Interview 23.04.2009, 13:43 Uhr

Wie grün ist SAP wirklich?

SAP erklärt Nachhaltigkeit zum strategischen Thema. Unsere Kollegen von der deutschen Computerwoche unterhielten sich mit SAPs Chief Sustainability Officer (CSO) Peter Graf über die Umweltaktivitäten des Software-Riesen.
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Peter Graf kümmert sich bei SAP um Umwelt- und Nachhaltigkeitsbelange.
CW: Wann hat SAP festgestellt, dass sie einen CSO braucht?
Graf: SAP hat schon vor langer Zeit damit begonnen, so genannte Grass-Roots-Bewegungen innerhalb des Unternehmens zu fördern. In den USA beispielsweise ist das Volunteering im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit sehr populär. Aber auch an den europäischen SAP-Standorten gibt es etliche Gruppen, die sich sozialen oder Umweltprojekten verschrieben haben.

CW: Das Thema Nachhaltigkeit und Energieeffizienz kam also über eine Bottom-up-Bewegung ins Unternehmen?
Graf: Nicht nur. Zum Teil kam der Anstoss sicher von unten. Es gibt aber auch von seiten des Vorstands ein starkes Bekenntnis zum Thema Sustainability. Auf der Produktseite hat SAP bereits seit 1995 gemeinsam mit Partnern einschlägige Lösungen entwickelt. Diese verschiedenen Strömungen haben jetzt dazu geführt, dass sich SAP auch strategisch dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben hat.

CW: Was verspricht sich SAP davon?
Graf: Zum einen haben wir die moralische Verpflichtung, uns des Themas anzunehmen. Zum anderen wollen wir unsere kurz- und langfristige Profitabilität erhöhen, indem wir ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Aspekte ganzheitlich managen. Und natürlich möchten wir unseren Kunden Lösungen anbieten, die sie in die Lage versetzen, selbst nachhaltiger zu operieren.

CW: Das klingt reichlich allgemein. Welche konkreten Aufgaben nehmen Sie als CSO wahr?
Graf: Wir befinden uns in einem Change-Management-Prozess. Dabei orchestriere ich die gesamten betriebswirtschaftlichen Funktionen, vom Marketing über den Vertrieb, die Produktentwicklung und den Service bis hin zum Partner-Management im Bereich Nachhaltigkeit.
Wir haben in allen diesen Vorstandsbereichen Verantwortliche, die sowohl an den entsprechenden Abteilungsleiter als auch an mich berichten. Damit kann ich die Strategie unternehmensweit vorantreiben. Das Besondere an meiner Position ist, dass ich mich nicht nur um die internen Prozesse kümmere, sondern auch um unsere Produkte. Diese werden wir erweitern, um unseren Kunden nachhaltigeres Wirtschaften zu ermöglichen.

CW: Mit welchen Kompetenzen sind Sie ausgestattet, um diese Aufgaben wahrzunehmen? Können Sie beispielsweise auf die Produktentwicklung Einfluss nehmen?
Graf: Absolut. Zum einen über die gerade genannten Berichtslinien und zum anderen über den so genannten Sustainability Council. In diesem Gremium sind alle Stakeholder vertreten, auch die Vorstände. Hier werden übergreifende Strategie, Budgets und Prioritäten entschieden. Ich selbst berichte direkt an den Vorstand.

Kritik an SAP-Anwendungen

CW: Trotzdem erntet SAP in Sachen Nachhaltigkeit durchaus Kritik. Viele ERP-Anwendungen wie etwa die SAP-Business Suite sind so komplex, dass sie unverhältnismässig viel Rechenleistung beanspruchen und den Energiebedarf in die Höhe treiben, monieren Experten. Wie reagieren Sie darauf?
Graf: Wir haben unseren Energieverbrauch und auch den unserer Kunden untersucht. Unser eigener Verbrauch führt pro Jahr zu einem Ausstoss von zirka einer halben Million Tonnen Kohlendioxid. Das ist sozusagen unser "Carbon Footprint". Betrachtet man den Kohlendioxidausstoss, den SAP-Systeme bei unseren Kunden verursachen, kommt man auf eine Menge von 50 Millionen Tonnen im Jahr. Diese Zahl ist vor allem im Vergleich mit dem gesamten Kohlendioxidausstoss unserer Kunden interessant. Hier reden wir über fünf Milliarden Tonnen, das heisst noch einmal das Hundertfache. Das bedeutet: SAPs eigener Footprint ist etwa zehntausendmal kleiner als der seiner Kunden und ungefähr hundertmal geringer als die Energie, die verbraucht wird, um SAP-Systeme zu betreiben.

