschaft nutzenbringend einsetzen lässt, zeigen Branchenverbände und Unternehmen auf der «Swiss Future Farm» in Tänikon TG. Das in Europa einzigartige Projekt eröffnete im September 2018 seine (Stall-)Türen.
Die Drohne appliziert Schutzmittel exakt am Pflanzenbestand
Quelle: Kanton Aargau
Damals hatten Landwirte des Kantons Aargau bereits digitale Helfer angestellt. Das vom Kanton lancierte Programm «agriGIS» dient Bauernfamilien zur Erfassung landwirtschaftlich genutzter Flächen. Ein Ziel ist es, durch die Technologie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Nach dem Willen des Kantons sollen deshalb in naher Zukunft Düngungsdrohnen und Hack­roboter auf den Landwirtschaftsbetrieben vermehrt zum Einsatz kommen. Während der Demonstration einer Sprühdrohne im Rebbau konnte die Firma Agrair im Kanton Basel-Landschaft aufzeigen, dass die Technologie nicht ausschliesslich die menschliche Arbeitskraft ersetzt, sondern echte Vorteile bringt. So konnten steile Rebberge auch nach Niederschlägen problemlos beflogen werden, während der Einsatz eines Traktors noch heikel war. Weiter wurde das Personal weniger den Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt und die verteilte Menge liess sich präziser steuern. Die Digitalisierung in der Landwirtschaft kann auch der Gesundheitsprävention dienen und Effizienzgewinne bedeuten.



Das könnte Sie auch interessieren