29.08.2012, 11:34 Uhr

BPM macht der Verwaltung Beine

Die öffentliche Verwaltung sei bürokratisch, unflexibel und überreguliert, so das Vorurteil. Dabei hat der Wandel zu einer kunden-, prozess- und leistungsorientierten Organisation längst begonnen. Grundstein ist die Einführung eines Geschäftsprozessmanagements.
Zwar gewinnt die Optimierung von Geschäftsprozessen mithilfe professioneller Business-Prozess-Management-Tools (BPM) auch in der öffentlichen Verwaltung immer mehr Bedeutung. Trotzdem hinkt die Umsetzung in mehreren Aspekten – etwa bei Prozessdenken, Optimierung, Dokumentation oder Standardisierung – hinter der Privatwirtschaft her. Weshalb ist das so, wenn das Prozessmanagement doch tatsächlich eine merkliche Steigerung der Servicequalität zu bewirken vermag? Ein Grund ist, dass die öffentliche Verwaltung im Unterschied zur Privatwirtschaft teilweise andere Prioritäten setzt: Die öffentliche Verwaltung nimmt in diversen Bereichen eine monopolähnliche Stellung ein. Hier stehen Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Serviceorientierung – die Kernanliegen des Geschäftsprozessmanagements – nicht zwingend im Zentrum.Sie ist historisch eher funktionsbezogen und hierarchisch organisiert, das heisst, man dachte bislang eher von der Zuständigkeit aus, statt vom Endprodukt oder dem Kundenservice.Sie zeichnet sich durch ein vielseitiges Aufgabenspektrum aus.Verfahren und teilweise sogar Abläufe sind rechtlich vorgegeben, was die Gestaltungsmöglichkeiten der Prozesse einschränkt. Diese und weitere Gründe sind mitverantwortlich, dass sich BPM in der Verwaltung noch nicht so stark durchgesetzt hat wie in der Privatwirtschaft. Sinkende Steuereinnahmen, zunehmender Spardruck, steigende Komplexität und neue Möglichkeiten durch Informatikmittel lassen BPM aber an Bedeutung gewinnen. Verwaltungsbehörden, deren Dienstleistungen klar definiert sind, können sich kaum über das «Was», aber sehr wohl über das «Wie» profilieren, also die Art und Weise, wie etwas erledigt wird. Lesen Sie auf der nächsten Seite: BPM fördert Abbau von Bürokratie Bei BPM richtet sich die Organisation an der Qualität des Ergebnisses aus. Für die öffentliche Verwaltung ist aber nicht immer das Ergebnis, sondern vor allem die Qualität der Interaktion mit den Bürgern oder der Wirtschaft entscheidend. Ein besonders deutliches Beispiel: Im Strafvollzug liegt das Ergebnis des «Geschäftsprozesses» meist nicht im individuellen Inte­resse des betroffenen Kunden. Die Qualität, etwa kurze Durchlaufs- und Reaktionszeiten, klare und verständliche Informationen, nachvollziehbare und transparente Prozesse, wirken sich jedoch positiv auf die Gesamtwahrnehmung aus. BPM fördert Abbau von Bürokratie Ein konsequentes Prozessmanagement kann dazu beitragen, dass die Verwaltungsabläufe effektiv und effizient gestaltet sowie laufend geprüft und verbessert werden. Auf diese Weise trägt BPM massgeblich zu einer verbesserten Servicequalität bei: Verwaltungen, die Prozessmanagement leben, profitieren meist von grösserer Flexibilität. Eine Anpassung an sich ändernde Rahmen­bedingungen gelingt ihnen oft besser.Der Dienstleistungsweg ist dokumentiert. Somit wird klar ersichtlich, was sich positiv auf die Transparenz, die behördenübergreifende Zusammenarbeit sowie die Erkennung von Optimierungspotenzial auswirkt. Unnötige oder komplizierte Prozessschritte können beseitigt werden.BPM schafft die Grundlage für das Informations- und Wissensmanagement, da für alle ersichtlich ist, wer wofür verantwortlich zeichnet und wer über welches Wissen verfügt. Vorhandene Kompetenzen können besser genutzt werden. Ebenso werden Abhängigkeiten und Auswirkungen einer Handlung auch im Gesamtkontext sichtbar.BPM begünstigt die wirtschaftliche Leistungserbringung und damit die Kostensenkung. So wirkt sich Prozessmanagement einerseits positiv auf allfällige bürokratische Strukturen aus. Andererseits werden Ziele für Führungskräfte mess- und steuerbar, was wiederum die Zielerreichung und Leistungsverbesserung begünstigt.Ein durchgängiges Geschäftsprozessmanagement bildet die Grundlage für zahlreiche eGovern­ment-Leistungen. Dieses Nutzenpotenzial ist in der öffent­lichen Verwaltung noch lange nicht ausgeschöpft. Sich ändernde Rahmenbedingungen und gesamtschweizerische Bestrebungen führen jedoch dazu, dass sich der prozessorientierte Ansatz immer mehr durchsetzt. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Vorteile dank eCH-Standard Vorteile dank eCH-Standard Für BPM in Verwaltungen steht ein Standard für die Dokumentation öffentlicher Leistungen und Prozesse (eCH-0073) frei zur Verfügung. Dieser enthält Empfehlungen zur Prozessdarstellung und einheitlichen Nutzung von Symbolen. Er lehnt sich am internationalen Standard Business Process Modeling Notation (BPMN) an. Für die organisationsübergreifende Zusammen­arbeit, das einheitliche Verständnis und den Vergleich ähnlicher oder gleicher Abläufe, ist eine standardisierte Notation die Voraussetzung. Die Einführung behördenübergreifender und allenfalls elektronisch unterstützter Dienstleistungen wird damit vereinfacht. Ein weiterer Vorteil ist, dass mittelfristig auf gesamtschweizerischer Ebene für diverse Prozesse Musterabläufe oder Vorlagen zur Verfügung gestellt werden. Diese können durch Verwaltungen übernommen und an die eigenen, spezifischen Gegebenheiten angepasst werden. Einerseits wird bei der Er­arbeitung der eigenen Prozesse Zeit gespart, andererseits kann durch solche Musterprozesse im Sinne eines Best-Practice-Ansatzes Optimierungspotenzial besser erkannt und genutzt werden. Lesen Sie auf der nächsten Seite: BPM braucht erfahrene Projektleiter BPM braucht erfahrene Projektleiter Mit der Dokumentation bestehender Prozesse ist es jedoch noch lange nicht getan. Prozesse müssen periodisch überprüft und optimiert werden. Sowohl die Optimierung von Prozessen wie die Einführung von Prozessmanagement ist ein zeitlich beschränktes Projekt, mit definiertem Start- und Endpunkt. Ein profes­sionelles Projektmanagement mit Erfahrung in Prozessmanagement begünstigt den Erfolg. Befruchtend dürfte dabei auch der Informations- und Wissenstransfer von anderen Branchen auf die öffentliche Verwaltung wirken. Vielfach können bewährte Methoden und Best Prac­tices aus der Privatwirtschaft auch auf die Verwaltung übertragen werden. Wenn Projekte scheitern, dann liegt dies aber häufig nicht an mangelhaften Ergebnissen, sondern an Widerständen der Betroffenen. Die Optimierung von Prozessen respektive die Einführung von BPM muss deshalb mit Werkzeugen zur Unterstützung des Veränderungsprozesses (Change Management) begleitet werden. Die Veränderungen müssen sorgfältig gelenkt und die Betroffenen zu begeisterten Beteiligten gemacht werden (vgl. Abbildung).Lesen Sie auf der nächsten Seite: Fazit Fazit: Nötig und Nützlich Prozessmanagement für Verwaltungen ist weder unnötig noch unnütz. Es trägt massgeblich zur Steigerung der Servicequalität und zur Erleichterung des elektronischen Behördenverkehrs bei. Insbesondere die einheitliche Notation und Darstellung gemäss dem eCH-0073-Standard erleichtert und ermöglicht die organisationsübergreifende Zusammenarbeit und damit zukunftsgerichtete, elektronische behördenübergreifende Dienstleistungen. Den Forderungen der Kunden nach schneller, transparenter und kostengünstiger Leistungserbringung kann durch ein durchgängiges Prozessmanagement besser entsprochen werden. Derzeit befassen sich bereits zahlreiche Verwaltungen auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene mit der Optimierung ihrer Prozesse oder der Einführung von Geschäftsprozessmanagement. Die Autoren Michèle Mégroz (lic.oec. HSG, eidg. dipl. Informatikerin) ist Beraterin und Projektleiterin bei der CSP AG. Ihre Schwerpunkte sind Prozess-Engineering, Strategie- und Organisationsentwicklung, eGovernment sowie Qualitätsmanagement. Dominic Loher (M.A. HSG) ist ebenfalls Berater und Projektleiter bei der CSP AG. Seine Schwerpunkte sind Prozess-Engineering, Requirements Engineering & Evaluationen sowie IT-Strategie. Beide sind primär in der öffentlichen Verwaltung und Industrie tätig. Link www.csp-ag.ch


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