CW: Demnach entfällt nur ein Prozent des gesamten Energieverbrauchs ihrer Kunden auf den Betrieb von SAP-Software?
Graf: Nicht wirklich. Ungefähr die Hälfte des Energieverbrauchs im Rechenzentrum entsteht durch die Kühlung von IT-Systemen. 40 Prozent geht durch eingeschaltete Rechner verloren, die nichts tun. Lediglich zehn Prozent der Energie wird tatsächlich in Rechenleistung umgesetzt. Wir arbeiten schon seit langem mit Unternehmen zusammen, die in Sachen Energieverbrauch sehr effektive Techniken entwickelt haben. Dazu gehören Anbieter von Virtualisierungslösungen wie beispielsweise Vmware oder Citrix. In unserem eigenen Rechenzentrum, zum Beispiel, haben wir mit Hilfe von Virtualisierung den Energieverbrauch signifikant reduziert.

CW: Der Begriff Green IT wirkt gerade in der derzeitigen Krise etwas abgenutzt. Sieht man sich die einschlägigen Initiativen von Unternehmen an, entsteht der Eindruck, dass das Thema nur dann interessant ist, wenn unterm Strich konkrete Einsparungen winken. Ist die Idee zum reinen Kostenthema mutiert?
Graf: Man kann nicht davon ausgehen, dass Unternehmen aus eigenem Antrieb "grün" motiviert sind. Das Missverständnis allerdings lag in der Tatsache, dass viele Unternehmen nachhaltiges Wirtschaften als Luxus betrachteten. Im Moment setzt sich glücklicherweise die Erkenntnis durch, dass es sehr viele Dinge zu tun gibt, die sowohl der Umwelt oder der Gesellschaft helfen als auch wirtschaftlich nützlich sind. Manchmal hilft der Gesetzgeber nach. Dann geht es vor allem darum, die Vorgaben möglichst kostengünstig umzusetzen. In anderen Fällen sind es stark volatile Rohstoff- oder Energiepreise, die uns dazu treiben, Verbesserungen herbeizuführen. Oft steht aber auch die Reputation des Unternehmens im Mittelpunkt. Nicht zuletzt können sich Firmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, wenn sie einschlägige Innovationen auf den Markt bringen. Das öffentliche Interesse am Thema ist sehr gross.

CW: SAP hat sich ehrgeizige Umweltziele13 gesteckt. Bis zum Jahr 2020 soll der Kohlendioxidausstoß14 auf das Niveau von 2000 sinken. Das wäre eine Halbierung des Ausstoßes von 2007. Wie wollen Sie diese Vorgabe erreichen?
Graf: Wir setzen dabei auf drei Ebenen an. Zunächst haben wir geprüft, wie viel Kohlendioxid durch unseren eigenen Brennstoffverbrauch ausgestossen wird, zum Beispiel in unseren Dienstwagen. Eine zweite Frage drehte sich darum, wie viel Kohlendioxid durch die Stromerzeugung verursacht wird, die wir als Elektrizität einkaufen. Auf der dritten Ebene geht es um die Frage, welche Menge Kohlendioxid freigesetzt wird, wenn wir Services wie beispielsweise Flugreisen in Anspruch nehmen. In unserem jährlichen Sustainability Report analysieren wir sehr genau, wo die Belastungen anfallen. Wenn man das weiss, kann man an den kritischen Punkten ansetzen.

CW: Und die wären?
Graf: Zum Beispiel entfällt ungefähr die Hälfte unserer Emissionen auf in Anspruch genommene Dienstleistungen. Dazu gehören neben Flugreisen beispielsweise auch Mietwagen oder die Papierproduktion, aber auch die Luftverschmutzung, die durch das Pendeln unserer Mitarbeiter in Privatwagen entsteht. Nun kann man den Kollegen nicht verbieten, zu fliegen. Es geht vielmehr darum, intelligente Alternativen zu finden. In diesem Kontext haben wir beispielsweise mit unserem Partner Cisco unsere Telepresence-Fähigkeiten massiv ausgebaut. Bis Ende des Jahres werden wir weltweit 20 solcher Systeme installiert haben. Damit können wir auf viele Flugreisen verzichten. Das hilft nicht nur der Umwelt. Natürlich sparen wir damit auch Zeit und Geld.



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