20.10.2005, 17:10 Uhr

«Die Dienstleistungen sind entscheidend»

Ob sich Open-Source-Software für den Unternehmenseinsatz eignet, ist weniger eine Frage der Lizenz als vielmehr der Absicherung gegenüber Risiken aller Art.
Christian Laux hat sich als Jurist auf Fragen zu Open-Source spezialisiert.
Der promovierte Jurist Christian Laux ist Gründungsmitglied des Vereins Openlaw (www.openlaw.ch). Dieser versteht sich als Plattform für Rechtsfragen rund um Open-Source-Software (OSS) und Open Content. Laux hat in Zürich und Paris studiert und arbeitet als Rechts-an-walt in einer Wirtschaftskanzlei in Winterthur.
Computerworld: Unterscheidet sich aus rechtlicher Sicht OSS von proprietärer Software?
Christian Laux: Das Urheberrecht macht keinen Unterschied zwischen OSS und proprietärer Software. Es spricht ein-fach von Computerprogrammen, und da-run-ter fallen beide Formen. Auch wenn erhebliche Unterschiede in den Li-zenztexten bestehen: Die auf die Nutzung von Software anwendbaren Rechts-regeln sind dieselben.
Computerworld: Die Lizenzfrage stellt sich also gar nicht?
Christian Laux: Doch, es gibt durchaus Besonderheiten. Beispielsweise, wenn ein Anbieter OSS in kom-ple-xen Umgebungen oder zusammengesetzten Frameworks vertreiben und dabei verschiedene Lizenzen unter einen Hut bringen will. Es stellt sich die Frage, ob die Lizenzen kompatibel sind. Er sollte also ein rechtliches Audit durchführen.
Computerworld: Wie schaut die Situation denn bei Klagen wegen Patentverletzungen aus?
Christian Laux: Jede Software hat das Risiko, dass sie Codebestandteile Dritter enthalten könnte oder ein fremdes Patent verletzt. Auch hier unterscheiden sich OSS und proprietäre Software nicht. Viele proprietäre Anbieter haben deswegen versprochen, den Anwender von den dadurch entstehenden Kosten der Rechts-verfolgung freizuhalten. Entsprechende Zusicherungen kennen auch Anbieter von OSS. Sodann ist der Weg frei für ergänzende Geschäftsmodelle. Zu nennen ist etwa die Open-Source-Versicherung von der Firma OSRM (Open-Source Risk-Manage-ment). Es gibt also Geschäftsmodelle, welche die Vor-teile von OSS er-mög-lichen und die gleiche Sicherheit bieten wie proprietäre Software.
Computerworld: Muss ein Unternehmen bei OSS etwas Besonderes beachten?
Christian Laux: Entscheidend ist, woher das Unternehmen die Software bezieht, das heisst, ob es einen spe-zi-alisierten Mehrwertdienstleister aussucht oder nicht. Wird die Soft-ware aus dem Internet heruntergeladen und selber in-stalliert, kommen nur die Open-Source-Lizenzen zur Anwendung. Und die-se schliessen Haftung und Gewähr-lei-stung weit-ge-hend aus. Dies stellt nicht unbedingt einen Unterschied zwischen OSS und proprietärer Software dar.
Computerworld: Über die Haftung wird ja viel diskutiert.
Christian Laux: Das Haftungsproblem ist derzeit im Gespräch, aber ich glaube, es wird etwas über-be-wer-tet. Wenn man Software von einem Mehrwertanbieter bezieht, dann wird dieser in einem zusätzlichen Vertrag weit günstigeren Schutz gegen Funktionsstörungen oder -ausfall der Soft-ware anbieten, als es die Open-Source-Lizenzen vorsehen. Diese Dienstleistung kann zum Beispiel in Softwarepflegeverträgen oder in andern Zusatzverträgen gegen Entgelt versprochen werden. Und dann ist die Situation wieder gleich wie bei proprietärer Software. Je kritischer die Anwendung für das eigene Geschäft ist, desto eher ist die Zusammenarbeit mit einem Spezialisten zu empfehlen.
Computerworld: Ist es denn überhaupt zulässig, Haftung und Gewährleistung auszuschliessen?
Christian Laux: Wird Software gratis überlassen, dann muss von Gesetzes wegen keine Ge-währ-leistung dafür gegeben werden, dass sie funktioniert. Ähnlich zurückhaltend ist die Haftung geregelt. Für absichtliche oder grobfahrlässige Schädigung lässt sich die Haf-tung aber nie ausschliessen.
Computerworld: Also geht es in erster Linie um den Dienstleister, nicht um die Lizenz?
Christian Laux: Das ist der eigentliche Kernpunkt, was manchmal aber unterschätzt wird. Die Wahl des Ver-tragspartners ist sehr wichtig. Wenn der Geschäftspartner in einem Schadenersatz-fall nicht ge-radestehen kann, sondern Konkurs geht, dann sind Ersatzforderungen meistens aussichts-os. Oft ist es auch schwierig, sicherzustellen, dass die Software nach dem Verschwinden des bisherigen Partners weiterbenutzt und angepasst werden kann. Gerade hier bietet Open-Source-Software aber Vorteile.
Computerworld: Für einen Anwender ist also die Lizenz gar nicht entscheidend?
Christian Laux: Genau, es sind das Business-Modell und der Vertragspartner, die den Ausschlag ge-ben. Man muss sich so organisieren, dass es für das eigene Unternehmen stimmt. Und diese Erkenntnis ist ja beileibe nicht neu.
Andreas Heer



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